Tu es jetzt!
Hallo, Welt!
Heute Morgen standen zwei Polizisten bei mir vor der Tür. Meine Stiefmutter (86) ist tot in ihrer Wohnung aufgefunden worden. Kein Hinweis auf Fremdverschulden.
Gerade erst vor zehn Tagen habe ich die Wohnung meiner Mutter abgegeben. Noch ist nicht alles abgewickelt, da fängt das ganze wieder von vorne an. Bestatter, Trauerfeier, Beisetzung, Wohnung räumen, Papiere sichten. Die letzten Dinge regeln. Ich bin müde und meine Schultern hängen. Aber da ist sonst niemand, der das für sie tun kann.
In den vergangenen Wochen habe ich oft an sie gedacht. Sie hat im Februar ihren Lebensgefährten verloren, aber sie war kein Typ, der mit der Trauer hausieren ging. Sie tat es ab, machte es klein. Und über meine Mutter wunderte sie sich: „Wieso kann die nicht einfach sterben? Wieso kann sie nicht loslassen? Wenn es vorbei ist, ist es doch vorbei… Das ist doch nur eine Belastung für die Menschen in der Umgebung…“
Das konnte ich schwer hören. Meine Mutter war keine Belastung für mich. Nicht in den vergangenen zwei Jahren. Da war unsere Beziehung ein Quell der Freude, der Verbundenheit und Unterstützung. Ich bin so dankbar dafür! Vielleicht war auch das ein Grund, warum ich mich nicht gemeldet habe in den letzten Wochen. Die Kinder haben mit ihr telefoniert, da war alles in Ordnung. Und jetzt ist sie tot. Gestorben in ihrem Wohnzimmer. Aufgefunden Tage später.
In mir ist Bedauern. ich wünschte heute, ich hätte sie angerufen. Ich wünschte heute, ich hätte ihr einmal gesagt, wie sehr ich unsere Verbindung genieße. Ich wünschte heute, wir hätten noch einmal geredet, ohne dass ich von meinem Schmerz geblendet war. Es ist vorbei. Ich habe es aufgeschoben, und nun gibt es keine Gelegenheit mehr.
Ich möchte Euch ermutigen: Wenn Ihr jemanden habt, den ihr schon längst anrufen wolltet: Tut es jetzt! Wenn es unerledigte Briefe gibt: Schreibt sie jetzt. Lasst die Gelegenheit zu Nähe und Versöhnung nicht verstreichen.
Ich akzeptiere, dass ich es so gut gemacht habe wie ich konnte. Die Auflösung der Wohnung meiner Eltern war extrem schmerzhaft für mich. Ich kann anerkennen, dass ich in diesen Monaten an meine Grenzen gegangen bin und keine Kapazitäten für das Leid anderer Menschen hatte. Und wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte, wie gern würde ich ihr sagen: Ich hab dich lieb.
So long!
Ysabelle
Wow, mir kam beim lesen grade eine Gänsehaut…ich hoffe du findest die nötige Kraft.