Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Wer ist für meine Klarheit zuständig? … ich …

Hallo, Welt!
Ich habe heute unverhofft einen freien Abend. Und die kommenden vier Freitage auch. Klartext: Der angebotene GfK-Einsteigerkurs ist nicht zustande gekommen. Mein Beitrag daran ist, dass ich im Kopf einen Termin im Juli falsch abgespeichert habe und deshalb der Drucktermin für ein Programmheft so nah herangerückt war, dass der Kurs-Termin nicht mehr eingepflegt werden konnte. Vielleicht hätte ich in den vergangenen vier Wochen vor Ort mehr Werbung machen können, Handzettel verteilen u.ä., aber ich hatte auch Vertrauen in das Netzwerk des Bildungsträgers. OK, keine Anmeldungen. Nicht wirklich schlimm, ich langweile mich gerade überhaupt nicht.

Was mich heute wirklich aus der Bahn geworfen hat, war die Tatsache, dass ich seit Dienstag niemanden beim Bildungsträger erreichen konnte. Niemand ging ans Telefon. Ein Besuch zeigte, dass die Mitarbeiter zu einer Fortbildung waren: „Wir bitten um Ihr Verständnis“, stand auf dem Schild an der Tür. Das Telefon war abgestellt, es kam lediglich die Nachricht: Dieser Teilnehmer ist zurzeit nicht zu erreichen, bitte versuchen Sie es später noch einmal. Meine Mail von Mittwoch mit der dringenden Bitte um Klarheit und Information blieb unbeantwortet (i.e.: bei mir kam keine Antwort an…).
Gegen 11 Uhr heute Morgen erwischte mein Freund die Leiterin der Einrichtung vor der Tür. Sie sei sichtlich verlegen gewesen. Ja… keine Abmeldungen… die Fortbildung… man solle sich doch noch mal zusammensetzen… das Angebot sei ja attraktiv, Neustart im Frühling oder so…

Als die Information bei mir ankam, bin ich in Tränen ausgebrochen. Nicht etwa, weil ich so traurig bin, dass der Kurs jetzt nicht stattfindet. Vielmehr war ich frustriert, hilflos, irritiert, genervt und im Schmerz. Meine (unerfüllten) Bedürfnisse waren:
Klarheit
Verbindung
Respekt
Wertschätzung
Offenheit
Leichtigkeit und so was wie
Effizienz/Professionalität
Wirksamkeit!

Huhuhuhuhu… Alle Wölfe wieder am Start! Es kann doch nicht angehen, dass ein Bildungsträger seine Referenten bis acht Stunden vor dem Kurs nicht informiert, dass das Seminarangebot nicht stattfindet! Ich brauche Sicherheit! Gesehen werden! Einbezogen sein! ich rüttele an meinen Gitterstäben! Und in meinem Kopf sitzt ein kleines Männchen und erzählt mir, wo ich überall „unzuverlässig“ bin. Was ich schon längst alles gemacht haben wollte und nicht erledigt habe… Du bist Scheiße, ich bin Scheiße… So ein Schmerz!

Und auch dieses Thema hat etwas mit meinem gewohnten Kommunikationsverhalten zu tun. Ich warte ab. Ich bin an dieser Stelle nicht proaktiv. Ich könnte ja eine schlechte Nachricht bekommen… Dann halte ich doch lieber die Füße still. Oder wie in dem Beispiel gestern: Ich könnte ja jemanden verärgern oder abschrecken… wenn ich nichts mache, mache ich wenigstens nichts falsch… Wenn es was zu sagen gibt, wird der andere schon was sagen… Ich kümmere mich also nicht ausreichend um meine Klarheit. Wenn der Impuls nach Klarheit kommt, schiebt sich etwas anderes dazwischen. Wahrscheinlich Angst. „Fall anderen nicht auf die Nerven“. „Kannst du nicht abwarten?“ (Hört Ihr die Betonung der obergenervten Mutter?). Also: Klarheit ist mein Thema. UND: Für mich selbst und meine Bedürfnisse eintreten. Ach, Marshall… GfK ist nichts für Feiglinge…

So long!

Ysabelle

Wortschätzchen: Bloßgestellt

Hallo, Welt!
Dieser Tage las ich in einem Brief***, „du hast mich bloßgestellt“. „Ha!“, dachte ich. Endlich mal wieder ein Wortschätzchen!
Mein Wahrig Herkunftswörterbuch zeigt sich mal wieder schwach. „Bloßstellen“ gibt es gar nicht. Zu „bloß“ schreibt es a.) nackt, b.) nur. Das Adjektiv (mhd. bloz, ahd. bloz) ist verwandt mit griech. phlydaros, weich, und lat. fluere „fließen“; die ursprüngliche Bedeutung wäre demnach „aufgeweicht, nass“; über „weich, sensibel“ und „schwach“ entwickelte sich die heutige Bedeutung „unbekleidet“ (und somit schutzlos).

Etwas ergiebiger ist da schon mein Duden der sinn- und sachverwandten Wörter. Für „bloß“ bietet er mir „nackt“ und „barfüßig“ an. Aber bei „bloßstellen“ heißt es: (sich) eine Blöße geben, eine Blöße bieten, zum Gespött werden, keine gute Figur machen, sich dekolletieren, sich kompromittieren, seinen Namen, seinen Ruf, sein Ansehen aufs Spiel setzen, sich lächerlich machen, sich blamieren, seinem Namen keine Ehre machen, sich ein Armutszeugnis ausstellen; siehe: erniedrigen, kompromittieren (jmdn.), Bloßstellung, Entblößung.

Tja, und unter Bloßstellung steht: Blamage, Schande, Beschämung, Desavouierung (mein Gott, ich dachte, das gäbe es nur noch in der Operette…), Kompromittierung, Schmach, Unehre, Schimpf, Reinfall, Pleite (ugs.). Siehe Aufsehen, Beleidigung, bloßstellen, kompromittieren, anständig, beschämend, ehrlos, gemein.

So weit mal meine Quellen.

Mein Kopf liefert mir noch etwas anderes. Ich sehe eine Person am Pranger. Ich sehe Siegfried, dessen verwundbare Stelle verraten wird. ich sehe mittelalterliche Stadtbüttel, die mit ihrer Pike einer unbotmäßigen Person das Gewand aufschlitzen und diese so entblößen, also in ihrer (schambehafteten) Nacktheit zur Schau stellen. Jemand bringt also ans Licht, was aus Gründen von Takt, gutem Geschmack oder Schutz besser verborgen geblieben sein sollte.

Was empfand wohl diese Person, die in dem Brief schrieb: „Ich fühlte mich bloßgestellt“?
Mit Sicherheit mal
Scham.
Vielleicht auch Unsicherheit.
Sie fühlte sich vielleicht auch
verwirrt
besorgt
ängstlich
wütend
frustriert
einsam
enttäuscht
im Schmerz
bestürzt
geladen
entsetzt.

Und die Bedürfnisse?
Schutz springt mich als erstes an.
Autonomie (ich möchte selbst entscheiden, was über mich bekannt wird)
Vertrauen
Beteiligung
Klarheit (in diesem konkreten Fall)
und Verstehen.

Und die Bitte wäre wahrscheinlich gewesen, dass nichts davon bekannt wird, was diese betreffende Person geäußert hat, oder genauer, dass die Person sich überhaupt geäußert hat.

Bei wem liegt die Verantwortung für was? Super-Frage, oder?

… Es ist so leicht, jemand anderem die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben, was man selbst angerührt hat.

Und was ist mein Lernfeld in der beschriebenen Situation?
Ich möchte noch klarer werden, Dinge noch klarer benennen. Ich möchte noch mehr Gespür dafür entwickeln, wo gerade nicht deutlich geworden ist, worum es mir geht. Ich merke, dass ich noch immer aus Rücksicht oder Mitgefühl oder Schutz Dinge nicht ausspreche, von denen ich annehme, der andere kann sie schwer hören. Ich nenne dieses Verhalten Co-Abhängigkeit. Ich bin einen guten Schritt weiter gekommen in den vergangenen zehn Jahren. Aber da ist eindeutig noch Wachstumspotential…

So long!

Ysabelle

*** Person A hatte mir mehrere Nachrichten über Person B zukommen lassen. In Gegenwart von Person B habe ich gesagt, dass ich die Nachrichten bekommen habe ( – nichts zum Inhalt – ) und dass es Zeit, Kraft und vereinbartes Setting nicht zulassen, dass ich quasi mit Person A allein an diesem Thema arbeite, und sei es auch nur schriftlich.

Perfektionismus – auch ein schöner Tod!

Hallo, Welt!
Wir verabschieden uns vom Perfektionismus. „We grow constantly less studid“, verspricht Marshall. Ich muss also nicht perfekt sein, es reicht, wenn ich mein Bestes gebe. Gegebenenfalls auch fünf mal hintereinander.
Wie schon mehrmals verbreitet, gestalte ich mit einigen Freunden am kommenden Wochenende ein Treffen, zu dem rund 90 Leute erwartet werden. Einige reisen schon Donnerstag an, andere kommen Samstag nur für einen Tag. Einige haben im April gebucht, andere fragen heute (!) an, ob es noch ein Einzelzimmer gibt, und wieder andere, die ihre tatkräftige Mitarbeit angeboten haben, melden sich heute krank. Es gibt Vegetarier und Fleischfresser und es gibt Externe und Übernachter…

Nun quäle ich mich seit Wochen mit der Herstellung von Tagungsunterlagen. Heute, liebe Freundinnen und Freunde, ist mir etwas gelungen, was ich noch nie gemacht habe. Ich habe eine Tabelle gebastelt, jawoll! Ganz ohne Excel, das kann ich nämlich nicht. Und kaum war ich fertig, habe eine PDF draus gemacht und an die anderen im Team verschickt, fiel mir ein, wie man diese Tabelle noch besser und noch schöner machen könnte. Inzwischen bin ich bei Version IV. Ich habe nicht die letzten Sachen aus den Koffern rausgeräumt, ich habe nicht meine Mutter angerufen, die im Krankenhaus liegt, ich habe nicht das Bügelbrett aufgebaut und mal den neuesten Mount Ironing weggefiedelt. Ich habe die letzten beiden offenen Rechnungen noch nicht geschrieben… Ich bastele eine Tabelle. Oder inzwischen sogar eine zweite… cool…

Damit erfülle ich mir die Bedürfnisse nach Wachstum, Kreativität, nach Spiel und nach Beitragen. Ok. Das möchte ich wertschätzen. Und gleichzeitig möchte ich mich daran erinnern, dass es vermutlich niemandem außer mir auffällt, dass auf der zweiten Seite der Tabelle hinter der Uhrzeit jeweils das „h“ für Stunde fehlt, oder welche anderen Verbesserungsmöglichkeiten es auch sonst noch so gibt. Vier Stunden für eine Tabelle – es reicht! Ich muss nicht perfekt sein, und meine Tabellen müssen es auch nicht. Es reicht, wenn sie die schönsten der Welt sind…

So long!

Ysabelle

Tod durch Vergleichen

Hallo, Welt!
Ich bin zurück aus dem Urlaub. Erholt und tatkräftig war ich für ein paar Stunden, dann hat mich ein Virus erobert und gestern lag ich tatsächlich ab 16 Uhr flach mit Kopfschmerzen, Halsweh, Triefnase und fiesem Husten. Ungünstig, denn ich gehöre zum Orga-Team für eine größere Veranstaltung am kommenden Wochenende. Wir erwarten zwischen 80 und 100 Teilnehmer und alles geht systembedingt etwas drunter und drüber. Ich wäre wirklich gern fit dafür…
Heute will ich etwas zum Thema „Tod durch Vergleichen“ berichten. Dieser Urlaub war wirklich sehr großartig. Ich war auf einem sehr schönen Kreuzfahrtschiff, habe gut gegessen, viel geschlafen, tolle Ausflüge gemacht und mich gefreut, dass ich das alles erleben durfte. Und gleichzeitig tauchte immer wieder das Thema „Vergleiche“ auf. War ich glücklicher, weil ich eine Balkonkabine hatte, als die Leute, die eine Innenkabine hatten? Wie konnte sich Witwe XY in diesem Jahr schon die dritte Kreuzfahrt leisten? Was macht die richtig und ich falsch? Wieso scheinen einige Leute alles essen zu können und sie werden nicht dick, und ich gehe am Büfett vorbei und habe zwei Kilo mehr auf der Hüfte? Und der Mann da, und die Frau – boah, ey, sind die dick… dagegen bin ich ja ein Rehlein…

Ich habe dieses Thema auch mit meinem Reisegefährten diskutiert. Wir fanden dabei so spannende Fragen wie „habe ich diesen Urlaub „verdient“, oder steht es mir nicht zu, so einen Luxus zu erleben? Bin ich „gut genug“? Und zum wiederholten Mal habe ich festgestellt, dass Vergleichen der sicherste Weg ist, sich richtig schlecht zu fühlen. Es gibt dazu von Marshall Rosenberg eine sehr nette Textpassage. Er schlägt vor, man möge das Telefonbuch von New York an beliebiger Stelle aufschlagen und sich mit der Person vergleichen, die dort aufgeführt wird. Beispielsweise Wolfgang Amadeus Mozart (mir war vorher nicht bekannt, dass der nach New York umgesiedelt ist…). Also: Wie viele Violinkonzerte habe ich im Alter von 12 Jahren geschrieben? Null. Desweiteren schlägt Marshall vor, man möge in eine Umriss-Zeichnung, die Mann und Frau in ihren Idealmaßen zeigt, jeweils die eigenen Maße eintragen. Falls also 90-60-90 noch immer ein Schönheitsideal sein sollte, würde ich sie an allen drei Werten übertreffen. Schöner fühle ich mich deshalb nicht…

Kurzum: Vergleiche sind ein sicherer Weg mich elend zu fühlen. Selbst wenn ich bei einem Vergleich „besser“ abschneide als meine Referenzgröße, trägt das schon mittelfristig nicht zur Erhaltung meines Wohlbefindens bei. Ich verdiene mehr als dieser Mann – aber wie lange noch? Ich bin dünner als diese Frau – aber 200 weitere Frauen an Bord sind mal dünner, jünger, schöner als ich… Der Golfpro spielt besser Golf als ich, die Geissens aus dem Fernsehen haben mehr Geld, meine Freundin H. mehr Mut, Gabriel mehr Ahnung vom Programmieren und mein Freund F. im Gegensatz zu mir Durchblick in Sachen Excel oder Fliesen legen.

Und nun?
In der Erziehung, die mir zuteil wurde, hat man Vergleiche benutzt, um mich anzuspornen. Ich sollte so klug sein wie XY, das schaffen, was meine Eltern und Großeltern nicht erreicht hatten, zum Beispiel eine Karriere als Akademikerin. Als junges Mädchen habe ich meiner Mutter einmal versprochen, ich würde eines Tages so viel Geld verdienen (und dann noch einen Zahnarzt heiraten), dass ich ihr dann ein Kajütboot und einen Citroen DS kaufen würde. Andere Menschen hatten schon ein Boot und so einen coolen Citroen… wir reden hier vom Ende der 60er Jahre. Bin ich nun eine Versagerin, weil ich dieses Versprechen nicht eingelöst habe?
Vergleiche setzen voraus, dass es einen richtigen, objektiven Maßstab gibt. So soll etwas sein, und daran messe ich mich, werde ich gemessen. Ich bin Gewinner oder Verlierer. Ich stehe gut da oder ich ziehe den Kürzeren. Wofür?

Mir wird immer deutlicher, dass die Etiketten-Ausgabe, die beim Vergleichen stattfindet, nicht dem Leben dient. Ich als ICH bin gar nicht sichtbar, wenn ich mich ständig an Schablonen anlege. Stimmt, ich kann nicht so gut rechnen. Bruchrechnung zum Beispiel habe ich nicht im Zugriff. Ebenso Prozentrechnung. Eine Einladung, mich schlecht zu fühlen. Wenn ich mich selbst aber als vollständiges Wesen ansehe, mit meiner Fähigkeit, lebendige Vergleiche zu finden, mit meiner Fähigkeit, im Handumdrehen aus meinen Vorräten ein Dutzend Leute zu beköstigen, mit meiner Freude an Musik, auch wenn ich kein Instrument spiele, mit meiner Lebendigkeit an der einen Stelle und meiner Achtsamkeit an der anderen – dann darf ich gewiss sein, dass ich genau so bin wie die Höhere Macht mich wollte. Ich bin liebenswert. Ich bin einzigartig. So wie ich bin, bin ich richtig. Und ich bin dankbar dafür, dass ich genau so bin. Ich bin sozusagen ein Gesamtkunstwerk, ebenso wie Ihr! Wir sind einzigartig! Und wenn ich Kunstwerke vergleiche, sage ich auch nicht, die „betenden Hände“ von Dürer sind aber kleiner (und deshalb schlechter) als Gerhard Richters riesiges Ölgemälde, das unlängst bei Sotheby’s 26,4 Millonen Euro in die Kasse von Eric Clapton spülte. Geht es nicht vielmehr darum, ob mich etwas anspricht, ob meine Bedürfnisse erfüllt sind? Wenn ich neidisch auf die schlanken Frauen im Restaurant schiele, ist vielleicht mein eigenes Bedürfnis nach Leichtigkeit, Schönheit und Beweglichkeit im Mangel. Und damit möchte ich da sein. Aber nicht mit irgendeinem ominösen Standard, von dem ich nicht einmal wirklich weiß, wie er zustande gekommen ist – geschweige denn, was er wirklich mit mir zu tun hat…

So long!

Ysabelle

Erfolg fühlt sich anders an

Hallo, Welt!
Heute ist meine erste offizielle Mediation zu Ende gegangen. Die Beteiligten haben eine Vereinbarung getroffen. Beide Medianten haben geäußert, dass sie mit diesem Ergebnis leben können. Aber ich bin nicht zufrieden. Der jahrelange Konflikt ist nicht wirklich aufgearbeitet, nicht befriedet. Und immer wieder wurden mit dem Bagger die Leichen von damals ausgegraben.

Wie fühle ich mich? Müde und erschöpft. Hilflos. Frustriert. Und von meinen Wölfen gehetzt. „Du hättest mehr übersetzen müssen! Du hättest noch mehr auf Gefühle und Bedürfnisse abheben müssen. Du hättest eher dazwischen gehen müssen, wenn es wieder so laut wurde… “

Ich möchte mich daran erinnern, dass die Medianten die Experten für ihren Konflikt sind. Wenn sie diese jetzt formulierte Lösung gutheißen, begrüßen, beide akzeptieren, dann ist das so. Es geht nicht um mein Ego, meine Befindlichkeit. Apropos Befindlichkeit… welche Bedürfnisse sind denn bei mir gerade im Mangel? In erster Linie Erholung und Leichtigkeit. Was die Mediation angeht, auch Respekt und Wertschätzung – aber nicht für mich, sondern für eine der Konfliktparteien. Ich kann mich wunderbar mit den Bedürfnissen beider Parteien verbinden. Aber was kann ich tun, wenn eine Partei kategorisch sagt, ich will das nicht fühlen! Ich will vorn im Gedächtnis behalten, was 19XX passiert ist, und ich will das nicht neu einordnen, ich brauche Schutz, ich habe kein Vertrauen und auch keine Idee, wie man neues Vertrauen aufbauen kann…

Jetzt, wo die Parteien weg sind, fallen mir viele GfK-Sätze ein, die ich noch hätte sagen können. Aber geht es hier denn um meine Lösung?

Ich schätze, dass ich zurzeit einfach zu erschöpft bin, um noch klar zu denken. Ich nehme mich dünnhäutig und aktuell wenig belastbar wahr, vielleicht weil die Belastung einfach zu hoch ist. Wann hatte ich das letzte Mal ein freies Wochenende? Wann gab es das letzte Mal wirklich ein paar freie Tage, an denen nicht irgendetwas drängte oder drückte?

Ich habe in den letzten Tagen wieder einmal wahrgenommen, wie schwer es mir fällt, meinen Interessen Priorität zu geben. Ich lasse mich breitschlagen, am Montag noch zu arbeiten, weil der Bildungsträger Personalknappheit hat. Ich werde Morgen zu meiner Mutter fahren und mich um ihren Kram kümmern, statt um meinen… Auch Sonntag ist kein Ruhetag, weil meine Enkeltochter Geburtstag hat. Ich freue mich sehr über die Einladung zur Feier und gleichzeitig sind einige Umstände sehr anstrengend für mich. Montag dann eben noch mal arbeiten und alle Reisevorbereitungen bleiben bis Dienstag… Das hätte ich gern anders…

Also: Ruhe, Erholung, Leichtigkeit, Schlaf, Wärme, vielleicht auch so was wie Zuwendung und Anregung. Kurz: Urlaub!
Ab Mittwoch ist es so weit!

So long!

Ysabelle

Braucht es noch was, Schatz?!

Hallo, Welt!
Gestern war ich zum „Mediation-Üben“ in Bremen. Unter anderem haben wir Interpretationsgefühle übersetzt und ein Rollenspiel gemacht. Am Ende des Rollenspiels fragte der Teilnehmer A seinen „Kontrahenten“ B: „Brauchst du noch was, um jetzt gut mit der Situation klarzukommen?“
Ich hatte die Mediation als Beobachterin verfolgt und gab die Rückmeldung, dass mir gerade diese Rückfrage sehr gut gefallen habe. Eine der Mediatorinnen grübelte, ob das nicht ihre Sache gewesen wäre, diese Information einzuholen. Und während wir mit diesen Überlegungen noch hin- und herspielten, sagte die zweite Mediatorin, sie werde aggressiv, wenn sie diese Frage hört. Rrrrrrums!

Im Nachspüren stellte sich heraus, dass der eigentliche Satz von A hätte lauten müssen: Ich merke, dass ich noch immer unsicher bin, ob die getroffene Vereinbarung wirklich das bewirken wird, was ich mir für unsere Beziehung/Freundschaft wünsche. Wärst du bereit mir zu sagen, ob du diese Verabredung für tragfähig hältst?

Ich habe gestern gelernt, dass ich ein „Brauchst du noch was?“ oder „braucht es noch etwas“ gern vor mir her trage, anstatt mein eigenes Unbehagen oder meine Unsicherheit zu formulieren. Wenn ich es nicht weiß, frage ich doch einfach mal dich… Gerade die Frage nach der Befindlichkeit beim anderen ist also das deutliche Indiz dafür, dass ICH eigentlich noch etwas habe, was nicht hinreichend geklärt ist. Denken und Fühlen outsourcen ist ja ne coole Sache. Aber noch cooler ist es, wenn ich es merke und die Verantwortung für meine Gefühle und meine Bedürfnisse nach Klarheit, Verbindung oder Gemeinschaft selbst übernehme. Ich möchte unterscheiden üben, wann ich wirklich explizit zum Wohl des anderen einen Beitrag leisten will und wann es in Wirklichkeit um meine ureigenen Bedürfnisse geht. Eine spannende Aufgabe!

So long!

Ysabelle

Von Schuld, Scham, Abwehr und roten Rosen

Hallo, Welt!
Zunächst ein paar Kurznachrichten:
Der Vortrag scheint gut gelungen. Ich jedenfalls bin mit mir zufrieden. Zwei (befreundete) Menschen haben mich angerufen und warme Rückmeldungen gegeben. Drei andere Menschen haben mir im Anschluss an den Vortrag ein Feedback gegeben, das sehr wohlwollend und zugewandt war. Eine weitere Rückmeldung besagte, dass ich Sätze anscheinend häufiger mit „jaaa“, beende, was von dem Empfänger als irritierend wahrgenommen wurde. Ich habe unglaubliche 1.45 h geredet, es gab kleinere technische Pannen (eine stellte sich als Vorteil heraus) und mein Eindruck war, dass alle einigermaßen zufrieden waren.

Meine Work-Life-Balance ist nach wie vor krass un-balanced. Auch heute wird es keine Pause geben, um 11.30 Uhr gehe ich in eine Konferenz, die meiner Einschätzung nach mindestens bis 16 Uhr dauern wird. Und dann wartet noch Papierkram und Unterrichtsvorbereitung auf mich. Nun aber zum heutigen Thema.

Freitag war das vierte Treffen mit meinen Medianten. Ich hatte mir im Vorfeld Supervision und Empathie bei Ute Kleindienst geholt und das war sehr hilfreich. Außerdem habe ich mir noch einmal meine Aufzeichnungen und Unterlagen zum Thema „Perspektivwechsel“ angesehen und dieses Tool dann auch angewendet.

Dieses vierte Treffen bereicherte mich um eine Erfahrung, die mich zutiefst erschütterte. Eine Person beschrieb, wie sie die Situation vor vielen Jahren wahrgenommen hat. Mir erschien die Schilderung so verständlich, dass ich keine Veranlassung zum Übersetzen in Gefühle und Bedürfnisse sah. Doch bei der anderen Person kam etwas ganz anderes an: „Du tust so, als ob ich an allem schuld wäre.“ Ich war fassungslos. In der Aussage hatte ich wirklich keinen Anflug von Schuldzuweisungen gehört. „So war es damals bei mir“ kam bei mir als Botschaft an. Die zweite Person geriet richtig in Not. Es wurde laut, wir haben sogar kurz unterbrochen. Gegen Ende habe ich dann noch mal eine Person gedoppelt („darf ich einmal neben Sie treten und mit meinen Worten formulieren, was ich gehört habe, und Sie korrigieren mich, wenn ich etwas falsch verstanden habe?“), und im Doppeln liefen mir wirklich die Tränen. Die gedoppelte Person bestätigte meine Aussage (schnief… das ist starker Tobak… ja, genau so meine ich es…). Und die zweite Person war fassungslos über das, was sie da hörte. „Wenn das so bei dir ankommt… das meine ich doch gar nicht…“

Nach den zwei Stunden war ich reif für die Couch. Ich bin einfach zutiefst entsetzt, wie unser Kommunikationssystem funktioniert. Und je älter wir werden, desto weniger können wir hören, dass der andere sagt: Ich habe einen tiefen Schmerz, weil bei mir wichtige Bedürfnisse unerfüllt sind!“ So jedenfalls scheint es mir heute.

Wir haben keine Übung darin, die Worte des anderen als „Äußerung zu mir selbst“ zu hören. Viel zu oft sehen wir uns darin verwickelt und verstrickt. Wenn du in dieser Situation, an der ich beteiligt war, so gefühlt hast, dann bin entweder ich schuld (und das löst Scham aus!), oder mit dir muss etwas nicht stimmen. Und da haben wir sie, die Abwehr. Wir sind nicht darauf trainiert, dem anderem wirklich zuzuhören. Wie geht es dir und was brauchst du? Alles ist verwoben, alles hat auf ungute, klebrige Weise etwas mit uns zu tun.

Dieses Muster, das mir in der Mediation so deutlich entgegengesprungen ist, kenne ich auch aus anderen Situationen. Ein Kollege hat gerade seine Gehaltszahlung bekommen und stellte anhand des Nettobetrages fest, dass da etwas nicht stimmen konnte. Sofort kamen Urteile wie „respektlos, unzuverlässig, leere Versprechen“. Ich konnte den tiefen Schmerz hören und sein Bedürfnis nach Vertrauen (in den neuen Arbeitgeber), Respekt und Wertschätzung. Aber sofort stand im Raum, der Arbeitgeber bescheiße absichtlich oder halte sich nicht an die eigenen Qualitätsmaßstäbe. Du bist schuld oder ich bin schuld. Und bevor ich schuld bin, geb ich doch lieber dir die Schuld… Und vor meinem geistigen Auge sehe ich Marshall, wie der die Wolfsohren auf seinem Kopf rotieren lässt: „angry, guilty, depressed…“

Vielleicht ist das das allergrößte Geschenk der GfK: Sie ermöglicht uns, genau die Verantwortung zu tragen, die unsere ist: Wir sind verantwortlich für unser Tun und Lassen, für unsere Gedanken und unsere Worte. Wir sind nicht verantwortlich für das. was der andere hört. Wir sind nicht verantwortlich für das, was unsere Worte beim anderen auslösen.

Im Vortrag hatte ich jeweils ein paar Testfragen eingebaut. Unter anderem sollten die Teilnehmer raten, ob es sich bei der Aussage:

30 rote Rosen – ich bin überwältigt

um ein echtes Gefühl handelt. Während ich (voller Begeisterung über die Rosen) auf dem Tanzparkett hin- und herwalzte, sagte eine Teilnehmerin:
„Du lernst es nicht mehr. Mit Rosen machst du mir keine Freude. Sonnenblumen… das wär’s gewesen. Würdest du mich wirklich sehen und wertschätzen, hättest du mir Sonnenblumen gebracht, und keine Rosen…“

Die „Tat“ ist die selbe: 30 rote Rosen als Geschenk. Doch während der eine außer sich ist vor Freude, löst diese Gabe beim anderen Schmerz und Trauer aus. Und ich bin nicht schuld. Und ich habe nichts falsch gemacht.

So long!

Ysabelle

Die Uhr tickt

Hallo, Welt!
Heute habe ich annähernd zwölf Stunden am Schreibtisch verbracht. Mein Work-Life-Balance-Buch ist voll mit Work, bei Life blieb nur übrig, dass ich heute zwei Mal bei der Post war (immerhin an der frischen Luft) und mir heute Mittag Bratkartoffeln spendiert habe. Ach, und ich hatte ein schönes Telefonat mit einem GfK-Freund, der auch gerade an einer Schule unterrichtet. Leidensgenossen…

Der Vortrag steht. Ich habe von Gabriel, Christel und Simran noch wunderbare Anregungen bekommen. Aber noch gab es keinen Durchlauf mit der Uhr. Und natürlich kann ich nicht alles auswendig. 15 Folien werden es zum Zeigen, 40 sind es insgesamt. Ich bin supererschöpft und werde demnächst ins Bett taumeln.
In einem Telefonat ist mir heute noch einmal deutlich geworden, dass es zu meinen Stärken gehört, schöne Bilder zu finden, wenn ich mich verständlich machen möchte. Das möchte ich feiern. Und ich möchte feiern, dass Markus mir eine Tüte Empathie angeboten hat, bevor ich am Freitag in die nächste Runde der Mediation gehe. Nie wieder lasse ich mich auf Mediation ein, wenn ich einen der Teilnehmer auch nur ein wenig kenne!!!
Es gibt etwas zu feiern.
Mir ist heute klar geworden, wie groß mein Vertrauen in die GfK mittlerweile ist. In Situationen, in denen es schwierig wird, geht es mir immer häufiger so wie damals den Flying Dorias in der Fernsehserie „Salto Mortale“.

Ich springe mit verbundenen Augen ab und habe den Glauben, dass ich mit Empathie oder mit gewaltfreiem Selbstausdruck weiter komme. ich muss nicht mehr in den Kopf gehen, analysieren, diagnostizieren. Immer und immer wieder gelingt es mir mich damit zu verbinden: Wie geht es mir? Und wie geht es Dir?

Was das Mediationsverfahren angeht, fehlt mir bisher das Vertrauen in die Werkzeuge. Umso schöner ist es dann zu spüren: Die GfK trägt mich.

Danke, Marshall, danke all Ihr Trainer und Gefährten, die Ihr dazu beigetragen habt!

So long!

Ysabelle

Work-Life-Disbalance

Hallo, Welt!
Das Wochenende ist um. Ich habe Samstag und heute mittags geschlafen. Trotzdem habe ich mich nicht erfrischt gefühlt. Wie geht Nichtstun? Hier ist irgendwo der Wurm drin! Ich habe zwar die ganze Bügelwäsche erledigt und eben noch ein bisschen Unterrichtsvorbereitung zum Thema Telefonbewerbung zusammengetragen, an einem Facebook-Auftritt bearbeitet und Software auf dem Laptop installiert, was zu meinem großen Frust eben nicht reibungslos funktionierte. Fotoshop Elements lässt sich nicht installieren. Dazu ist die Wäsche gewaschen, der Geschirrspüler leergeräumt. Für meinen Geschmack nicht genug gearbeitet, um zufrieden zu sein. Nicht genug entspannt, um mich gut zu fühlen. Was tut man, um sich zu erholen?
Spazieren gehen.
Fernsehen.
Och nö!
Mit Freunden Zeit verbringen.
Ich hatte zwei schöne Telefonate mit Freunden.
Mir fehlt so etwas wie Erfüllung. Und vielleicht Leichtigkeit.
Also: Das hat nicht geklappt mit der Work-Life-Balance.

Ich bin unzufrieden, erschöpft und irgendwie deprimiert. Ich weiß nicht mal wieso.

So long.

Ysabelle

Der Schuh

Hallo, Welt!
Heute fand im Seminarraum die dritte Gesprächsrunde der Mediation statt. Während ich am vergangenen Wochenende noch 100 Euro darauf verwettet hätte, dass dieses Projekt heute mit Funkenflug und Donnerhall auseinanderfliegt, zeigte sich heute, dass meine beiden Medianten sich gerade erstmals in der Erhellungsphase befinden: „Ah… so ist das bei dir…“ Ich bin unruhig und besorgt, weil ich mich noch immer nicht strikt an die Regeln des Mediationsverfahrens halte. Heute ging es darum, dass eine Partei das Gesagte der anderen Partei als Vorwurf aufnahm: „Aber ich bin doch daran nicht schuld…“

Die nächste halbe Stunde habe ich dann zwischen den beiden gestanden und das Passepartout eines ausrangierten Bilderrahmens zwischen ihnen gehalten. „Das ist der Film von Person A., und er hat nichts mit Dir zu tun. Nein, du redest ja auch nicht mit George Cloney auf der Leinwand, wenn er im Kino eine Rolle spielt…“
Ach, wie schwer ist es doch, den Schuh im Raum stehen zu lassen und nicht anzuziehen. Unser System regiert mit Schuld und Scham, mit Zuschreibungen und Höhenunterschieden. Wie tragisch, dass wir in aller Regel nicht hören können, dass der andere einfach etwas von sich erzählt, und wir in dieser Geschichte höchstens der Auslöser sind, aber nie und nimmer der Grund oder die Ursache…

Ich habe selber die fatale Neigung, mir jeden Schuh anzuziehen, der im Raum steht. An einer Stelle der Mediation habe ich dann heute meinen Budapester Slipper ausgezogen und in die Zimmermitte geschubst: „Den ziehst du dir doch auch nicht an… dann brauchst du dir jetzt auch nicht anzuziehen, was der andere über sein Erleben sagt…“ Ich wünschte, dass ich das für mein eigenes Leben häufiger beherzigen könnte…

Gestern war ich bei meiner Mutter, um Bankangelegenheiten zu erledigen. Kurz vor meinem Eintreffen war die zarte alte Dame schwer gestürzt. Der Pflegedienst war da und kümmerte sich um sie, aber wir waren dann gemeinsam beim Zahnarzt und in der Notaufnahme des Krankenhauses. Dort wollte sie mich fast mit Gewalt nach Hause schicken. „Du fährst doch nicht gern im Dunklen. Ich bin doch dafür verantwortlich, dass du gut nach Hause kommst…“ Hallo? Ich bin 55 Jahre alt und muss schon selbst entscheiden, wann ich fahre… Aber diese ungesunde Verantwortlichkeit habe ich aus meiner Familie intensivst übernommen. Neulich hatte ich Besuch von einem Freund, der wichtigen Papierkram zu erledigen hatte und im Vorfeld meinte, es sei wohl für ihn leichter, das sozusagen unter Aufsicht zu machen. Doch jedes Mal, wenn ich ihn fragte, wie er vorankäme, sagte er Dinge wie „keine Kontrollfragen, bitte!“ Irgendwann änderte er seinen Text und fragte: „warum genau willst du das wissen?“. Ich brach in Tränen aus, weil ich plötzlich spürte, dass ich mich für die Erledigung seines Papierkrams verantwortlich fühlte. Was für eine Bürde!

In der Rückmeldung, die mir Gerhard und Kirsten kürzlich gegeben haben, ging es im weitesten Sinne auch um den Schuh im Raum. Ich bin nicht zuständig, ich bin nicht verantwortlich. Ein neuer Textbaustein. Noch drehe ich ihn immer mal wieder erstaunt hin und her. Mensch, stimmt ja. Ich bin Auslöser, nicht Ursache. Und DU fühlst …, weil Du … brauchst…

Möge der Tag kommen, an dem ich diesen Teil der GfK im direkten Zugriff habe, und nicht erst mühsam aus dem externen Speicher laden muss!

So long!
Ysabelle

Kraut und Rüben (16)

Hallo, Welt!
Der Blick auf das letzte Posting erschreckt mich! So viel Leben ist inzwischen passiert und es hat nicht mal ein halbes Stündchen zwischendurch gegeben, um Euch auf dem Laufenden zu halten. Hier mal ein paar Stichpunkte.

Meine erste Mediation hier im Haus läuft und ich weiß nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll.
Als mein Sohn 1982 zur Welt kommen wollte, sagte ich nach drei Stunden Wehen, „wenn es so bleibt, kann ich das gut aushalten…“. Nach 38 Stunden wurde es dann doch ein Kaiserschnitt. Was die Mediation angeht, hoffe ich nach einem tollen Start mittlerweile bestenfalls auf eine Zangengeburt, vielleicht kommt auch etwas ganz anderes dabei heraus oder die Medianten erdrosseln das Neugeborene. Ich fühle mich hilflos und traurig, weil mein Bedürfnis nach Beitragen und Unterstützung nicht erfüllt ist, OBWOHL ich mein Schönstes, Bestes gebe. Ach, wie gern würde ich die beiden darin begleiten, einen Weg zueinander zu finden. Heute scheint es mir leider so, dass alle Wege vermint und mit NATO-Draht gespickt sind.

Mein Vater hat vorigen Dienstag seine letzte Ruhe gefunden. Eine merkwürdige Veranstaltung, die mir verdeutlicht hat, dass ich so nicht beigesetzt werden möchte.

Die Woche davor war ich wieder als Assistentin in der Jahresgruppe im Osterberg-Institut. Eine spannende Erfahrung. Ich habe diverse Feedbacks für meine Zertifizierung eingesammelt und auch von Gerhard und Kirsten hilfreiche Rückmeldungen erhalten. Die im vorigen Beitrag angekündigte Minipause vor dem dritten Block erwies sich als Farce. Noch im Zug zu meinem Kurzurlaub meldete sich ein Bildungsträger bei mir und fragte, „können Sie auch Kommunikation?“ Und so sitze ich nun seit dem 3. September vier Tage die Woche in einem Klassenzimmer und unterrichte arbeitslose Jugendliche im Alter zwischen 15 und 30 Jahren in GfK, Umgang mit Konflikten, Feedback-Regeln und den richtigen Umgang mit Geld. Ironie des Schicksals… ausgerechnet ich erzähle was über den Umgang mit Geld… die sollten mal meinen Sohn einladen.

Nebenbei kümmere ich mich um den Schriftkram meiner Mutter, von der Abrechnung mit der Krankenkasse über die Abwicklung von Sterbegeld und anderen Fisimatenten. Könnte ja sonst langweilig werden in meinem Leben.

Und es gibt einen Stern an meinem Himmel.
Vor einigen Tagen erreichte mich eine Mail vom CNVC in Albuquerque, USA. Darin hieß es:

We have checked in with the Rosenbergs (wanting to keep them included in the process) and I am happy to enter into conversation with Ysabelle to invite her to be the organizer and share details with her.

Konkret heißt das: Ich darf für das CNVC das IIT in der Schweiz organisieren! Leute, was für ein Geschenk! Ich habe noch keine Detailinfos, weil sich beim Center noch alles um das Intensivtraining in Polen im Dezember dreht. Aber in der Giraffengemeinschaft so eine Aufgabe zu übernehmen ist ein großer Traum von mir. Diese Nachricht nährt erneut mein Vertrauen darin, dass alles einen Sinn hat, auch wenn ich ihn nicht zu jeder Zeit erkennen kann.

So. Und jetzt bereite ich eine Unterrichtseinheit über Sauberkeit im Kühlschrank vor.

So long!
Ysabelle

Filz und Leichtigkeit

Hallo, Welt!
Es ist heiß! Und während unseres grandiosen Filzseminars war es heiß! Wie gut, dass wir die Terrasse beschatten konnten! Und wie gut, dass es nicht geregnet hat! Alles das, was wir gemütlich im Garten machen konnten (frühstücken, Mittag essen, grillen, Einzelarbeit, Gruppenarbeit) war so viel entspannter als im Haus. Jedenfalls ist es zu fünft im Übungsraum voll. Und im Garten ist es locker.
Wir haben allerlei basic GfK angeguckt und ansonsten wurde fleißig gefilzt. Zunächst haben die Teilnehmer mit einem Flächenfilz angefangen. Das ging allen flott von der Hand, und eine Teilnehmerin hatte ohnehin schon viel Vorerfahrung. Während die einen filzten, habe ich jeweils das Essen vorbereitet, die Küche wieder klariert oder eben auch zugeschaut. Samstagnachmittag ging es dann an die größeren Teile, für die die Teilnehmer ja Freitag schon an den Entwürfen für die Motive gearbeitet hatten. Es entstanden zwei Meditationskissen Das erste mit einem Spiralmotiv. Auf der Papierskizze hatte es schon die leuchtende Mitte gegeben, aber der dynamische Mix mit dem Blau ergab sich erst im Umgang mit dem Material. Das zweite Meditationskissen war dagegen ganz gegenständlich im Motiv. Es hatte ein leicht abgewandeltes Ying Yang: Himmel und Wasser Besonders begeisterte mich dabei der Wal mit seinem weißen Bauch und eine Qualle, die zartrosa Tentakel hatte. Wunderbar! Und daneben wuchs der Teppich für einen Seminarraum. Das war natürlich superspannend zu beobachten: Zunächst wurden die einzelnen Teile vorbereitet und auf Papier ausgelegt. Wie bitte sieht ein Wolf aus? Und wo hat die Giraffe ihre Tupfen? Es wurde gezupft, gelegt, umgelegt, noch mal gezupft, und später dann gewalkt, geknetet, massiert, mit den Füßen gestampft und manchmal auch laut Musik gehört. Dazwischen gab es Zeit für ein Lebendigkeitsbad, allerlei Input zum Thema Camouflage in der Sprache, eine berührende Einzelarbeit zum Thema „Strategien und Opferenergie“ sowie diverse köstliche Mahlzeiten. Was mir gut gefallen hat, war dass ich mit Leichtigkeit von meinem Konzept abweichen konnte, als erkennbar war, dass keiner der Teilnehmer eine konkrete Bitte formulieren wollte, sondern andere Dinge gebraucht wurden. Als es keine Begeisterung dafür gab, Vorwürfe zu übersetzen, haben wir halt Komplimente übersetzt, was abends um neun auf der Terrasse bei einem Glas Wein deutlich mehr Spaß machte als in einem Seminarraum bei Kunstlicht. Die Abschlussrunde am Sonntag gegen 16 Uhr zeigte, dass alle sehr zufrieden mit dem Wochenende waren. Das alles hat nur einen winzigen Schönheitsfehler. Insgesamt waren es mit Vorbereitung und allem Drum und Dran fünf Tage Arbeit. Übrig bleiben für jede von uns Trainerinnen je 189 Euro. Das drückt den Stundenlohn auf osteuropäische Verhältnisse.
Trotzdem bin ich nicht unzufrieden. Zum einen sind wirklich wunderbare und inspirierende Werke entstanden. Zum anderen war eine zertifizierte Trainerin als Teilnehmerin dabei. Sie wird mir für meine Zertifizierung ein Trainer-Feedback geben und hat sich auch warm und wohlwollend über die Qualität meines Handouts geäußert. Und es sind Seminarvorbereitungen durchgearbeitet, die ich immer wieder brauchen werde. Und nun kann ich einfach die Schublade aufziehen und darauf zurückgreifen. Oder den Drucker anwerfen.
Heute nun bin ich total erschöpft. Ich hatte erst überlegt, ob ich nicht doch zum Thema „Work – Life“ etwas schreiben sollte, weil mir das Thema im Moment sehr nahe ist. Aber dann dachte ich, einige von Euch wollen bestimmt wissen, wie das Wochenende gelaufen ist. Ich werde heute versuchen, nur so viel zu tun, wie ich den tiefsten Drang verspüre: Geschirrspüler ausräumen, Katzenklos, Wäsche aufhängen, Seminarsachen wegräumen. Ansonsten versuche ich, nichts zu tun, also vielleicht zu schlafen. Ab Morgen möchte ich drei Tage Urlaub/Pause einlegen. Donnerstag Abend um 18 Uhr endet die Pause, dann bereite ich die Übungsgruppe vor. Aber bis da hin: Piano! Die nächsten 14 Tage werden noch einmal hart… Vielleicht kann ich dann Mitte September eine Woche Urlaub machen…

So long!

Ysabelle

Habe fertig!

Hallo, Welt!
Das Seminar kann los gehen! Eben habe ich die letzten Seiten meiner Vorbereitung ausgedruckt und bin jetzt hoch zufrieden mit meiner Planung. Zum einen steht der Ablaufplan, zum zweiten sind alle Seminarunterlagen vollständig und ich habe gleich noch einige Übungsbögen dazu entwickelt. Die kann ich natürlich auch bei anderen Gelegenheiten gut verwenden. So wird es einen Übungsbogen zum Thema „Du-Botschaften übersetzen“ geben, einen zum Übersetzen von Interpretationsgefühlen. Es gibt Input zum Thema „Angst vor Selbstoffenbarung und Camouflage“ und ich stelle die vier Seiten einer Nachricht von Schulz von Thun vor. Obwohl ich sie schon lange kannte, fand ich es spannend, mich noch einmal damit zu beschäftigen.

Ach, wie schön, einfach nur in meine Seminartasche zu greifen und 140 Gefühle auf laminierten Kärtchen herauszuziehen… 20 fiese Vorwürfe, die wir zusammen übersetzen können… Jetzt gibt es auch einen Übungsbogen zum Thema „Bitten“. Ist das wirklich eine Bitte? Wozu sagt dein Gegenüber JA, falls er zu deiner Bitte nein sagt? Tirili! Ich freu mich auf morgen!
Um eins heute Mittag dachte ich, ich bin so erschöpft, ich kann gar nichts mehr vorbereiten für das Seminar. Dann bin ich ins Bett gegangen, habe vier Stunden geschlafen, bin von meinem Vogelzwitscher-Wecker geweckt worden, hatte zwei Stunden Übungsgruppe, die extrem inspirierend und bereichernd war, und konnte dann jetzt noch locker zwei Stunden Texte schreiben und Unterlagen lochen, zusammenstellen und jetzt in eine Sammelbox zu sortieren. Es kann los gehen, ich fühle mich gut vorbereitet. Äh, was ich das Gefühl? Zufrieden, sicher, klar, entspannt, zuversichtlich, erwartungsfroh. Wie gut, dass ich nicht den Filz-Teil moderieren muss. Da wäre ich aufgeschmissen. Wenn Hilke filzt, werde ich kochen, Obstsalat schnippeln, den Grill anwerfen und mich daran freuen, dass wir dieses Seminar zu zweit machen.

So long!

Ysabelle

Mystische Zahlenspiele aus D-Mark-Zeiten

Hallo, Welt!
Gestern sind mein Sohn und ich zur Trauerfeier für meinen Vater aufgebrochen. Junior kam morgens zu mir, damit wir in einem Auto unterwegs sind. „Wo hast du Schuhputzzeug?“, fragte er mich, weil er noch mal über die guten Schwarzen bohnern wollte. Wenig später hörte ich ihn im Wirtschaftsraum kichern. „Du und deine Vorratshaltung! Diese Marmelade ist von 2003 und die Adresse auf dieser Konserve hat sogar noch eine vierstellige Postleitzahl…
Heute habe ich einen kurzen Blick auf besagtes Regal geworfen. Tatsächlich: Marmelade von 2003. Zwei Gläser Rotkohl, deren Mindesthaltbarkeitsdatum mit Oktober 2007 angegeben war. Eine China-Sauce von 1999 habe ich leichten Herzens der Tonne übergeben. Beim Rotkohl fiel mir das deutlich schwerer, und die Marmelade habe ich zurück ins Regal gestellt. Ein Glas Schwarzwurzeln war noch mit D-Mark ausgezeichnet. Das habe ich dann auch entsorgt.
Als mein Sohn sich über die Vorratshaltung mokierte, spürte ich Unbehagen, ja so etwas wie Schuldgefühle. Als wollte ich die ganze Familie mit abgelaufenem Essen ausrotten. Ertappt, als hätte ich etwas Verbotenes getan. Scham. Ach ja, Scham war das.

Als ich heute davor stand, fest entschlossen, alle abgelaufenen Lebensmittel wegzuwerfen, fühlte es sich ganz anders an. „Die schönen Sachen… das kann man doch alles noch essen… da ist doch nichts mit los… oh, ja, diese Marmelade… die habe ich von dem Besuch in XY mitgebracht… Das schlechte Gewissen von „willst du uns alle umbringen“ hatte sich verändert in „du willst doch nicht etwa Lebensmittel wegwerfen, die noch gut sind…?!“
Anscheinend gibt es zu dem Thema zwei Wahrheiten in mir. Der eine Teil ist so stolz auf das gefüllte Vorratsregal. Bei mir muss keiner verhungern. Und wenn Morgen eine Busladung voller Leute vor der Tür steht, ich kriege sie alle satt. Die Dosen sind nicht verbeult oder aufgebläht, der Rotkohl sieht nach wie vor prima aus. Und Mindesthaltbarkeitsdatum ist eh eine Erfindung der Industrie.
Der andere Teil möchte auf einen besonders effizienten Umgang mit Lebensmitteln an den Tag legen. First in, first out. Keinen Mais nachkaufen, wenn noch vier Dosen Mais im Regal stehen. und beim Einräumen fällt mir auf, ach, es war ja gar nicht Mais, was fehlt, sondern Champignons… Und dann diese grandiose Saisonware… Nur jetzt… amerikanische Wochen, asiatische Wochen… Glasnudeln… komisch, damit koche ich nie, aber ich erliege der Versuchung.

Anscheinend gibt es ein Lernfeld, das heißt: Empathische Vorratshaltung. Wie viele Dosen, Gläser, Marmelade (Mist, wieso habe ich den holländischen Sirup weggeworfen, der war doch erst 2010 abgelaufen!), Senf, Tütenpürree (ich schwöre, nur für den Notfall), Thunfisch und Prinzessbohnen brauche ich, um mein Bedürfnis nach Sicherheit zu erfüllen? Denn dass es nicht um das Bedürfnis nach Nahrung geht, ist mir sehr klar. Ich denke, das ist ein Erbe der Kriegsgeneration, die einfach nichts hatte, und die alles hortete, egal, was es war. Wenn man es selbst nicht aß, konnte man es aber wenigstens tauschen… Diese Haltung war bei uns in der Familie ganz tief verankert. Komisch, in den Schränken meiner Mutter findet sich aber heute gar nichts mehr. Sie scheint das irgendwie überwunden zu haben. In ihrem großen Kühlschrank langweilen sich ein paar Medikamente, zwei Flaschen Wasser, eine Dose Sprühsahne, eine Bisquitrolle und zwei Sahnepuddings. Aber: Als wir 1978 den Haushalt meiner Großmutter auflösten, fanden wir noch eingeweckte Schattenmorellen von 1963… Solchen Zeiträumen nähere ich mich auch…

Also: Vorratshaltung erfüllt mir ein Bedürfnis nach Sicherheit. Selbst Vorräte mit deutlich abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum erfüllen dieses Bedürfnis. Sie erfüllen das Bedürfnis auch, wenn die Adresse auf dem Etikett noch eine vierstellige Postleitzahl hat. Und gleichzeitig hätte ich gern neue neue Strategie, mit der ich mir dieses Bedürfnis erfüllen kann, ohne missbilligende Blicke anderer Menschen zu kassieren. Mal sehen, was mir da bis Weihnachten einfällt. Eine Strategie könnte sein, erst mal sehr bewusst mit den „alten“ Sachen zu kochen, also vielleicht die alten weiter nach vorn zu schieben oder gezielt nach leckeren Rezepten für diese Zutaten zu suchen. Mal ehrlich, bei 30 Grad im Schatten, die jetzt endlich kommen sollen, ist mir überhaupt nicht nach Rouladen mit Rotkohl…

So long!

Ysabelle

Eine Form der Camouflage…

Hallo, Welt!
Ich liege in den finalen Vorbereitungen für das GfK-und Filzseminar am Wochenende. Es scheint, dass das Wetter mitspielt. Das ist Klasse, denn dann können wir draußen arbeiten und abends grillen.
Für ein wenig Inspiration habe ich dann noch mal bei der Konkurrenz nachgelesen, was Schulz von Thun über Störungen und Klärungen schreibt. Dabei stieß ich auf einen Aspekt, den ich im Prinzip wusste, aber überhaupt nicht parat hatte: Er nennt das Kapitel: „Sprachliche Hilfsmittel zur Selbstverbergung“ und zählt einige besonders beliebte auf. Und danach sind zum Beispiel Du-Botschaften vermiedene Ich-Botschaften (wir werden im Seminar üben, sie zu übersetzen). Sie zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass mein eigener Ich-Zustand im Verborgenen bleibt. Gern übrigens auch vor mir selber… Wenn ich so richtig schön mit Du-Botschaften unterwegs bin, weiß ich oft nicht, wie es mir eigentlich gerade geht. Heute Abend war ich wieder beim Bridgespielen und habe so schöne Du-Botschaften gehört – am liebsten hätte ich sie mitgeschrieben.

Da das gerade nicht ging, habe ich eine Bitte an Euch!
Gibt es eine Du-Botschaft, die Ihr wiederkehrend benutzen möchtet? Zum Beispiel: Nie bist du pünktlich! Her damit! Gibt es eine Du-Botschaft, die Ihr besonders schwer hören könnt? Zum Beispiel: Du bist ja immer so schwer zu erreichen… Her damit! Ich hätte gern für das Seminar Beispiele aus dem wahren Leben. Und nur Beispiele aus meinem Leben haben eben auch eine Färbung, die speziell mit meinem recht groß gerateten Kritik-Ohr etwas zu tun hat. Das ist doch auf Dauer langweilig…

Zur Belohnung noch schnell ein paar weitere Selbstverbergungsstrategien: „Man“-Sätze, „Wir“-Sätze (wie geht es uns denn heute?…), Fragen (wieso hast du dir dieses Kleid gekauft?), die Verwendung von „es“ (es war langweilig), demonstrative Selbstverkleinerung (ich hab von der Materie keine Ahnung), und mangelnde Kongruenz, Authentizität. Dazu gehören gespielter Gleichmut, aufgesetzte Freundlichkeit, vermeintliches „Da steh ich drüber“. Leute, runter mit dem Tarnanzug! Nichts ist schöner als echte Verbindung!

So long!

Ysabelle

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