Sei selbstsüchtig (2)
Sich um uns selbst zu kümmern, ist nicht so egoistisch, wie manche Menschen annehmen<...>.
Aus: Melody Beattie, „Die Sucht, gebraucht zu werden“
Es gibt zwei Möglichkeiten zu hören, du bist selbstsüchtig/egoistisch. Zum einen sagen wir es uns vielleicht selbst, wenn wir etwas tun, was wirklich nur wir tun wollen. Allein ausgehen, pünktlich Feierabend machen, einen Mittagsschlaf einlegen. Dann ist unser Freund, der Wolf, dabei, uns darauf aufmerksam zu machen, dass unser Verhalten vielleicht nicht auf breite Zustimmung stößt und er will uns vor Schaden bewahren.
Oder ein Außenstehender konfrontiert uns mit dieser Aussage: Du bist ja so egoistisch!
Was heißt das für uns?
Die erste Ubersetzungsarbeit ergibt vielleicht: Meine Handlungen oder Unterlassungen stehen nicht in Harmonie mit den Werten und Wünschen meines Gegenübers.
Vielleicht muss ich mir an dieser Stelle klarmachen: Wenn ich jetzt exakt das tue, was mein Gegenüber erwartet, erfülle ich nicht meine eigenen Bedürfnisse.
Und es stellt sich die Frage: Wenn von mir verlangt wird, auf die Erfüllung meiner eigenen Bedürfnisse zu verzichten, ist das dann etwas, was meinem Wohlbefinden dient? Und bin ich dann verpflichtet, diesem Wünschen, Drängen oder manchmal auch unausgesprochenen Erwartungen zu genügen?
Wenn wir so theoretisch auf die Fakten gucken, scheint es leicht zu sagen: Nein, ich bin nicht für die Erfüllung deiner Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen verantwortlich. Im wahren Leben ist es wahrscheinlicher, dass wir arg ins Trudeln kommen in unserem Wunsch, es allen Recht zu machen und trotzdem Sorge zu tragen für uns selbst.
Don’t do it, if it is not fun, sagt Marshall. Mache es nicht, wenn es Dir keine Freude bereitet! Denn wenn wir uns verbiegen, um es dem anderen Recht zu machen, werden alle dafür bezahlen. Wir selbst, weil wir nicht das tun, was aus unserem tiefsten Herzen kommt. Und der andere, weil wir nicht wirklich freiwillig geben, was von uns erwartet wird, sondern aus Angst, Sorge, Frustration oder Scham.
Was brauchen wir, um uns um uns selbst kümmern zu können? Vielleicht ist es die Gewissheit, dass es unsere vornehmste Pflicht ist, uns selbst zunächst mit allem zu versorgen, was wir für unser körperliches und spirituelles Wohlergehen brauchen. Und das ist kein von der GfK inspirierter Ego-Trip, sondern eine Jahrtausende alte Weisheit: So ihr das königliche Gesetz erfüllet nach der Schrift: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst,“ so tut ihr wohl; heißt es bei Jakobus 2,8 und an zahlreichen anderen Stellen in der Bibel.
Selbstsüchtig sein – das heißt: Ich bin für mein Wohl verantwortlich. Ich nehme mein Leben, mein Schicksal, mein Wohlergehen in meine Hände. Und die GfK ergänzt: Deine Bedürfnisse sind mir so wchtig wie meine. Was kann ich tun, um dein Leben zu bereichern?
Heute will ich wachsam sein, ob ich meine Interessen auch wirklich wahrnehme. Ich will mich daran erinnern, dass ich für die Erfüllung meiner Bedürfnisse verantwortlich bin.