Von Menschen und Telefonaten
Die GFK entwickelt ihre Kraft und Schönheit nur da, wo Menschen in die Tiefe ihres Herzens gehen. Gewaltfreiheit ist nicht billig zu haben. Sie kostet uns etwas. Sie kostet Zeit. Sie kostet Wahrhaftigkeit. Sie kostet uns den Schmerz, unsere Wolfsshow zuzulassen und zu durchdringen. Sie kostet die Mühe der Selbstreflexion.
Gerlinde R. Fritsch, erschienen in der Zeitschrift Kommunikation & Seminar 1/2009; mit freundlicher Genehmigung der Autorin
Neulich telefonierte ich mit einer Kundin, bei deren Mann eine schwere Erkrankung festgestellt worden war. Sie redete wortreich über die Krankheit, und ihren Mann, den Arzt, die Medikamentierung… Drei Mal habe ich sie unterbrochen, um von ihr zu hören, wie es ihr geht. Beim dritten Mal fing sie an zu weinen und sagte: Ich habe solche Angst, dass er stirbt… Und es tat mir gut, bei ihr sein zu können.
Vorige Woche bekam ich einen Anruf von einer Frau, die mit einem früheren Freund von mir verpartnert war. Sie redete lange und mit intensiven Gefühlen über das, was ihr ihrer Ansicht nach angetan worden war. Ich merkte, dass ich es nicht aushalten konnte: Er ist… und … er hat… und … immer macht er… In meiner Not habe ich schließlich gebrüllt: Ich bin nicht bereit, über diesen Mann zu reden. Aber ich höre dir gern zu, wenn du über dich reden willst…!
GfK ist nichts für Weicheier, sagt Marshall. Wenn ich mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen in Verbindung bin und die Haltung der GfK leben möchte, führt das unter Umständen dazu, dass sich andere Leute vor den Kopf gestoßen fühlen. Es führt dazu, dass ich im Gespräch sage, das möchte ich nicht hören. Es führt dazu, dass ich Entscheidungen treffe, die anderen Menschen so nicht recht sind. und vor allem führt es dazu, dass ich mich immer wieder liebevoll auf den Prüfstand stelle.
Heute Abend rief mich eine Bekannte an. Sie brachte ihr Bedauern zum Ausdruck, dass ich nur noch selten bei einer Veranstaltung bin, die wir ein paar Jahre gemeinsam besucht hatten. Dort war es im vorigen Jahr zu einem Vorfall gekommen, als ich durch den Abend führte. Eine Frau hatte sich lautstark darüber beschwert, dass ich nicht hatte lüften lassen. Dann beschimpfte sie mich. Die Versammlung saß schweigend da, und in meinem eigenen Entsetzen über die Macht des Ausbruchs konnte ich mich nur daran klammern, mit Giraffenohren zuzuhören, was die Frau die so laut und schnell sprach, wohl brauchte: frische Luft, Autonomie, Respekt…
ich habe es bis zu diesem Telefonat heute Abend versäumt nachzuspüren, was ich eigentlich in der Situation im vorigen Jahr brauchte. Stattdessen hatte ich den Rückzug angetreten, mich in der Veranstaltung nur noch selten zu Wort gemeldet, war immer seltener hingegangen. Ich habe die Beziehung, die dort bestand, untergraben, indem ich nicht offen gesagt habe, was meine Gefühle, vor allem aber meine Bedürfnisse im Hier und Jetzt waren. Und ich habe mich bei der Bekannten dafür von Herzen bedankt, dass durch ihren Anruf für mich deutlich geworden ist, dass ich mich selbst nicht wahrgenommen habe.
Gibt es eine Lektion aus diesen drei Telefonaten, die so ganz unterschiedlich waren?
Alle drei Gespräche zeigen mir, wie wichtig es für mich ist, mit mir selbst in Verbindung zu sein. Wie geht es mir? Was brauche ich? Sie zeigen mir, dass echte Verbindung zu anderen nur möglich ist, wenn ich bei mir bin. Wie geht es Dir? Was brauchst Du?
Vielleicht gelingt es mir irgendwann schneller als in der Situation voriges Jahr im August. Vielleicht kann ich es irgendwann verbindlicher sagen als Sonntag vor einer Woche, als ich gebrüllt habe: Ich bin nicht bereit, über diesen Mann zu reden! Vielleicht schaffe ich es eines Tages Einfühlung zu geben, ohne Menschen zu unterbrechen, wie bei der Kundin, deren Mann erkrankt ist. Aber ich kann erkennen, dass ich auf dem Weg bin, und ich gehe diesen Weg an jedem meiner Tage so gut ich nur kann. In der Rückschau erkenne ich, dass ich von August bis heute ein gutes Stück vorangekommen bin.
Heute will ich in die Tiefe meines Herzens gehen und mich der Mühe der Selbstreflexion unterziehen. Ich will meine Wolfsshow zulassen und die Früchte aus meinen Urteilen ernten.
„Sie brachte ihr Bedauern zum Ausdruck, dass ich nur noch selten bei einer Veranstaltung bin, die wir ein paar Jahre gemeinsam besucht hatten“ – was meinst du damit?
Hallo, Mike,
danke, dass Du mich darauf hinweist, dass hier eine Unklarheit ist.
Die Bekannte und ich treffen uns seit 2007 an einem Abend in der Woche bei einer Selbsthilfe-Gruppe. Ist es damit verständlicher?
So long!
Ysabelle
[…] es mir an der Stelle. Nun habe ich mich entschlossen, die Kategorie zu ändern und den Text in mein Tagebuch zu nehmen. Und jetzt bin ich unzufrieden, dass ich für den betreffenden Tag keine Tagesmeditation […]