Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Die Probleme möchte ich nicht haben …

Hallo, Welt!
Gerade eben meldete der Newsticker, dass auch 100000 VW-Benzinfahrzeuge von falschen CO2-Angaben betroffen sind. Jedes Mal denke ich, was kommt als nächstes? In meiner Fantasie arbeite ich in der Führungsetage bei Volkswagen und jeden Tag kommen neue Horrornachrichten. Mal angenommen, als Leitende Angestellte hätte ich davon im Vorfeld nichts gewusst … nur mal angenommen … wie würde ich mich dann jetzt fühlen?
Als erstes meldet sich Scham. Holla! Ich habe was falsch gemacht. Moment mal, Leute … ich habe doch gar nichts davon gewusst …
Aber ich identifiziere mich mit meinem Unternehmen. Und wenn die was „falsch“ machen, betrifft das auch mich. Einer der VW-Oberen hat sich ja auf der Tokyo Motor Show mit einer Verbeugung für den Abgasskandal entschuldigt und angeblich war den Japanern die Verbeugung nicht tief genug, um das Ernst zu nehmen. Ja, da sind wir wieder in der Welt von Richtig oder Falsch, von Belohnung und Bestrafung!
Also, mal abgesehen von Scham, was hätte ich denn noch für Gefühle, so als Miss VW? Peinlich. Mir ist das einfach nur peinlich. Ok, wollen wir diskutieren, ob das ein Gefühl oder eine Interpretation ist? Ich tippe mal auf Interpretation. Ich denke ja dabei, die Dinge hätten anders laufen müssen. „Peinlich“ ist daher eine kleine Schwester von Scham, wobei Scham ein echtes Gefühl ist, aber eben sozial induziert. Wenn ich die Scham und das Peinliche mal weg lasse, was bleibt denn dann? Empörung, Entrüstung. Na, das geht schon eher in Richtung Wut, sehr schön! Wir haben gelernt, dass Wut ein Primärgefühl ist. Ich schätze mal, dahinter wäre Trauer. Wenn ich auf diese grandiose Kompaktkarte gucke, was denn vielleicht für Bedürfnisse dabei unerfüllt sind, komme ich auf
• Zugehörigkeit. Hallo? Solchen Machenschaften möchte ich nicht zugehörig angesehen werden. • Kongruenz, Übereinstimmung mit meinen Werten und Normen. Na, das ist ja mal so was von unerfüllt. • Vertrauen. Ich möchte, dass man mir vertrauen kann, ich habe meiner Firma vertraut und jetzt das. • Respekt dem Kunden gegenüber. • Verstehen. Hey, Ihr, die Ihr Euch das ausgedacht habt! Habt Ihr wirklich geglaubt, Ihr kommt damit durch? Oder war es Euch egal, dass das auffliegen könnte? Was ist Euch durch den Kopf gegangen? Ich wäre schon froh, wenn ich das einfach nur verstehen könnte. Wir wissen ja, verstehen heißt nicht einverstanden sein… • Schutz ist mir auch noch total wichtig. Durch diese ganze Aktion ist tatsächlich mein Arbeitsplatz in Gefahr. Leute, wer denkt sich so was aus? Und wer denkt jetzt an mich, die ich das ausbaden muss?
Was wäre meine ganz persönliche Bitte an die Konzernspitze? Lasst uns unter fachkundiger Anleitung betrauern, was hier vorgefallen ist. Lasst uns überlegen, für welche Werte Volkswagen steht, und was wir tun können, um zu diesen Werten zurück zu finden? Sind wir (noch) auf dem richtigen Weg? Und dann lass uns einen Aktionsplan aufstellen, den wir gemeinsam tragen und verantworten. Nicht nur auf Papier, sondern auch hier im Werk. Auch in Sao Paulo, auch in Shanghai. Lasst uns Vorbild werden und aus dem lernen, was wir hier angerichtet haben. Wenn wir wirklich in diese Richtung gehen, spüre ich Zuversicht und Vertrauen.

Ist ja immer leicht, bei anderen zu gucken.
Wir bereiten im Shop gerade die Aussendung der nächsten Ausgabe der Empathischen Zeit vor und generieren für die Abonnenten schon mal die Rechnungen. Gestern erreichte uns die Mail einer entrüsteten Kundin, die versehentlich eine Rechnung bekommen hat. Es gibt tatsächlich zwei Kundinnen mit dem gleichen Namen. Verblüfft hat mich die Aussage

dies sind methoden, die ich so in ihrem online-shop nicht erwartet habe.

da hätte ich mir doch inniglich gewünscht, dass die Kundin erst mal nachfragt, wie es zu dieser Bestellung gekommen ist, wo sie doch gar nichts bestellt hat. Erare humanum est, irren ist menschlich. Wo gearbeitet wird, passieren Fehler. Und gerade wenn man das in unserem Online-Shop nicht erwartet, wäre das doch erst recht eine Einladung, in Verbindung zu gehen, oder?

So long!

Ysabelle

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