Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Drehohren …

Hallo, Welt!
Heute Morgen zum Ende der Hunderunde überquerte ich die Straße, um zum Bäcker zu gehen. Wir haben hier in der Stadt eine zweispurige Straße, in deren Mitte ein künstlicher Wasserlauf angelegt wurde. Entlang dieses „Fleth“ gehen beidseitig schmale Spazierwege und über den Wasserlauf führen kleine (glitschige) Holzstege.
Ich kam also über die Straße auf den Grünstreifen am Wasserlauf und wollte einen Steg nutzen. Von dort kam mir ein Mann mit einem schwarzen Hund entgehen, vielleicht ein Labrador. Der große Hund bellte, zog an der Leine in unsere Richtung. Wir standen vielleicht vier Meter entfernt. ICH stand. Fontane an der Leine. Er hatte schon Interesse, zu dem anderen Hund zu gehen, aber ich war stehen geblieben.

Der Mann versuchte auf verschiedene Arten, seinen Hund zu stoppen. Er riß ihn hoch, er nahm den Vorderkörper in den Arm, der Hund zog heftig und bellte weiter. Ich dachte, „gleich versucht der Mann ne Alpharolle“ (ein Versuch, den Hund zu „unterwerfen“). Das Intermezzo dauerte vielleicht 20 Sekunden. Der fremde Hund war sehr aufgeregt und bellig, der Mann genervt und gestresst. UND DANN blaffte er mich an: „Und Sie gehen auch noch auf meinen Hund zu!“
Ich war total perplex, denn ich stand ja wie angewurzelt mit zugegeben recht langer (ca. 1,50 m) Leine, aber einem stillen Hund, der sichtlich interessiert das Geschehen verfolgte. Dann sagte ich, „aber ich bewege mich doch gar nicht!“
Mit giftigem Blick riss der Mann seinen Hund an sich und zog den Widerstrebenden von mir aus nach rechts den Weg entlang.

Ich war fassungslos und entzückt zugleich. Was für ein schönes Beispiel für die berühmten Drehohren: . Vor allem Wolfsohren haben ja die Eigenschaft, sich superschnell zu drehen. „Du bist Scheiße • Ich bin Scheiße“Und es war offensichtlich, dass der Mann zunächst sich und den Hund Scheiße fand (wieso kriege ich dich Mistvieh nicht gebändigt? Verdammt!). Und dann hatte er in mir einen Schuldigen gefunden. HA! „Sie gehen auch noch auf meinen Hund zu!“ Also ich hatte seinen Hund provoziert. Oder die Nähe zu meinem Hund war zu viel für seinen, und das war meine Schuld … gut, dass wir das geklärt hatten!
Diese Drehohren-Nummer kenne ich von mir zur Genüge. Zuerst kommt immer das Schulddenken. Irgendetwas funktioniert nicht oder etwas ist kaputt gegangen oder etwas wurde vergessen und mein Trüffelschwein-Gehirn sucht als erstes einen Schuldigen. Falls er meint, dass ich es bin, projiziert es die Schuld schnell auf jemand anderes. „Aber XY hat das da liegen lassen, und deshalb konnte der Hund das zerkauen …“
Wenn ich mich dabei ertappe, grinse ich inzwischen. So viele Jahre Konditionierung auf Richtig oder Falsch lassen sich eben auch mit zehn Jahren intensiver Anwendung von GFK nicht ausbrennen. Und das heute Morgen war ein Paradebeispiel. Schade, dass keine Kamera lief!

So long! Ysabelle

Eine Reaktion zu “Drehohren …”

  1. Ysabelle Wolfe

    Hallo, Welt!
    Heute Morgen stand ich auf der anderen Seite des kleinen Steges mit dem Hund an der kurzen Leine und plauschte mit einer Bekannten. Ich konnte nicht sehen, was hinter mir ablief, aber dann war es zu hören: Ein Hund näherte sich, bellte. Als ich mich umdrehte, waren eben dieser Mann und sein Labrador hinter uns. Der Mann versuchte, den ziehenden Hund unfallfrei an uns vorbeizubringen. Dazu riss er am Ohr des Hundes, nahm ihn wieder in den Schwitzkasten. Die Bekannte und ich schauten verzweifelt zu. Sie rief dem Mann zu, „bitte tun Sie dem Hund nicht weh!“, aber es kam keine Reaktion, der Mann riss weiter am Hund und schimpfte auf ihn ein. Seufzend meinte meine Bekannte, „solche Bilder verfolgen einen dann wieder den ganzen Tag!“ und das kann ich nur bestätigen.
    So long!
    Ysabelle

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