Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Familienbande

„Eine Familie, die leiblich und geistig vereint ist, gehört zu den seltenen Ausnahmen.“
Honoré de Balzac, „Une fille d’Eve“, 1838

Wohl keine Verbindung kann uns so sehr bereichern oder strapazieren wie die zu unseren Familienmitgliedern. Zwischen Eltern und Kindern kracht es gelegentlich ebenso heftig wie unter Geschwistern. Und das Fatale an der Sache: Es wird mit zunehmendem Alter nicht weniger. Vielleicht haben wir resigniert: „So ist Mutter halt…“ oder „das werden die Kinder nie lernen“. Denn wirklichen Frieden in der Familie müssen wir uns leider oft erst hart erarbeiten.

Marshall Rosenberg erzählt von einer jungen Frau, die in einer Einrichtung für Drogenabhängige arbeitete und eines Abends in Lebensgefahr geriet. Einer der Besucher bedrohte sie mit einem Messer, weil sie ihm kein Zimmer geben konnte. Dank der Gewaltfreien Kommunikation gelang es ihr, dem Mann so viel Empathie zu geben, dass er schließlich von ihr abließ. „Aber wenn dir das so gut gelingt, was willst du dann hier noch lernen?“, fragte Marshall Rosenberg die Frau. „Oh, jetzt wird es erst richtig schwierig“, meinte sie. „Jetzt möchte ich mit meiner Mutter zurecht kommen!“

Oft ist es so, dass wir bei Familienangehörigen keinen guten Schutz finden. Viele Aussagen, Blicke, Seufzer, Achselzucken, Schweigen gehen direkt an allen erworbenen Konfliktfähigkeiten vorbei ins Schwarze. Oder wir sind selbst in einer Situation, in der wir austeilen bevor wir uns darüber im Klaren sind, was eigentlich gerade bei uns los ist.

Was können wir tun, wenn uns der Frieden in der Familie so kostbar ist, aber nicht zu gelingen scheint?

Drei Dinge möchte ich von Herzen empfehlen:
Atmen, Selbstempathie und Zeit.
Bevor wir auf einen Satz, den wir schlecht hören können, reagieren, gibt es immer noch die Möglichkeit, drei Mal tief durchzuschnaufen. Dann folgt eine Frage, die uns viel Ärger ersparen kann: „Wie geht es mir, wenn ich das höre?“
Wenn wir uns bewusst werden, welche Bedürfnisse in uns gerade unerfüllt sind, wird es mit Sicherheit leichter, auf unser Gegenüber zu reagieren. Und schließlich dürfen wir uns Zeit nehmen um zu überprüfen, was wir jetzt brauchen. Ist ein Spaziergang angesagt oder eine Verständnisbitte? Benötigen wir eine Pause oder vielleicht eine Schulter zum Anlehnen? Erst wenn wir ganz bei uns angekommen sind, wird der Raum weit für die Verbindung zu unserem Nächsten.

Heute will ich aufmerksam verfolgen, wann die Aussagen meiner Familienmitglieder intensive Gefühle bei mir auslösen. Sie sind der Wegweiser zu meinen wunderbaren Bedürfnissen.

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