Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Zeit

Alles hat seine Zeit

Ein jegliches hat seine Zeit,
und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit;
pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit;
töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit;
abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit;
weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit;
klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit;
Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit;
herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit;
suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit;
behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;
zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit;
schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit;
lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit;
Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.
Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon.

[Quelle: Prediger Salomo 3, 1-8, Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luther in der revidierten Fassung von 1984.]

Zeit ist ein wichtiger Faktor in unserem Leben. Wie oft sind wir gehetzt, kurz angebunden, unter Druck, in Eile, knapp dran. Die Gewaltfreie Kommunikation kann in unserem Leben als Entschleuniger wirken, wenn wir es zulassen.

Da fällt zum Beispiel ein Satz, den wir nur schwer hören können. Wir haben die Option, wie an der Tischtennisplatte den Ball zurückzuschmettern. „Wie, ich bin unzuverlässig…? Du spinnst ja wohl! Wenn ich ein Mal fünf Minuten später komme, weil ich im Stau gestanden habe, gibt dir das noch lange nicht das Recht, so ein Urteil zu fällen! Du nimmst es doch selber mit der Pünktlichkeit nicht so genau. Und wie oft habe ich schon auf dich gewartet…“
Wenn wir Tempo rausnehmen, sagen wir vielleicht stattdessen: Bist du genervt, weil dir gerade heute so wichtig war, dass der Terminplan eingehalten wird?

Die Zeit, die wir uns nehmen, um dem anderen zurückzumelden, was bei uns angekommen ist, trägt in sich zwei kostbare Geschenke. Zum einen nehmen wir damit Spannung aus unserem Austausch, zum zweiten schaffen wir Gelegenheit, bei uns nachzuspüren: Wie geht es MIR, wenn ich das höre? Was brauche ich?

Beim Üben mit GfK-Freunden stellen wir schnell fest, dass wir Zeit für diesen Prozess brauchen. Erst wenn wir für uns Einfühlung haben, können wir uns auch in unser Gegenüber einfühlen. Dann brauchen wir keinen Schläger für einen Schmetterball über die zwischenmenschliche Tischtennisplatte oder für den Schlag gegen die eigene Stirn. Nehmen wir uns die Zeit um zu spüren, was in uns lebendig ist, und um welche unserer Bedürfnisse wir uns heute kümmern wollen.

Heute will ich mir bewusst machen, dass ich Herrscher über meine Zeit bin. Ich bin berechtigt, mir für meine Reaktion auf andere oder für Selbsteinfühlung die Zeit nehmen darf, die ich dafür brauche.

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