Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Selbstverbesserungsprogramm

Hallo Welt!

Gestern Abend war ich auf der Waage, was ich nur sehr selten tue.
Ich hatte vor zwei Wochen beschlossen, „sieben Wochen ohne“ Pommes Frites und Dessert zu verbringen, morgens wieder Obstsalat zu essen und nach 18 Uhr Kohlehydrate möglichst zu reduzieren. Nun dachte ich, es müsse doch schon ein paar Früchte meines Verzichts geben.
1. Sonst wiege ich mich immer morgens.
2. Ich habe vier Tage auf Workshops und Seminaren gesessen, mich nicht bewegt. Und ich war zehn Tage nicht beim Sport (ich habe Rücken!). Wie soll da das Gewicht runtergehen?

Das Ergebnis meines Auftritts hat mich frustriert. Können nicht wenigstens diese paar Kilo verschwinden, die mich unter die magische 70-Kilo-Marke bringen?!

Und dann musste ich mit Macht Kelly Bryson in meinem Kopf aktivieren. Er erklärt in seinem Buch „Sei nicht nett, sei echt“ – jedenfalls glaube ich, dass es da war – man möge doch mal alle Selbstverbesserungsprogramme sausen lassen. Meist kämen sie zustande, weil man an sich selbst irgendeinen Mangel diagnostiziere. „ich bin zu <...> „. Je nach Typ kann ich einsetzen: zu dick, zu unwissend, zu alt, zu unattraktiv… Alles klar?

Zum Glück fand ich im Stern dieser Tage eine Reportage, dass WHO und andere Institutionen Abschied nehmen vom Body Mass Index, dessen Werte angeblich keine Aussagekraft über einen Zusammenhang zwischen Gewicht und Gesundheit ableiten lassen. Man einigt sich jetzt gerade auf die Aussagekraft des Maßbands und den Taillenumfang. Wie gut, dass ich noch eine Taille habe, oder?!

Spaß beiseite.

Mit dieser Bewertung, etwas an mir oder gar ich als ganzes sei ungenügend habe ich immer wieder zu kämpfen. Eine gute Gelegenheit, die Giraffenohren aus dem Schrank zu holen und mir Einfühlung zu geben. Hast du Angst, nicht geliebt zu werden, wenn Du X Klio wiegst? Und dann kann ich gucken, was es braucht, um mit dem umzugehen, was ich dann höre. Diät brauche ich – glaube ich – nicht. Also: Wertschätzung, Wärme, Nähe, Geborgenheit… Es ist schön und traurig zugleich, mit den eigenen Bedürfnissen hinter dem Selbstverbesserungsprogramm in Verbindung zu kommen.

Darauf einen Obstsalat 😉

So long,

Ysabelle

2 Reaktionen zu “Selbstverbesserungsprogramm”

  1. Tabasco

    Hallo Ysabelle!

    Für mich als dankbar genesene Eßsüchtige ist dies aus der Seele gesprochen. Über „Selbsverbesserung“ bin ich mit 16 Jahren in der Magersucht, danach in der Bulimie und dann 30 Jahre lang in einer Schleife aus Freß- und Magesucht gelandet.
    „Selbstverbesserung“ kann ganz schön gefährlich sein.
    Aber nach einem Jahr ohne süchtigem Essen, Hungern, Wiegen, weiß ich, daß „Selbstverbesserung“ bei mir auch in anderen Diszipinen in Sackgassen oder Endlosschleifen führt.
    Für mich gilt inzwischen ganz klar:
    Selbstannahme statt Selbstverbesserung!

    Danke für das Posting,
    TabasCo

  2. Ysabelle Wolfe

    Hallo, Tabasco,

    ich könnte mich Jahre mit einem Selbstverbesserungsprogramm beschäftigen. Beginnend bei „Schränke aufräumen“ über „Traumfigur antrainieren“ und „Französisch lernen“ wäre ich damit schon locker rund um die Uhr beschäftigt. Und wann kommen wir dann zum Leben?

    Heute!
    So long!

    Ysabelle

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