Ratschlagen
Ratschläge sind auch Schläge
Deutsches Sprichwort
Wir Menschen sind soziale Wesen. Nichts bereitet uns größere Freude als das leben unserer Mitmenschen zu bereichern. Leider haben wir in der Wolfswelt nicht so viel Erfahrung damit gesammelt, anderen empathisch zuzuhören. Stattdessen setzen wir oft die Heimwerker-Mütze auf und geben Ratschläge.
Ich habe festgestellt, dass der Impuls, jemand anderem zu sagen, wie er etwas tun oder lassen soll, mit längerem Gebrauch der GfK nachlässt. Stattdessen gelingt es mir immer besser und immer öfter, wirklich nur zuzuhören und zurückzumelden, was bei mir angekommen ist. Immer und immer wieder spüre ich am eigenen Leib, wie wundervoll es sich anfühlt, wenn einfach jemand einfühlsam zuhört.
Unlängst meinte es jemand sehr gut mit mir und machte mir Vorschläge, wie ich mich in einer bestimmten Situation verhalten könne oder solle. An meinen guten Tagen kann ich solche Ratschläge hören und übersetzen. An sehr guten Tagen kann ich meinem Gesprächspartner sogar zurückmelden, welche Gefühle und Bedürfnisse ich aus seinen Äußerungen wahrgenommen habe. An schlechten Tagen bin ich damit beschäftigt, mir selbst Empathie zu geben und meine Wölfe zu beruhigen.
So hatte ich ein paar Jahre die Überzeugung, das Erteilen von Ratschlägen sei gefährlich, unerwünscht, „falsch“. Meine eigene Neigung Ratschläge zu geben führt mich heute immer öfter zu mir: Wie geht es mir, wenn ich diese Information von meinem Gegenüber erhalte? Was ist in mir lebendig, dass ich in dieser Situation so sehr versucht bin, eine Empfehlung auszusprechen? Eine schwierige, spannende Übung, die mich immer wieder zu mir selbst führt und mich mit meinem tiefen Bedürfnis nach Beitragen in Kontakt bringt.
Also lehne ich Ratschläge ab? Aber nein! Unendlich viele Menschen um mich herum haben ein Spezialwissen, von dem ich wunderbar profitieren kann. Sie können mir sagen, welche Haken ich brauche, um ein Bild aufzuhängen. Sie können mir Tipps zum Kraftstoff sparenden Autofahren oder für eine Abkürzung geben. Sie wissen, wie man einen Flecken aus der Wildlederjacke entfernt oder der Katze eine Wurmkur einflößt. Ich bin dankbar, wenn sie mir von ihren Erfahrungen berichten und wenn sie mich darin unterstützen, meine Probleme zu lösen. Der Unterschied zu früher ist: Heute wird immer immer klarer, wann ich mir einen Ratschlag wünsche und wann ich Empathie brauche. Und es gelingt mir immer besser, genau um das zu bitten, was mir gerade gut tut.
Heute will ich aufmerksam beobachten, ob ich anderen ungefragt einen Rat gebe. Ist das der Fall, werde ich liebevoll überprüfen, welches Bedürfnis ich mir damit erfülle.