Wer kennt violette Schweine?
Teil der Selbstakzeptanz ist, sich von der Meinung anderer freizumachen. Wenn ich mit Ihnen zusammen wäre, und Ihnen fortgesetzt erzählte: „Sie sind ein violettes Schwein, Sie sind ein violettes Schwein“, würden Sie mich entweder auslachen, sich belästigt fühlen, oder denken, ich sei verrückt. Es wäre höchst unwahrscheinlich, dass sie glaubten, ich hätte Recht.
Louise Hay, Gesundheit für Körper und Seele, S. 118
Wie kommt es, dass wir auf die Urteile oder Aussagen anderer häufig so stark reagieren? Manchmal reicht schon der missbilligende Blick einer Verkäuferin und wir fühlen uns bildlich gesprochen wie ein violettes Schwein. In aller Regel ist es so, dass wir bei Bewertungen über uns zwei Strategien benutzen. Entweder wir fühlen uns schlecht, inadäquat, ungenügend, fehlerhaft. Oder wir schätzen unser Gegenüber wahlweise als verrückt oder schlecht, inadäquat, ungenügend und fehlerhaft ein.
Ich denke, an dieser Stelle ist dann auch schon klar, worauf es hinausläuft. Was trage ich auf dem Kopf? Wenn ich dazu neige, die Urteile meines Gegenübers auf mich zu beziehen, zeigen die Wolfsohren nach innen: „Ja, du hast wirklich Recht, ich kriege heute nichts geregelt. Ich schaffe auch wirklich nichts, und das war auch schon immer so. Nie bin ich pünktlich, und immer muss man mir alles nachräumen…“
Kein Wunder, wenn Menschen allergisch darauf reagieren, wenn an ihnen kein gutes Haar gelassen wird – wenn sie an sich selbst kein gutes Haar lassen. Dann gehen viele doch lieber auf Angriff: Wolfsohren nach außen: „Das muss DU gerade sagen… Du hast es gerade nötig! Wer ist denn hier derjenige, der immer Klopapier nachfüllen muss, und wer bringt immer die Flaschen zum Glascontainer, und wer hat heute Morgen wieder die Wäsche aufgehängt… “
Das Schema ist bekannt. Derbe formuliert stehen wir vor der Wahl:
Entweder du bist Scheiße oder ich bin Scheiße.
Wir können aber auch einen dritten Weg einschlagen, den Louise Hay schon skizziert hat. Wir dürfen davon ausgehen, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass der andere Recht hat mit seiner Einschätzung, wir seien ein violettes Schwein, ein fauler Hund, ein gemeines Aas, ein fieses Stück, ein lausiger Liebhaber oder ein Waschlappen. Stattdessen können wir uns wie in einem Kinofilm fragen: Dieser Mensch hier auf meiner Leinwand – was will der gerade? Wenn er zu solchen Urteilen greift, welches Bedürfnis ist dann gerade bei ihm unerfüllt?
Vielleicht muss ich vorher erst einmal bei mir schauen: Was brauche ich? Wie geht es mir, wenn ich das höre? Doch dann darf ich mich erinnern: Ich kann mich über vieles ärgern. Aber ich bin nicht verpflichtet dazu.
Heute will ich darauf achten, wann ich anderen erlaube, mich und meinen Wert zu definieren. Dann will ich mich daran erinnern, dass ich ein kostbares Geschenk an die Welt bin, egal wie mein Gegenüber mich gerade einschätzt.