Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Liebe für den Waschlappen

Hallo, Welt!
Neulich hatte ich nach langer Zeit mal wieder ein Gespräch mit meinem Schweizer Kollegen Michael Dillo. Wir haben uns ausführlich erzählt, wie es uns geht und was wir jeweils so machen. Ich habe erwähnt, wie schwierig ich es finde, eine Struktur aufzubauen, die mich unterstützt und trägt. Das fängt beim Essen an und hört beim Schlafen auf. Und ich habe noch einmal berichtet, mit welcher unglaublichen Disziplin meine Mutter ihre Krankheit ertragen hat, wie sauber ihre Wohnung, wie geordnet ihre Papiere waren. Und von den Papierstapeln auf meinem Küchentisch …
In einem späteren Teil des Gesprächs klagte ich – zunächst vorbildlich mit Gefühlen und Bedürfnissen – über den Kontakt mit einer bestimmten Person in meinem Leben, um dann abschließend zu seufzen: „Der ist ein Waschlappen“.
Michael wurde hellhörig und fragte irgendwann nach: „Was ist mit dem Waschlappen in dir? Was braucht der?“

Was für eine Bombe, dieser Satz!
Ganze Kaskaden von Gedanken und Gefühlen wurden dadurch losgetreten. Scham, dass es bei mir nicht so schön ordentlich ist wie bei meiner Mutter. Dabei sagt selbst meine Haushaltshilfe: Du kannst eben andere Sachen besser als Fenster putzen. Druck, denn natürlich ist damit auch ein SOLLTE-Denken verbunden. Du solltest, du musst…
Schmerz, weil ich bestimmte Sachen nicht so hinkriege, wie Teile von mir es gern hätten. Trauer und wieder Scham.
Aufgefallen ist mir im Gespräch mit Michael, dass ich mich als getrieben wahrnehme. Ich bin überhaupt nicht in meinem eigenen Rhythmus, ja, ich kenne meine Rhythmus überhaupt nicht. Fast 30 Jahre habe ich mit der Uhr gelebt. Dann geht zur Zug zur Arbeit, dann geht der Zug nach Hause. Freie Zeit wurde mit Heimarbeit, Lernen, Sachbüchern zugeschüttet. Kein Wunder, dass Segeln für mich so ein toller Ausgleich war. Auf dem Wasser konnte man „nichts“ tun. Ebenso geht es mir, wenn ich mit Freunden auf dem Golfplatz bin. Aber tatsächlich ist es so, dass ich immer Druck spüre. und dieser Druck treibt mich. Ich nehme Jobs an, die mich nicht erfüllen, ich lade mir noch mehr Arbeit auf, die lediglich „Pflicht“ ist. Marshalls Credo, „Don’t do it if it is not play“ ist noch in ganz weiter Ferne.
Was besser klappt als früher, ist dass ich merke, was mir gut tut und was nicht. Bewusst inkompetent heißt es dazu in der Matrix. Was noch nicht gut klappt, ist dem dann Raum zu geben, was mir gut tut. Da kommen die Antreiber und Einpeitscher, und im Gespräch mit Michael habe ich realisiert, dass das ganz viel mit Vertrauen zu tun hat.
Mir fehlt Vertrauen zu mir. Der antreibende Teil verurteilt den suchenden, sich ausruhenden Teil als Waschlappen. Selbstfürsorge gab es in meiner Ursprungsfamilie nicht, wohl aber Pflichterfüllung. Und der antreibende Teil möchte wohl sicher stellen, dass ich immer meine Pflicht erfülle. Ha! Wer erinnert sich noch daran:

Also: Ich lerne mir selber zu vertrauen, dass ich alle wichtigen Dinge in einem Tempo regele, das mir gemäß ist. Ich brauche mich nicht zu quälen und anzuklagen, als faul und unfähig zu beschimpfen. Auch wenn ich nach einer Nachtschicht bis elf Uhr im Bett liege, bin ich in Ordnung. Anscheinend brauche ich eine Pause. Und offensichtlich brauche ich heute mehr Pausen als vor zehn Jahren. Seufz. Das scheint mir ein langer Weg zu werden.

So long!

Ysabelle

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