Wenn ich höre…
„Der Anfang des rechten Lebens ist das rechte Hören.“
Plutarch, Moralia, Über das Zuhören, Kapitel 18
Der erste Schritt in der Gewaltfreien Kommunikation ist das Zuhören. Wir benutzen oft die Formulierung: „Wenn ich höre…“, wenn wir noch ganz am Anfang sind, giraffisch zu lernen. Aber was hören wir eigentlich? Der Kommunikationsforscher und Psychologe Friedemann Schulz von Thun hat in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts ein Kommunikationsmodell erarbeitet, das uns heute hilft zu sortieren, was wir hören. Er schlägt vor, dass wir mit vier Ohren unterwegs sind und beschreibt, dass eine Nachricht vier verschiedene Ebenen hat:
- eine Sachinformation (worüber ich informiere)
- eine Selbstkundgabe (was ich von mir zu erkennen gebe)
- einen Beziehungshinweis (was ich von dir halte und wie ich zu dir stehe)
- einen Appell (was ich bei dir erreichen möchte)
Wenn wir einen ganz einfachen Satz nehmen:
Deine schmutzigen Socken liegen auf dem Küchentisch
können wir relativ sicher sein, dass unser Gegenüber, BesitzerIn der Socken, eine Menge Dinge „hört“. Die „gefühlte“ Langfassung würde vielleicht lauten:
1. Deine Socken liegen auf dem Tisch.
2. Ich bin ärgerlich und finde es total unappetitlich, wenn die Socken da liegen!
3. Wer dreckige Socken auf dem Tisch liegen lässt, ist irgendwie asozial
4. Räum die Dinger verdammt schnell zur Waschmaschine!
Es sind nur sieben Worte, und sie können für so viel Sprengstoff sorgen!
Nun wissen wir ja, dass es in der Gewaltfreien Kommunikation darum geht, unsere Beobachtung so neutral anzubringen als sei sie von einer Kamera aufgezeichnet worden. Eine Kamera, auch nicht die teuerste, würde sich im Leben nicht über ein Paar Socken auf dem Tisch aufregen. Aber warum regen wir uns über die Socken auf dem Küchentisch auf? Es hilft, wenn wir das für uns selber geklärt haben, bevor wir den Mund aufmachen.
Der Anblick der Socken kann bei uns ein Feuerwerk an Gefühlen auslösen. Hurra! Dann wissen wir, dass wir noch leben! Sind wir frustriert, weil wir diese Woche schon fünf Mal die Socken selber weggeräumt haben und uns Unterstützung wichtig ist? Sind wir ernüchtert, weil uns Wertschätzung fehlt? Geht es uns um Ordnung, und sind wir lustlos, weil wir als einzige bestimmte Vorstellungen von System und Struktur haben? Oder sind wir genervt, weil es uns um Selbstständigkeit geht?
Die Chancen, dass unser Gegenüber eine Menge hört, aber nicht unbedingt etwas Friedliches, sind leider sehr groß. Und damit wächst auch die Gefahr, dass unser Gegenüber unsere Botschaft auf dem „Kritikohr“ hört. Mit dir ist etwas falsch! Und dann sind wir nicht bei einer Brücke der Verständigung, sondern in den meisten Fällen in einem unerfreulichen Kreislauf aus Anklagen, Verteidigungen und Selbstabwertung.
Wir machen es unserem Gegenüber leichter, die Botschaft zu hören, wenn wir selber wissen, welches Bedürfnis bei uns unerfüllt ist, und ihm das auch mitteilen. Wenn wir bereit sind, all unsere Bedürfnisse zu uns zu nehmen, öffnen wir den Weg neu zu einem gegenseitigen Geben und Nehmen. Denn dann hat unser Gegenüber die Chance zu hören: Ich spüre einen großen Schmerz, weil bei mir ein wichtiges Bedürfnis unerfüllt ist…
Heute will ich mein Augenmerk auf die vier Ebenen meiner Botschaften richten. Es ist mir wichtig, dass mein Gegenüber weder Abwertung noch Forderungen hört, sondern eine Bitte um Verbindung. .