Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Fehler! Richtig! Falsch!

Hallo, Welt!
In der vergangenen Woche habe ich in einer Angelegenheit eine größere Geldsumme überwiesen. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass die Kontonummer nicht korrekt war. Jetzt wissen wir aktuell nicht, wo das Geld gerade ist. Freut sich jemand drüber, dem es gar nicht zugedacht war?

Die Person, die mir die Kontonummer gegeben hatte, schrieb:

(ich) stelle fest, dass der Fehler allein bei mir liegt
Es tut mir wahnsinnig leid, sollte es so rübergekommen sein dass der Fehler bei dir läge.

und ich antwortete:

Meine Ausbildung zur Trainerin hat insgesamt sieben Jahre gedauert. Dabei geht es nicht in erster Linie um Fertigkeiten a la „wie unterrichtet man GFK“ oder „was sind Interpretationen?“ Das härteste Training ist, nicht mehr in Kategorien wie Richtig oder Falsch zu denken und sich abzugewöhnen, FEHLER zu diagnostizieren. Wir alle, jeder Mensch, geben zu jeder Zeit das Beste, was uns zur Verfügung steht. Wenn wir es in der jeweiligen Sekunde besser könnten, würden wir es tun. Selbst wenn wir Entscheidungen treffen oder Dinge tun, die sich im Nachhinein als „weniger als wundervoll“ herausstellen, haben wir unser Bestes gegeben. Es geht nicht um Schuld, es geht um Verantwortung.

In diesem Sinne spüre ich gerade ganz viel Verbundenheit und Wärme mit Dir. Egal wo jetzt die zusätzliche Ziffer ins Spiel gekommen ist. Niemand macht so was mit Absicht, jeder, du, ich, der Mensch bei der Postbank hat sein Bestes gegeben. Und manchmal geht was schief. Shit happens.

Zu meinem Glück wurde dieser Text gut aufgenommen. Hätte ja auch passieren können, dass die andere Person, die noch nie etwas mit GFK zu tun hatte, jetzt den Rettungswagen bestellt, um mich einliefern zu lassen.

Ich hadere schon lange und immer wieder mit dem Begriff Fehler. Ich habe etwas FALSCH gemacht. Als Angehörige einer 12-Schritte-Gruppe kämpfe ich mit dem fünften und sechsten Schritt:

5. Schritt
Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber unverhüllt unsere Fehler zu.

6. Schritt
Wir waren völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen zu lassen.

Das impliziert ja nun, dass mit mir etwas nicht stimmt. Eine Freundin tut sich damit überhaupt nicht schwer. Sie sagt, „ein Fehler ist etwas, was mir fehlt. Das kann ich doch auch benennen.“ Für mich wird das Wort Fehler nicht wie die rote Zahl auf der Störungsanzeige meines Kühlschranks ausgeliefert: Oh, die Temperatur ist über fünf Grad, Check das mal. Oder die Tankanzeige im Auto. Guckst du, nicht mehr viel Benzin drin …

Fehler kommt für mich immer mit „falsch gemacht“. Da hängt immer eine Schuldzuweisung dran. Ich reagiere allergisch, wenn jemand in meiner Übungsgruppe von seinen Fehlern spricht oder meine Mitarbeiterin lakonisch sagt, „mein Fehler“.

Ich würde gern einen Begriff finden, der nicht moralisch aufgeladen ist wie „Fehler“, und der beinhaltet, dass etwas nicht so gelaufen ist wie erwartet, erwünscht, erhofft. Panne tut es nicht, Missgeschick tut es nicht. Irrtum tut es nicht. Versehen tut es nicht. Mangel kommt nicht in Frage. Als Nicht-Engländerin finde ich Error ganz sympathisch, dabei heißt das genau so Fehler wie „fault“, „mistake“ oder „bug“.

Habt Ihr Vorschläge, wie man das ohne moralische Werte benennen kann, dass etwas „weniger als wundervoll“ gelaufen ist? Ich bin für Anregungen dankbar.

So long!

Ysabelle

Einen Kommentar schreiben

Hinweise zur Kommentarabonnements und Hinweise zum Widerrufsrecht finden sich in der Datenschutzerklärung.

Copyright © 2024 by: Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren! • Template by: BlogPimp Lizenz: Creative Commons BY-NC-SA.