Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Ich muss … ich soll …

„Den meisten Leuten sollte man in ihr Wappen schreiben: Wann eigentlich, wenn nicht jetzt?“ Kurt Tucholsky, Schnipsel

Es gibt ein zwei Worte in unserer Sprache, die uns so richtig in Schwung halten. Sie heißen „müssen“ und „sollen“. Und beide gehen nicht gut mit der gewaltfreien Kommunikation zusammen.

Marshall Rosenberg

Marshall Rosenberg erzählt von einer Lehrerin, die unzufrieden damit war, den Kindern Noten zu geben. „Ich muss es tun“, sagte sie frustriert. Gemeinsam fanden sie heraus, dass sich die Lehrerin entschieden hatte, Noten zu geben, denn anderenfalls hätte sie ihren Job verloren. Da sie ihre Arbeit behalten wollte, entschied sie sich, die Leistung der Kinder zu zensieren.

Marshall selbst fühlte in jungen Jahren genervt und frustriert, weil er von sich glaubte, viele quälende Verpflichtungen zu haben. Eines Tages entschied er sich eine Liste aller Dinge zu machen, von denen er glaubte, sie tun zu müssen. Dann ersetzte er „ich muss<…> “ durch die Formulierung „ich entscheide mich, <…> zu tun, weil ich <…>.

Besonders verhasst war ihm das Schreiben von Arztbriefen. Als er seinem „Ich muss Arztbriefe schreiben“ nachspürte stellte er fest, dass der neue Satz vollständig lautete „ich entscheide mich, Arztbriefe zu schreiben, weil ich die Einnahmen aus dem Job brauche“. Als er sich dieser Kausalität bewusst wurde, gab er die Arbeit im Krankenhaus auf und hat von Stunde an nach eigenem Bekenntnis keinen einzigen Arztbrief mehr geschrieben.

Ein weiteres „ich muss“ war auf seiner Liste die Tatsache, dass er zwei Mal pro Woche seine Kinder zu einer weit entfernten Schule fahren musste. Als er diese Aussage umformulierte in „ich entscheide mich, die Kinder an die andere Schule zu bringen, weil mir die Vermittlung bestimmter Werte an dieser Schule so wichtig ist und sie mir mehr zusagt als die Schule bei uns in der Nachbarschaft“, fühlte er sich mit seinem Fahrdienst sehr versöhnt.
Sicher haben auch wir solche „Soll“ und „muss“ in unseren Alltag integriert. Ich muss früh aufstehen, ich soll die Ablage machen, ich muss diesen Brief noch schreiben, ich muss die Wäsche aufhängen, ich soll dieses Konzept noch zu Ende bringen…

Mit „muss“ und „soll“ liefern wir uns selbst vermeintlich fordernden „höheren“ Mächten aus und verdrängen dabei, dass wir in den allermeisten Fällen eine Wahl haben. Wenn wir uns auf unsere Entscheidungsfreiheit besinnen, gewinnen wir neue Kraft und können unsere Energie auf das verwenden, was wir von ganzem Herzen in unserem Leben tun möchten.

Heute will aufmerksam zur Kenntnis nehmen, wann ich annehme, etwas tun zu müssen oder tun zu sollen. Ich werde mich fragen, welches wundervolle Bedürfnis ich mir damit erfülle, wenn ich diesen Anforderungen nachkomme.

2 Reaktionen zu “Ich muss … ich soll …”

  1. Friedrich

    Da finde ich mich aber ganz und gar mal wieder-und das, obwohl ich seit geraumer Zeit trainiere, auf die Stimmen in meinem Inneren gelassen zu reagieren. Die eingeschliffenen Verhaltensweisen sind zwar zu ändern, aber es braucht Zeit. Bei anderen kann ich das häufig besser als bei mir. Ich danke Dir für diesen Beitrag, weil er am Ende des Weges mein Bedürfnis nach Harmonie mit mir selbst erfüllt.

  2. Ysabelle Wolfe

    mal ehrlich… so war es gedacht *lach*

    So long!
    Ysabelle

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