Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Der schießt auf mein Tor!

Hallo, Welt!

Ein Wort, das mir in den vergangenen Jahren sehr ans Herz gewachsen ist, lautet „Ichbezogenheit“. Und damit meine ich etwas ganz anderes als Egoismus. Jemand, den wir mit dem Etikett „Egoist“ bedenken, wird von Wikipedia wie folgt beschrieben:

Egoismus (griechisch /lateinisch ego ‚ich‘) bedeutet „Eigennützigkeit“. Das Duden-Fremdwörterbuch beschreibt Egoismus als „Ich-Bezogenheit“, „Ich-Sucht“, „Selbstsucht“, „Eigenliebe“.
Egoismen (Plural) sind demnach Handlungsweisen, bei denen einzig der Handelnde selbst die Handlungsmaxime bestimmt. Dabei haben diese Handlungen zumeist uneingeschränkt den eigenen Vorteil des Handelnden zum Zweck.

Mir geht es darum, dass jemand/ich die Handlungen, Unterlassungen oder Aussagen anderer Menschen mit sich, mit seinem eigenen Verhalten oder seinen eigenen Werten in Beziehung setzt. Stets, immer, ständig. Gabriel ruft mich nicht an, weil er sich über mich geärgert hat.
In den letzten Tagen prasselten eine Fülle von Beispielen auf mich herab, ein guter Grund, dazu ein paar Worte zu verlieren.

In einer Erziehung, in der das Kind dafür verantwortlich gemacht wird, das Mutti traurig ist und Papa ärgerlich, fühlt sich das Kind auf ungesunde Weise als Nabel der Welt. Es ist allmächtig, denn es kann die Gefühle von Mama und Papa beeinflussen. Aber mehr als das, es ist auch dafür verantwortlich… Was für ein leise träufelndes Gift!

Im Zusammenhang mit dem Trauerfall in unserer Familie hörte ich von einem Mann eine kleine Geschichte.
Sein Schwiegersohn hatte ein Gespräch mit Dritten über eine Erb-Auseinandersetzung. In diesem Gespräch sagte er zu der dritten Person: „Aber ein Anrecht auf den Pflichtteil hast du doch immer!“ Diese Aussage hat den Mann so sehr erschreckt, dass er fortan den Kontakt mit seinem Schwiegersohn auf ein Minimum beschränkte. Seine Befürchtung war, dass er nach dem Tod seiner Ehefrau das gemeinsam bewohnte Häuschen würde verkaufen müssen, um Tochter und Schwiegersohn auszuzahlen. Angesprochen hat er seine Angst den beiden gegenüber nicht. Allein, das Verhältnis war zerrüttet.

In einem Gespräch zwischen Mutter und Tochter hörte ich dieser Tage, wie die Tochter sich beschwerte: „Immer kritisierst du an mir rum! Ich komme gut allein klar, ich bin nicht mehr 17, sondern 37!“ Die Mutter war völlig konsterniert. Sie sah ihr Verhalten keineswegs als Kritik. „Ich habe große Hochachtung vor dem, was du alles auf die Beine stellst. Aber ich bin auch in Sorge, weil du dir keine Pause gönnst! Wie kann ich meine Sorge denn ausdrücken, ohne dass sie bei dir als Kritik ankommt?“

Und in einem dritten Fall ging es um ein Paar, das eine Verabredung fürs Kino miteinander hatte. Als sie ihn sehr gehetzt von der Arbeit abholte und berichtete, was ihr alles am Tag widerfahren war und welche Erledigungen noch zu machen waren, „hörte“ er, aufgrund der Belastung könne der geplante Kinoabend nicht stattfinden. Als er dann voller Schmerz zurückfragte: „Heißt das, wir gehen nicht ins Kino?“, war sie wiederum total enttäuscht und frustriert, dass ihr Committment, den Abend zusammen zu verbringen, anscheinend in Frage gestellt wurde. Wo sie doch gerade so große Anstrengungen unternommen hatte, damit sie gemeinsam ein paar unbeschwerte Stunden verbringen konnten…

Ich habe noch ein eigenes Beispiel beizusteuern.
Gestern war ich bei meiner Mutter. Mit dem Mann vom Beerdigungsinstitut haben wir die Details für die Trauerfeier festgelegt. Meine Mutter wird ja nach einer schweren Erkrankung per Sonde ernährt, weil sie nicht mehr kauen und nur mühsam schlucken kann. Da ich mir Sorgen mache, dass sie in diesen Tagen völlig vom Fleisch fällt, brachte ich ihr einen frischen Green Smoothie mit. Ihre Reaktion schockte mich. Da kam ein Wortschwall, wie widerlich diese grüne Pampe sei, und wenn sie nur auf die Flasche schaue, müsse sie schon kotzen…
Uff. Das konnte ich schwer hören. Es dauerte mehrere Stunden, bis es mir gelang, den Stachel der Abwertung meiner Person und meines schönen Bemühens aus diesen Worten zu entfernen und sie als das zu hören, was sie sind: Mein Gegenüber sagt einfach nur: Ich bin im Schmerz, denn ich habe ein brennendes unerfülltes Bedürfnis. Und DAS hat gerade mal nichts mit mir zu tun.

in unserem Leben begegnen uns immer wieder Menschen, die mit ihrem Verhalten oder ihren Aussagen genau auf unsere wunden Stellen treffen. Sagt jemand etwas, das uns nicht tangiert, bleiben wir ganz gelassen. Trifft uns aber eine Aussage, ist das ein Indiz dafür, dass wir, um mal ins Fußballer-Deutsch zu verfallen, unseren Kasten nicht sauber halten. Louise Hay beschreibt es in einem ihrer Bücher so nett: Wir würden uns mit Sicherheit nicht angesprochen fühlen, wenn jemand ständig zu uns sagen würde, „du bist eine lila Kuh, du bist eine lila Kuh.“. Aber wenn jemand sagt, „du bist schon wieder zu spät“, gehen wir ab wie „Schmidts Katze“. Wir hören, wir hätten etwas falsch gemacht, bei uns kommt nur Tadel und Unmut an. Wir beziehen die Reaktion unseres Gegenübers auf uns. Mit mir ist was falsch, weil ich meiner Mutter einen Green Smoothie mitgebracht habe… Nein, Freunde der Gewaltfreien Kommunikation! Meine Mutter hat lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sie ein brennendes unerfülltes Bedürfnis hat. Und es gibt keine Veranlassung, daraus einen Schuh zu machen und ihn mir anzuziehen. Es reicht vollkommen, wenn ich die Dornenranke sanft von meinem Pulli pflücke und mir ins Bewusstsein rufe: Meine Ich-Bezogenheit wird in den Hintergrund treten. Ihre Aussage hat nichts mit mir zu tun. Mein Gegenüber teilt mir lediglich etwas über seinen Seelenzustand mit. Kein Grund, das auf dem Kritikohr zu hören! Stattdessen kann ich mich auf zwei Dinge besinnen: Zum einen kann ich mich fragen: Was löst das bei mir aus, wenn ich das höre? Und zum zweiten: Was ist in meinem Gegenüber lebendig, wenn er auf diese Weise reagiert? Alles kein Grund, auf den anderen einzuschlagen. Ich suche die Verbindung mit mir (hey, warum war das ein „Autsch“?), und danach bin ich frei, die Verbindung zum anderen herzustellen. Kein Ball im Tor, just am Seitenpfosten vorbei…

So long!

Ysabelle

Mein erstes Mal

Hallo, Welt!

Heute hat meine erste echte Mediationssitzung stattgefunden. Und die beiden Menschen werden wieder kommen. Ein Konflikt, der länger als zehn Jahre schwelt, lässt sich nicht in 90 Minuten auflösen. Falls diese Mediation gelingt, also zu einem Ergebnis führt, mit dem beide Seiten gut leben können, war das ein superschöner Auftakt. Beide haben Interesse daran, das Verhältnis zu klären. Beide sind bereit, sich ein wenig führen zu lassen. Damit meine ich: Ich darf sie unterbrechen. Sie lassen sich gegenseitig ziemlich aussprechen. Und zum Teil reden sie sogar schon miteinander. Zum Ende habe ich gefragt, ob denn schon alles auf dem Tisch sei, was es braucht, um den Konflikt zu lösen. Hm. Anscheinend noch nicht. Aber wir haben schon mal ein paar Bedürfnisse gesammelt. Von beiden Konfliktparteien hat es warme Wertschätzung für die Gestaltung und den Ablauf gegeben. Sie lobten den ansprechenden Seminarraum, sogar das Gäste-WC (!). „Es war mehr als ich erwartet habe“, meinte die Ältere zum Schluss.

Fasziniert hat mich, dass beide nicht die Frage beantworten konnten: „Wie geht es Ihnen, wenn Sie das hören? Von beiden kamen Erklärungen, Geschichten, wie es damals mal war oder ähnliches, aber nichts in Richtung Befindlichkeit. Leute, sind wir denn alle so sehr abgeschnitten von uns uns unserer Lebendigkeit, dass wir nicht einmal erkennen, was wir fühlen?
Insgesamt ist es ganz schön anstrengend. Also, zwei derartige Sitzungen an einem Tag traue ich mir im Moment noch nicht zu. Zum einen fehlt mir ja aber auch noch die Routine. Zum zweiten bin ich im Augenblick sowieso ziemlich erschöpft. Mir fehlen Erholung und Schlaf. Jetzt ist es halb zwei. Nachdem die Medianten um kurz nach zwölf gegangen waren, habe ich selbst schnell ein bisschen Obst und Gemüse eingekauft, den Seminarraum aufgeklart, das Geschirr abgeräumt und eben eine Runde Smoothies gerührt. Heute mit den Blättern von Mairübchen, einer Drittel Gurke, einigen Aprikosen, ganz viel Petersilie, einem Apfel, zwei Bananen und ein paar Erdbeeren. Eine Flasche voll will ich meiner Mutter mitnehmen, die ja per Sonde ernährt wird. Vielleicht hat sie Lust auf etwas Frisches. Und trinken kann sie ja. Ach ja, die Betten sind auch schon bezogen, heute Morgen um halb neun. Die Wäsche tummelt schon im Trockner. Ich bin sehr froh über die Idee, das Work-Life-Balance-Büchlein zu führen. Es hilft mir anzuerkennen, dass ich wirklich etwas tue und meine Zeit sinnvoll verbringe. Was für eine Mitgift, die ich da herumschleppe… Nur „Arbeit“ zählt. Na, wäre ja auch langweilig, wenn ich mit 55 an mir kein Wachstumspotenzial mehr ausmachen könnte…

So long!

Ysabelle

Schlüsselunterscheidungen, mal wieder.

Hallo, Welt!

Heute habe ich das zweite Mal eine Unterrichtseinheit zum Thema Schlüsselunterscheidungen gegeben. Könnt Ihr das lesen? Es ist ein Zitat von Garri Kasparow, dem früheren Schachweltmeister, der etwas über erfolgreiche und katastrophale Strategien sagt. Ausgangspunkt war eine Diskussion, warum einige Teilnehmer des Projekts einen Vortrag halten sollen. Das Halten eines Vortrags war in diesem Fall eine Strategie, die Bedürfnisse, die damit erfüllt werden sollten, waren Wachstum und Lernen. uiuiuiuiuiiiiiii…. das sahen einige Leute aber ganz anders. Ich hatte geglaubt, wenn ich nur den Unterschied zwischen Bedürfnis und Strategie erläutere, wird klar, dass sie eine andere Strategie vorschlagen können, die ebenfalls Bedürfnisse nach Lernen und Wachstum erfüllt. Aber bei einigen Teilnehmern kam das ganz anders an. Die rede war von Zwang und Druck und anderen interessanten Gedanken.

Wenn ich diese Argumente höre, werde ich ganz müde. Ich bin doch nicht der Entertainer, der zur Unterhaltung der Teilnehmer abgestellt ist. Ich mache Angebote, und ich bin offen für andere Vorschläge. Die Idee lautet aber nicht, ich will das nicht, und das auch nicht, und das auch nicht, und eigentlich will ich gar nichts… Ich will hier einfach nur sitzen… so viel Loriot vertrage ich nicht an einem Tag. Leute, Arsch hoch und auf die Beine! Raus aus der Komfortzone! Gelernt wird in aller Regel nicht da, wo es kuschelig ist. Gelernt wird da, wo meine eingefahrenen Strategien nicht greifen. Gelernt wird da, wo es piekt. Ich will bestimmt niemanden in Panik versetzen mit einer Aufgabe, die den einzelnen in einer Weise belastet, dass er oder sie nicht mehr klar denken kann. Aber ein bisschen Gehirnschmalz darf schon investiert werden. Wozu gehe ich sonst in so ein Projekt?

Ach, Leute! Wie sehr liebe ich heute die unendlichen Open-Space-Sitzungen von GfK’lern! Wenigstens sagen die Leute, was sie wollen, und sie stehen für ihre eigenen Vorschläge ein. Aber diese Haltung des Schweigens und Totstellens finde ich einfach lähmend und zutiefst frustrierend.

Für heute hatte ich genug.

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Nachsatz:
… Mein Vater ist heute Nachmittag friedlich eingeschlafen. Ich bin froh, dass ich ihn Montag noch gesehen habe, dass wir ein gutes Gespräch hatten. Und ich bin dankbar, dass ihm Hospiz und Palliativstation erspart bleiben. Er ist ein bescheidener Mann. Ich werde ihn vermissen. Er gehört zu den Menschen in meinem Leben, die mir wirklich immer nur Gutes wollten. Ich bin dankbar, dass Du in meinem Leben eine wichtige Rolle übernommen hast.

So long, Daddy…

Ysabelle

Der Tod schleicht sich an

Hallo, Welt!
Die vergangenen 14 Tage waren sehr anstrengend. Urlaubsvertretung in dem Arbeitslosenprojekt, Vertretung in der Übungsgruppe in Hamburg, Unterrichtsvorbereitung, vergangenen Samstag eine sehr schöne Grillparty hier im Haus, Vorbereitung für das „Gewaltfrei-filzen“-Seminar in der kommenden Woche. Da erreichte mich die Nachricht, dass mein (Stief)-Vater im Krankenhaus liegt. Gestern war ich dort und habe während des Besuchs und im Nachhinein der Höheren Macht gedankt, dass ich in den vergangenen Jahren so viel über das Wesen der Empathie lernen durfte. Es tat so gut, mich selbst immer wieder „leer“ zu machen und einfach nur aufnahmefähig für das zu sein, was er ausdrücken wollte. Selbst die Botschaft meiner Mutter, „es ist alles in Ordnung, du brauchst dir keine Gedanken zu machen“ konnte nicht ankommen bei ihm. Er war gar nicht auf diesem Gleis unterwegs. Und sie war auch nicht bei IHM, sondern bei dem, was sie ihm gern mit auf den Weg geben wollte, denn die Ärzte haben unmissverständlich gesagt, dass es für diese Krankheit keine Heilung gibt.

Empathie! Wir alle brauchen einfach nur Empathie! Als zwei Ärzte an seinem Bett standen und Dinge über seine Krankheit und das weitere Vorgehen (Palliativstation oder Hospiz?) besprachen, konnte er aufgrund seiner Schwerhörigkeit nicht folgen. Ich habe die Ärzte unterbrochen, seine Hände genommen und ihn gefragt: Ist bei Dir angekommen, was die Ärzte gesagt haben? „Nein“, sagte er. Und ich habe noch einmal langsam übersetzt. Von den drei anderen hat zu meinem großen Schmerz niemand realisiert, dass er, um den es doch eigentlich ging, abgehängt war. Als höflicher und bescheidener Mensch wollte er nicht unterbrechen, versuchte sich aus Wortfetzen und Mimik ein Bild zu machen. Niemand ist mit seiner/ihrer Aufmerksamkeit ganz bei ihm, alle sind mit eigenen Dingen, Sorgen, Befürchtungen, Diagnosen, Angelegenheiten beschäftigt. Das finde ich sehr schmerzvoll zu erleben. Leute, bitte lernt Empathie! es ist das kostbarste Geschenk, das wir einander machen können.

Ich gehe gleich mit einer Freundin frühstücken und ich bin sicher: Auch für mich wird es dabei ein Stück Empathie geben.

So long!

Ysabelle

Giraffensaft

Hallo, Welt!
Nach der Übungsgruppe am Dienstag hatte ich einen Teilnehmer gebeten, mir eine Rückmeldung zu geben. Er hat sie heute Nacht geschrieben und ich fand sie heute als Morgengruß um 5.45 Uhr. Schöner kann man nicht wach werden! In schönstem GfK hat der Teilnehmer einen riesigen Becher Giraffensaft eingeschenkt „and it feels damn good!“
Unter anderem heißt es (anonymisiert) in der Mail:

Etwas schwärmerisch formuliert gehöre ich zu der Fraktion derjenigen, die glauben, dass du auf alle möglichen Situationen / Konstellationen ein vorbereitetes Paket aus einer deiner Mappen ziehen kannst. Im Ernst halte ich das für eine echtes Plus, das für Aufmerksamkeit und Spannung sorgt. Was (mir) viel bedeutet in so einer Phase.

Schön war, dass die Anliegen von A, B und C, das Anliegen von D, auch meins auf eine selbstredende Art einen Einstieg gefunden haben um dann weiter ausgebreitet zu werden. Gut gefallen hat mir auch, dass wir alle leicht mitarbeiten konnten / die Aufmerksamkeit von allen über lange Zeit hoch war, was mit dieser Form der Übung zusammenhing.

Richtig warm ums Herz geworden ist es mir bei der Anliegenarbeit von C. Ich hatte am Anfang den Eindruck, dass jetzt hier etwas _gefixt_ werden sollte. Und mir war kurzzeitig auch unklar, ob du die Zeit im Blick hattest (wenn ja, dann passte das perfekt), aber dann kam auf dein vorsichtiges wie stetiges Insistieren hin doch noch ein Durchbruch, an den ich (auch) jetzt gerne erinnere.

Liebe Freunde der Gewaltfreien Kommunikation, ich bin so berührt, beschenkt, dankbar für diese Rückmeldung und auch mir selbst, dass ich gewagt habe, darum zu bitten. Oh, sie erfüllt mein Bedürfnis nach Klarheit, nach Wertschätzung, nach Gesehen werden, Verbindung, unterstützender Gemeinschaft, Wärme, Respekt und Wachstum.

Im Augenblick erfahre ich aus verschiedenen Ecken ganz viel (unerwartete) Wertschätzung. So habe ich gestern mit einem Freund Mittag gegessen, der voller Wärme unsere Verbindung feiern konnte. „Ich möchte unsere Beziehung wertschätzen“. Und dann hatte ich vor einer halben Stunde einen Anruf, ob ich mir vorstellen könne, Mitte August in der kleinen Stadt XY die Urlaubsvertretung in einem Projekt zu übernehmen für sieben Tage… Zumindest einige Leute scheinen zufrieden mit dem zu sein, was ich tue!
Ich bin so erfüllt von Dankbarkeit und Freude! Dinge geschehen. Ich brauche nur einfach jeden Tag mein Bestes zu geben. Meine Freundin Hilke, mit der ich demnächst den coolen Filz-Workshop geben werde, sagte im Mai, „und es ist faszinierend, wie das alles einfach auf dich zukommt…“. Und genau so erlebe ich es auch. Ich stehe hier mit offenen Händen und Dinge geschehen. *D*A*N*K*E*

So long!
Ysabelle

Selbst + Wert = Gefühl?

Hallo, Welt!
Gestern Abend habe ich wieder vertretungsweise eine Übungsgruppe geleitet. Zu meinem Erstaunen waren wir zu siebt. Ich nehme das als Zeichen von Wertschätzung und *öhöm* Kompetenz. Wenn ich das gar nicht hinkriegen würde, kämen die Leute wohl nicht wieder. Also: Wenn das eine Abstimmung mit den Füßen ist, bin ich mit dem Ergebnis zufrieden.
Mit großer Begeisterung habe ich zu Beginn meine neueste Errungenschaft geteilt: Eine Klangdusche mit einem ganz wunderbaren Klangspiel, das ich mir zum Geburtstag geschenkt habe. Dabei hatte ich die Fantasie, dass es die Leute ganz doof finden, dass ich da auf dem Stuhl sitze und „pling-plang“ mache.
Und dann sind wir ins Arbeiten gekommen. Es stellte sich heraus, dass die Teilnehmer Säcke voller Anliegen dabei hatten: Ein super-anstrengendes Wochenende mit den Kindern, Stress mit den Behörden, Verliebung als Strategie oder Bedürfnis, plötzlicher Verlust der Giraffenohren… Beim Zuhören dachte ich, „Oh, Shit, wie sollst du diese ganzen dicken Anliegen denn unter einen Hut kriegen – in zwei Stunden…?“

Wir haben mit den großen Bedürfniskarten gespielt. Die Teilnehmer haben ihren Bedürfnissen nachgespürt, sie sortiert, gewichtet. Und dann haben sie sich gegenseitig ihre unerfüllten Bedürfnisse benannt und zum Teil nach Strategien gesucht, um sie zu erfüllen. Ich hatte zwischendurch immer den Gedanken, ich müsse doch jetzt irgendetwas Schlaues tun. Aber mir fiel nichts „Schlaues“ ein, und so begnügte ich mich damit, diesem Impuls nachzuspüren. Beitragen war eines der dringendsten Bedürfnisse. Es kamen Impulse, Dinge in Ordnung bringen zu wollen oder mithilfe einer Geschichte Fingerzeige zu geben, was man denn jetzt tun könnte. Mein innerer Gut-Achter war der Ansicht, als TvD (Trainer vom Dienst) müsse ich irgendwelche genialen Wendungen finden, damit die Probleme aller Leute im Handumdrehen gelöst seien. In solchen Aufwallungen habe ich versucht, mir kurz Einfühlung zu geben, um dann wieder für die Teilnehmer präsent zu sein. Meist ist das auch gut gelungen.
Nach zwei Stunden kam es einigermaßen organisch zum Ende. Und zu meinem Erstaunen hörte ich von mehreren, wie hilfreich und bereichernd sie den Übungsabend erlebt haben. „So tiefe Arbeiten“ seien das gewesen, es wurde „mehr Klarheit“ und „Verstehen“ gefeiert und auch die eine oder andere entdeckte Strategie noch mal benannt. Für eine Giraffen-Hotline wurden Telefonnummern ausgetauscht. Und nach dem Abschluss kamen drei Menschen und fragten, wo man das Klangspiel kaufen kann, das ihnen so gut gefallen hätte…
Das, was in meinem Kopf an Warnungen gesendet wurde, hatte anscheinend nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Die Teilnehmer äußerten Zufriedenheit, das Klangspiel hatte ihnen gefallen, was will man mehr? Nach wie vor ist es für mich eine anspruchsvolle spirituelle Übung, mich selbst wahrzunehmen und mich zu erinnern, dass mein Wert als Mensch inhärent ist, von der Höheren Macht als Geburtsrecht geschenkt. Und dann ist das Gefühl nicht mehr Unsicherheit, Angst und Scham, sondern Leichtigkeit, Freude und Kraft.

So long!

Ysabelle

Gelbe Warnlampe

Hallo, Welt!
Am Wochenende ist auch Bügel-Zeit. Dank einer grandiosen Bügelstation ging mir der Stapel mit vier Hosen und dutzenden Shirts flott von der Hand. Ich genieße es, beim Bügeln DVD’s von Marshall zu gucken. Aktuell habe ich einen Workshop in Arbeit, in dem es um GfK und Kinder geht. Also, im Grunde ist das nur ein Titel, der Inhalt des Videos hat nicht so richtig viel mit Kindern zu tun. Aber es gibt eine tolle Passage, in der Marshall einer Mutter demonstriert, was es mit Empathie auf sich hat. Überhaupt geht es viel um Empathie. Marshall gibt auch für alle eine Übungssituation vor: Stell dir vor, du isst mit jemandem zum Mittag, der erst vor kurzer Zeit nach Deutschland eingewandert ist. Und er sagt: Ich begreife nicht, wie ihr jemanden wie Tony Blair zum Premierminister wählen konntet!
Nun gebe dieser Person Einfühlung.

Schon lustig, was da im ersten Anlauf als „Empathie“ formuliert wird. Ich vergesse zwischendurch immer wieder, wie schwierig Empathie gerade für Newcomer ist… Einige Teilnehmer bieten prompt als erstes an, dass Blair nicht deutscher Preminierminister sei, sondern englischer. Hier mahnt Marshall: „First (give) empathy, then correction“, das von mir so geschätzte „Erst Einfühlung, dann Belehrung!“. Mehr Wohlwollen von Marshall fand jemand, der fragte: Bist du besorgt, weil Blair nicht genug für deine Sicherheit tut? Aber der Meister wies dann darauf hin, dass das eine fiese Falle ist, in die Babygiraffen nur zu leicht tappen. Bist du frustriert, weil ich…? Oh, nein! Ich bin frustriert, weil mein Bedürfnis nach XY nicht erfüllt ist! Ein weiteres Angebot bezog sich nur auf Gefühle. Bist du ärgerlich? Und Marshall erläutert: Verbinde immer das Gefühl mit dem Bedürfnis! Sonst ist es wie beim gelben Licht auf dem Armaturenbrett im Auto. Dann kannst du auch mit dem Wagen reden: Bist du in Not? Kann es sein, dass dir was fehlt? Ja! sagt das Auto. Sieh doch die gelbe Warnlampe! Aber erst wenn wir fragen, brauchst du Benzin?, dann kommt die Erlösung. Ja, genau das ist es, was mir fehlt! Und dann kann aus der Empathie etwas Heilsames erwachsen. In diesem Fall vermutlich ein Besuch bei einer Tankstelle…

So long!

Ysabelle

Und immer wieder: Verbindung…

Hallo, Welt!
Vor ein paar Wochen hatte ich einige Leute gebeten, ob ich mich ihrer Übungsgruppe anschließen dürfe. Just zu meinem Geburtstag kam die Absage. Man brauche einen geschützten Raum zum Üben und Lernen, ein erfahrener GfK’ler störe da nur (frei übersetzt).
Ich habe eine Woche gebraucht, um diese Mail lesen zu können und mich mit den wunderbaren Absichten hinter dieser Nachricht zu verbinden. Ich habe dann schwer darum zu ringen, nichts „falsch gemacht“ zu haben, oder, schlimmer noch, falsch zu sein. Und da grüßt sie schon wieder, die Scham! Es dauert jedenfalls immer ein bisschen, bis ich aus diesem Loch herausgekrabbelt bin. Die Absage wirkte auf mich wie eine Tür, die ins Schloss fällt, auch noch feste von innen zugehalten wird. Und beim Bebrüten der Nachricht ist mir klargeworden, dass nicht die Absage an sich am meisten schmerzt. Es kann ja viele gute Gründe geben, warum man in der bisherigen Konstellation weiter machen möchte. Was so schwierig ist, ist dass es keine Verbindung gibt. Heute erkläre ich den Satz:
„Wie geht es dir damit?“
für den wichtigsten in der deutschen Sprache. Denn er – aus dem Herzen gesprochen – besagt: Du bist mir wichtig. Deine Bedürfnisse sind mir nicht egal. Er versüßt das Nein, indem ein JA zur Verbindung bleibt. Beim Nachdenken über diese Zusammenhänge komme ich mit einer tiefen Traurigkeit in Kontakt. Wie sehr hat mir das in meinem Leben gefehlt, die Schleife vom „Was brauche ich UND was brauchst du? Wie geht es mir UND wie geht es dir?“ Wenn keine Verbindung besteht, spüre ich schnell eine tiefe Not, einen Schmerz, eine Verzweiflung, die mit Sicherheit ihren Ursprung nicht in 2012 hat sondern eher 1960. Und da war „kein Kontakt“ auch immer mit akuter Lebensgefahr verbunden. Meine schwer kranke Mutter war damals oft wie betäubt, nicht ansprechbar, und ich kann mich noch gut daran erinnern, wie angstbesetzt das war, wenn sie sich nicht bewegte, kein Lebenszeichen von sich gab.

Ich habe ein paar Freunde, die ich nur selten sehe oder spreche. Einer lebt nahe München. Manchmal hören wir ein halbes Jahr nichts voneinander. Aber ich habe keine Angst, dass unsere Beziehung darunter leidet. Sie ist gesetzt. Da hat es einmal ein Erlebnis gegeben, wo dieser Mann in einer Situation für mich da war, in der ich wahrscheinlich eher nicht ans Telefon gegangen wäre. Und wenn ich in den vergangenen zehn Jahren Angst um die Stabilität der Beziehung hatte, erinnerte ich mich an diese Situation und konnte mich wieder entspannen. Auch meinen Freund Helmuth sehe und höre ich nur alle Jubeljahre. Und gleichzeitig weiß ich: Wenn bei mir die Hütte brennt, ihn kann ich immer anrufen, mich zumuten. Erfreulicherweise geht es mir auch mit meiner Freundin Tabasco so. Gerade neulich habe ich sie überfallen: Kann ich Morgen Nacht bei dir schlafen? Hurra, das klappt! Und dann gibt es Menschen, die tauchen einfach unter, sind weg, so unerreichbar als lebten sie auf Beteigeuze. Selbst wenn ich sie anrufe, bekomme ich keinen Kontakt, selbst wenn sie auf eine SMS antworten, gibt es keine Verbindung. *kreisch* . Das macht was mit mir!
Bei Helmuth, Tabasco, Berliner Freunden und einigen anderen Menschen habe ich den Eindruck, die Tür zu ihnen ist immer auf, auch wenn wir nichts voneinander hören. Bei anderen habe ich den Eindruck, die Tür ist fest verrammelt. In meinem Gehirn rappelt es gerade: Was ist die Beobachtung dazu? Vielleicht, wenn Anfragen nicht oder nur einsilbig beantwortet werden. Wenn es auf der anderen Seite (gerade in diesem Moment) keine Offenheit gibt, aber eben auch keine Verbindung. Also: Wenn der andere nichts von sich preisgibt: Warum ist es gerade so mit mir? Ich will dir ermöglichen, das zu verstehen. Ich erlebe das als Bedrohung, und fast bin ich wieder das kleine Mädchen, das sagt, Mami, mach doch mal die Augen auf…
Heute ist es nicht einmal mehr meine Lieblingsstrategie, gerade von diesen „verschlossenen“ Menschen gesehen und gehört zu werden. Es ist eine erprobte Strategie, vermutlich ein verzweifelter Versuch, die Wunden der Kindheit zu heilen. Aber statt mich an Menschen abzuarbeiten, mit denen ich keine verlässliche Verbindung, keine offene Tür etablieren kann, habe ich heute die Wahl, mich dorthin zu wenden, wo es für mich immer einen Platz gibt. Es fällt mir nur an manchen Tagen so schwer, daran zu glauben…

So long!
Ysabelle

Kraut & Rüben (15)

Hallo, Welt!
Eben habe ich wieder mal etwas für Gesundheit und Wohlbefinden getan. Bitte nicht von der Beobachtung auf den Geschmack schließen. Der „Green Smoothie“ des heutigen Samstags besteht aus einer halben Salatgurke, je zwei Nektarinen, Äpfeln und Bananen und sechs sehr großen Wirsingkohl-Blättern. Ich vermisse die leichte Petersilien-Note der vergangenen Woche. Na, Morgen wieder…

Mein Laminiergerät hat sich verabschiedet. Das zweite innerhalb eines Jahres. Ich bin gefrustet. Statt glänzender Folien mit putzigen Bildern drin kommen Zieharmonikas raus, die Florian Silbereisen alle Ehre machen würden. Schade, dabei war ich grad so schön in Schwung, 60 Folien für ein neues Kennenlernspiel zu braten. Nachts um halb 2 trat dann das Gerät in Streik. Ich habe bei der Firma, bei der ich gekauft habe, angefragt, ob sie einen Tipp für mich haben, oder bereit wären, das Gerät zurückzunehmen, aber leider hat noch keiner geantwortet. Nun gut. Ich kann meinen Blick auf den Mangel richten (Laminiergerät kaputt), oder auf den Reichtum. Heute also ein verschärfter Blick auf all den Reichtum, der in dieser Woche zu mir gekommen ist.

Mittwoch wurden die Geburtstagsgeschenke meiner Eltern geliefert. Ein unglaublicher Profi-Drucker sowie ein grandioser Laptop. Whow, ich springe hier hin und her und freue mich! Donnerstag habe ich dann erstmals Seminar-Handouts doppelseitig bedruckt, gelocht und beringt, so dass ich nun zunächst über 12 Handouts verfüge. Das hat mich allein 2 Stunden gekostet, denn dieses Doppelseitige auf vorgedrucktem Briefpapier brachte einiges an Versuch und Irrtum mit sich. Gleichzeitig ist mir klargeworden, dass ich in den kommenden Monaten noch hunderte Dokumente konvertieren muss von Indesign auf PDF. Sonst sind sie für mich verloren. Wie hieß der Typ, der immer einen Stein einen Berg hinaufrollen musste? Sisyphos.

„Und weiter sah ich den Sisyphos in gewaltigen Schmerzen: wie er mit beiden Armen einen Felsblock, einen ungeheuren, fortschaffen wollte. Ja, und mit Händen und Füßen stemmend, stieß er den Block hinauf auf einen Hügel. Doch wenn er ihn über die Kuppe werfen wollte, so drehte ihn das Übergewicht zurück: von neuem rollte dann der Block, der schamlose, ins Feld hinunter. Er aber stieß ihn immer wieder zurück, sich anspannend, und es rann der Schweiß ihm von den Gliedern, und der Staub erhob sich über sein Haupt hinaus.“
– Homer: Odyssee 11. Gesang, 593–600. Übersetzung Wolfgang Schadewaldt

Irgendwie nimmt die Arbeit nie ein Ende.
Meine Aufzeichnungen bezüglich meiner Work-Life-Balance erfüllen mein Herz nicht mit Freude. Ich werde mit allerlei Glaubenssätzen in Bezug auf die Arbeit konfrontiert. Arbeiten, die ich früher nach der Arbeit gemacht habe, zählen nicht als Arbeit. Wa? Also: Waschen, Bügeln, Kochen, Putzen – das ist alles keine Arbeit, weil ich das ja früher nach oder vor oder neben der Arbeit gemacht habe, oder zusätzlich zur Arbeit. Hm. Wie sagt meine Freundin Byron Katie? Ist das wirklich wahr?
Nein, ist es nicht. Fühlt sich aber so an. Also: Das Gefühl ist Scham. Ach… da ist sie ja wieder…

Mittlerweile nimmt auch das Thema „Mediation“ in meiner Aufmerksamkeit einen größeren Raum ein. Zum einen bat mich eine Kollegin, die schon seit zehn Jahren mediiert, um eine Intervision (eigentlich wollte sie Supervision, aber darin fühle ich mich nicht fit. Ja…. ich weiß… kein Gefühl. Gefühl ist unsicher, besorgt, zögerlich). Es könnte sein, dass sich aus dieser Angelegenheit ein Auftrag für ein Kommunikationstraining in einer Firma ergibt. Zum anderen bin ich angefragt, in einer Familiensache zu mediiieren. das klingt spannend für mich.

Dankbar bin ich heute vor allem für die Unterstützung, die ich durch meine Eltern erfahren durfte. Dankbar bin ich auch für eine Rückmeldung, die ich gestern in einem Telefonat bekam. Eine GfK-Freundin hatte eigentlich „nur“ Kontakt halten wollen, und daraus wurde ganz unvermutet eine Anliegen-Arbeit am Telefon. Das Ergebnis war für die Freundin so beglückend, dass sie sich anschließend ganz erfrischt, belebt und gestärkt wahrnahm. „Eigentlich brauche ich gar keinen Urlaub mehr…“. Das sind doch wunderbare Worte, oder? Dankbar bin ich auch für mein schönes Zuhause und für die Gesichtsmassage, die mir gestern zuteil wurde. Nach wie vor ist es schwer für mich, mir schöne Dinge zu gönnen oder sie zuzulassen. Seit einem halben Jahr liegt ein Verwöhngutschein für ein Hamburger Kosmetikhaus in meiner Schublade. Es gab noch nicht mal den Gedanken, ihn einzulösen…
Ich bin meiner Partnerin in der Übungsgruppe dankbar, dass sie mich heute formvollendet davon entbunden hat, zu ihrer Feier zu kommen. Ich nehme mich dermaßen unter Druck wahr, dass ich wahrscheinlich nur mit Bauchschmerzen dort gesessen hätte. Ich bin Christel und meinem Freund Helmuth dankbar, die den Eindruck hatten, ich bräuchte Unterstützung, und die mich einfach angerufen haben. Wie bereichernd! Das erfüllt meine Bedürfnisse nach Gesehen und Gehört werden, nach Empathie, Gemeinschaft und Vertrauen. Ich bin auch dankbar dafür, dass ich ab Montag wieder in Heide zum Einsatz komme. Zwei Wochen Giraffenohren-Urlaubsvertretung – ich freu mich!
So sieht’s aus. Und was ist bei Euch los?

So long!
Ysabelle

Was Frauen sollten und müssten

Hallo, Welt!
Heute Morgen stieß ich auf einen Artikel in der TAZ, den ich zum Lesen empfehlen möchte. Er stammt von Margarete Stokowski und macht mir noch einmal deutlich, warum ich 25 Jahre die EMMA abonniert hatte und nicht etwa „Tina“.


FRAUENMAGAZINE UND SEXISMUS
Faschismus auf Hochglanzpapier

Frauenmagazine beraten nicht – sie entmündigen. Zeitschriften wie „Glamour“ oder „Jolie“ sind voll von hinterhältig penetranten, menschenverachtenden Tipps.
VON MARGARETE STOKOWSKI

Jemand, der eine Frau anspricht, weil ihre Fußnägel nicht lackiert sind, der ihr sagt, ihr Körper sei eine Sünde, der ist vielleicht krank oder paranoid. Diese Krankheit, auf Hochglanzpapier gedruckt und mit vielen bunten Bildern versehen – das ist der Inhalt von deutschen Frauenzeitschriften im Jahr 2012.

Dass die Fotos in solchen Magazinen digital bearbeitet sind und unrealistische Schönheitsideale verbreiten, ist inzwischen ins kollektive Bewusstsein übergegangen. Und ja, deutsche Frauenzeitschriften zeigen fast nur europäische, weiße, dünne Frauen mit langen Haaren. Geschenkt, das ist keine Entdeckung.

Dass aber auch in den Texten der Frauenzeitschriften mit hinterhältiger Penetranz menschenfeindliche, letztlich faschistische Botschaften verkauft werden, wird kaum thematisiert – und wenn, dann eher belächelt. Es gebe schließlich Wichtigeres als Fußnägel, Wimpern und Cellulite. Für Frauen, die sich als emanzipiert verstehen, sind Glamour, Joy oder Jolie höchstens lockere Unterhaltung. Oder irrelevant, vor allem wenn die Frauen nicht heterosexuell sind.
Demütigende Botschaften

Irrelevant kann es aber nicht sein, wenn sich Millionen von Frauen kontinuierlich erklären lassen, dass sie hässlich, fett und eklig sind. Natürlich behaupten die meisten Frauenmagazine nicht, „feministisch“ zu sein. Dafür gibt es die Emma oder das Missy Magazine. Aber: Emma und Missy Magazine haben eine Auflage von rund 70.000 beziehungsweise 20.000 Exemplaren und erscheinen vierteljährlich. Glamour, InStyle, Joy, Jolie und Cosmopolitanverkaufen von jeder Ausgabe 300.000 bis 500.000 Exemplare – monatlich.

Das Perfide ist, dass diese Magazine ihren Leserinnen ein erfolgreicheres, erotischeres, selbstbewussteres Leben versprechen und dabei demütigende und gewalttätige Botschaften enthalten. Das Magazin Jolie wirbt mit dem Spruch „Alles, was das Leben schöner macht“, und trägt den Untertitel „The beautiful life guide“.

In der Juni-Ausgabe findet sich ein „Blowjob-Guide“, der Fragen zu Oralsex beantwortet: Muss eine Frau stöhnen, wenn sie einem Mann einen bläst, auch wenn sie es nicht so toll findet? Muss sie auch die Hoden lecken? Was soll sie tun, wenn sie beim Blasen einen Würgereiz kriegt? Die Antwort ist nicht: „Lassen Sie es, Sie müssen das nicht machen.“ Sondern: „Üben, üben, üben!“ Der Tipp kommt von einer Julia, die in einem „Edelbordell“ arbeitet. Und „Pornostar“ Mia Magma erklärt: „Viele Männer stehen darauf, wenn es einem die Tränen in die Augen treibt.“

Was ist da los? Warum sollte eine Frau, die privat und zum Spaß Sex hat, gegen ihren Willen handeln? Dass Prostituierte und Pornodarstellerinnen so etwas tun, ist das eine. Aber es ist absurd, anderen Frauen zu sagen, sie sollten sich überwinden, weil „er“ ja drauf steht. Egal ob sie es ekelhaft finden. Wobei: Laut Jolie ist das gar kein Sex. Denn wenn eine Frau wirklich nicht blasen möchte und sich tatsächlich weigert, dann ist die Lösung: „Sex! Den gibt’s ja auch noch.“ Ach. Was ist Oralsex, wenn es kein Sex ist? Wenn nur vaginaler Geschlechtsverkehr Sex ist, haben dann Lesben und Schwule gar keinen Sex?

Aber Homosexuelle sind für Jolie sowieso komisch. Zum Thema Kleidung, die man an seinem Partner nicht mag, gibt das Magazin folgenden Ratschlag. Die Frau soll sagen: „Was für ein Zufall. Genau die gleiche Hose hatte unser neuer, schwuler Nachbar gestern Nachmittag auch an!“ Einige Seiten weiter erläutert ein Kolumnist, „warum sich Männer nicht küssen (sollten)“. Begründung: weil es eklig ist.

Dasselbe Heft erklärt unter dem Titel „Was uns erschreckt“, dass ein Viertel der deutschen Frauen mit unrasierten Beinen und unlackierten Fußnägeln herumläuft. „Derlei Beautysünden“ würde der Frühling aber aufdecken. Den Körper eines Menschen im natürlichen Zustand als „sündig“ zu bezeichnen – das kennt man sonst nur von religiösen FundamentalistInnen oder traumatisierten Menschen, die ihren eigenen Körper verabscheuen.
Führer über Führer

Es ist kein Zufall, dass in Frauenzeitschriften die Wörter „sollen“ oder „müssen“ häufig auftauchen und sich in nahezu jeder Ausgabe ein „Guide“ findet – ein Führer (fairerweise sei gesagt, dass es im Englischen die Wörter „leader“ und „guide“ gibt, wobei der „leader“ eher der persönliche Führer ist und „guide“ auch eine Orientierungshilfe sein kann). Die Jolie mit dem Blowjob-Guide enthält zusätzlich einen Festival-Guide, die Juli-Ausgabe derCosmopolitan bietet einen Safe-Sun-Guide, das Joy-Heft für August einen Holiday-Guide.

Führer über Führer. Dieser Führerkult müsste in Deutschland einen üblen Beigeschmack haben. Aber auch sonst: Die ständigen Tipps, Tricks und Ratschläge suggerieren, dass die Frauen Hilfe nötig haben. Beratung ist eine tolle Sache. Wenn man sie aber nicht braucht, ist es Bevormundung.

Aber kann es sein, dass die Millionen von Frauen, die diese Magazine lesen, völlig fertig und hässlich durch die Welt irren und dankbar lächeln, wenn man ihnen erklärt, wie das denn geht mit dem Leben und so? Was ist dran an den Magazinen, dass sie so erfolgreich sind?

Die Titelseiten geben einen Hinweis. Die Joy erklärt „33 Dinge, die Sie in den Ferien unbedingt ausprobieren sollten“, und „Die 5 Säulen der Beziehung – und wo Sie ansetzen sollten!“. Das Juli/August-Heft von Women’s Health sagt: „Was Sie jetzt über die Pille wissen müssen“ und „Last Minute zum Strandbauch – mit diesen 8 Übungen schaffen Sie’s noch“.

Der einfache Trick ist, die Leserin auf ein Problem hinzuweisen, das sie womöglich hat, und zu erklären, wie sie es – in 5, 8 oder 33 Schritten – lösen kann. Die billigste Variante kapitalistischer Produktanpreisung. Allerdings mit einem speziellen Dreh: Hier fehlt nicht einfach etwas im Regal oder Kleiderschrank, hier wird die Leserin selbst für unzulänglich erklärt.
„Wir, die Frauen“

Genauso simpel ist das allgegenwärtige „Wir“ in den Zeitschriften, ein rhetorisches Mittel, das Boulevardmedien und KindergärtnerInnen gern nutzen. „Wir machen das so“ heißt: Wer es nicht so macht, gehört nicht dazu. „Wir“ stellt Gemeinschaft her. „Was wir durch Lästern lernen“, erklärt Joy. Women’s Health freut sich: „Viele Männer sind in ihrem Denken und Handeln einfach gestrickt – und genau das lieben wir an ihnen.“

Ein Kollektiv zu konstruieren („wir, die Frauen“), das einem anderen gegenübersteht („sie, die Männer“), die Mitglieder dieses Kollektivs für unmündig und unzulänglich zu erklären und Lösungen für ihre vermeintlichen Probleme anzubieten – das alles sind Elemente faschistischer Ideologie. Neu an dieser Art von Führerkult ist die zusätzliche Verknüpfung mit kapitalistischer Verkaufslogik.

Faschismusvorwürfe haben freilich eine gewisse Tradition im Feuilleton. Die Ehe und die Kleinfamilie, Facebook und Google, Fleischesser und Fußballfans: alle sind mal dran. Frauenzeitschriften waren von dieser Kritik bisher ausgenommen – unberechtigterweise.

Liebe Freunde, bei Gelegenheit kauft doch mal wieder eine TAZ! Wo sonst erscheinen solche Artikel?

So long!

Ysabelle

Ein Rucksack voller Steine

Hallo, Welt!
Gerade hatte ich ein wunderbares Gespräch mit einer Bremer GfK-Freundin, und gestern Abend spät erreichte mich eine Antwort-Mail von Gabriel. Beides löst wunderbar wohlige Gefühle aus: Gesehen werden (ohne beurteilt zu sein), Wertschätzung, Verbindung, eine himmlische Leichtigkeit, Gemeinschaft, Unterstützung, aufgehoben sein… Dabei nehme ich mich selbst im Augenblick eher schwer wahr, als sei ich mit einem Rucksack voller Steine unterwegs.

Ich bin wieder bei der Matrix.

Heute geht es ums Thema:
Präsenz; in der Gegenwart sein
aufmerksam sein für das, was im Augenblick passiert. Nicht in Gedanken verloren oder in emotionalen Reaktionen

Ungelernt
Kein Wissen über die Fähigkeit.
Unbewusst Inkompetent
Unbewusst verloren in der Vergangenheit oder in der Zukunft; Identifikation mit Denken und Handeln

Erwacht
Die Fähigkeit wird bewusst wahrgenommen.
Bewusst inkompetent
Kenntnis über die Unterscheidung zwischen wachsam erkennen was eigentlich passiert und in Gedanken verloren sein.

Kompetent
Die Fähigkeit kann mit bewusstem Bemühen angewendet werden. Bewusst kompetent.
In der Lage, Gedanken und Gefühle zu erkennen und darauf einzugehen, bewusst zu antworten, statt zu reagieren,
zur Aufmerksamkeit zurückzukehren, wenn Gedankenverlorenheit bewusst wird.

Integriert
Natürliche Anwendung der Fähigkeit, mit Leichtigkeit und im Fluss. Unbewusst kompetent.
Entspannte Wachheit in Bezug auf das, was in jedem Moment geschieht, mit einem tiefen Sinn
für Absicht und Wahlfreiheit. Ofenheit dem gegenüber, was jetzt ist, mit Einfallsreichtum, Interdependenz
und einer Perspektive von Vergangenheit und Zukunft.

Ich habe ewig gebraucht, um einen Ankündigungstext für ein Seminar und für einen Vortrag zu schreiben. Mein Gehirn war wie leer, auftauchende Formulierungen wurden als unzureichend verworfen. Hier zu Hause ist es gerade ziemlich unordentlich und alles staubt von Katzenhaaren. Ich habe bestimmte Vorstellungen, wie viel ich gerade leisten sollte, und bin von dieser Messlatte weit entfernt. Ich bin in Sorge, wovon ich im kommenden Jahr leben soll, mir fehlt Orientierung und Klarheit. Das fühlt sich so schwer an, als wäre ich mit besagtem Rucksack voller Steine unterwegs. Im Hier und Jetzt ist alles gut. Ich habe ein paar leckere Sachen zu essen im Kühlschrank, wenn mich die fliegenden Katzenhaare stören, nehme ich einen Wischlappen und zisch hier einmal durchs Arbeitszimmer. Die Sonne scheint tatsächlich. Ich habe Wärme und Unterstützung tanken dürfen. An verschiedenen Baustellen habe ich in den vergangenen Jahren höchst erfolgreich gearbeitet und möchte darauf vertrauen, dass es mir auch im kommenden Jahr, unter veränderten Umständen gelingt. Aber wie bei einer nagelneuen Teflonpfanne bleiben die Erkenntnisse nicht haften. Sie glitschen mir davon und ich nehme mich immer wieder mit leeren Händen wahr.

Meine Freundin in Bremen hörte mir aufmerksam zu, als ich davon sprach, wie ich an die Vorbereitung des geplanten Vortrags gehe. Sie hat selbst superviel Erfahrungen damit, eine Rede zu halten. Als ich ihr von meinem geplanten Einstieg berichtete, warnte sie mich: Eventuell sei ein interaktiver Start nicht das, was die Zuhörer anfangs in den Bann zöge. Vielleicht wollten sie erst Input? im Verlauf des Gesprächs stellte sich heraus, dass sie selbst vor einiger Zeit eine Präsentation vorbereitet hatte, die in der Mitte einen interaktiven Part hatte. Am entscheidenden Tag stand sie verzweifelt im Stau und kam zu spät zu ihrem eigenen Vortrag. Kurzentschlossen liess sie die Einleitung weg und begann gleich mit dem interaktiven Part. Ihrem Eindruck nach holte das die Zuhörer nicht dort ab, wo sie gerade waren… Aber: es hatte keine Rückmeldungen gegeben. Ihre Besorgnis begründete sich also nur auf die eigenen Qualitätsanforderungen. ich habe etwas weggelassen, also können die Teilnehmer das Geschenk nicht vollständig genießen…

Das erlebe ich bei mir auch. Ich habe eine Fantasie, wie etwas wird oder wie etwas ankommt, und dann reite ich dieses Pferd. Und dabei merke ich oft gar nicht, dass es sich bei dieser Fantasie einfach um Steine in meinem Rucksack handelt, Einschätzungen, Urteile, die mir das Leben schwer machen.

Ich möchte also mit Leichtigkeit ins Tun kommen. Den Rucksack abschnallen, in die Ecke stellen. Wer braucht schon einen Haufen Steine, es sei denn, man wolle eine Terrasse pflastern… Ach, dazu gibt es ein Lied von Iria, der Liedermacherin aus dem Allgäu: Es gilt doch immer wieder, nach vorne zu schauen. Aus den Steinen, die dir im Wege gelegen, neue Straßen zu bauen. Unter dem Link verbirgt sich eine Hörprobe.

So long!

Ysabelle

Der Wunschring

Hallo, Welt!

Anna-Maria lenkte meine Aufmerksamkeit auf dieses Märchen. Und irgendwie passt es in diesen Tagen zu meiner Lebenssituation.
Vielleicht habt Ihr auch Freude daran.

So long!

Ysabelle

Richard von Volkmann-Leander
Der Wunschring
Ein junger Bauer, mit dem es in der Wirtschaft nicht recht vorwärtsgehen wollte, saß auf seinem Pfluge und ruhte einen Augenblick aus, um sich den Schweiß vom Angesichte zu wischen. Da kam eine alte Hexe vorbeigeschlichen und rief ihm zu: „Was plagst du dich und bringst’s doch zu nichts? Geh zwei Tage lang geradeaus, bis du an eine große Tanne kommst, die frei im Walde steht und alle anderen Bäume überragt. Wenn du sie umschlägst, ist dein Glück gemacht.“

Der Bauer ließ sich das nicht zweimal sagen, nahm sein Beil und machte sich auf den Weg. Nach zwei Tagen fand er die Tanne. Er ging sofort daran, sie zu fällen, und in dem Augenblicke, wo sie umstürzte und mit Gewalt auf den Boden schlug, fiel aus ihrem höchsten Wipfel ein Nest mit zwei Eiern heraus. Die Eier rollten auf den Boden und zerbrachen, und wie sie zerbrachen, kam aus dem einen Ei ein junger Adler heraus, und aus dem anderen fiel ein kleiner goldener Ring. Der Adler wuchs zusehends, bis er wohl halbe Manneshöhe hatte, schüttelte seine Flügel, als wollte er sie probieren, erhob sich etwas über die Erde und rief dann:

„Du hast mich erlöst! Nimm zum Dank den Ring, der in dem anderen Ei gewesen ist! Es ist ein Wunschring. Wen du ihn am Finger umdrehst und dabei einen Wunsch aussprichst, wird er alsbald in Erfüllung gehen. Aber es ist nur ein einziger Wunsch im Ring. Ist der getan, so hat der Ring alle weitere Kraft verloren und ist nur wie ein gewöhnlicher Ring. Darum überlege dir wohl, was du dir wünschst, auf daß es dich nicht nachher gereue.“

Darauf hob sich der Adler hoch in die Luft, schwebte lange noch in großen Kreisen über dem Haupte des Bauern und schoß dan wie ein Pfeil nach Morgen.

Der Bauer nahm den Ring, steckte ihn an den Finger und begab sich auf den Heimweg. Als es Abend war, langte er in einer Stadt an; da stand der Goldschmied im Laden und hatte viele köstliche Ringe feil. Da zeigte ihm der Bauer seinen Ring und fragte ihn, was er wohl wert wäre. „Einen Pappenstiel!“ versetzte der Goldschmied. Da lachte der Bauer laut auf und erzählte ihm, daß es ein Wunschring sei und mehr wert als alle Ringe zusammen, die jener feilhielte. Doch der Goldschmied war ein falscher, ränkevoller Mann. Er lud den Bauer ein, über Nacht bei ihm zu bleiben, und sagte: „Einen Mann, wie dich, mit solchem Kleinode zu beherbergen, bringt Glück; bleibe bei mir!“ Er bewirtete ihn aufs schönste mit Wein und glatten Worten, und als er nachts schlief, zog er ihm unbemerkt den Ring vom Finger und steckte ihm statt dessen einen ganz gleichen, gewöhnlichen Ring an.

Am nächsten Morgen konnte es der Goldschmied kaum erwarten, daß der Bauer aufbräche. Er weckte ihn schon in der frühesten Morgenstunde und sprach: „Du hast noch einen weiten Weg vor dir. Es ist besser, wenn du dich früh aufmachst.“

Sobald der Bauer fort war, ging er eiligst in seine Stube, schloß die Läden, damit niemand etwas sähe, riegelte dann auch noch die Tür hinter sich zu, stellte sich mitten in die Stube, drehte den Ring um und rief: „Ich will gleich hunderttausend Taler haben.“

Kaum hatte er dies gesprochen, so fing es an, Taler zu regnen, harte, blanke Taler, als wenn es mit Mulden gösse, und die Taler schlugen ihm auf den Kopf, Schultern und Arme. Er fing an, kläglich zu schreien, und wollte zur Türe springen, doch ehe er sie erreichen und aufriegeln konnte, stürzte er, am ganzen Leibe blutend, zu Boden. Aber das Talerregnen nahm kein Ende, und bald brach von der Lat die Diele zusammen, und der Goldschmied mitsamt dem Gelde stürzte in den tiefen Keller. Darauf regnete es immer weiter, bis die hunderttausend voll waren, und zuletzt lag der Goldschmied tot im Keller und auf ihm das viele Geld. Von dem Lärm kamen die Nachbarn herbeigeeilt, und als sie den Goldschmied tot unter dem Gelde liegen fanden, sprachen sie: „Es ist doch ein großes Unglück, wenn der Segen so knüppeldick kommt.“ Darauf kamen auch die Erben und teilten.

Unterdes ging der Bauer vergnügt nach Hause und zeigte seiner Frau den Ring. „Nun kann es uns gar nicht fehlen, liebe Frau“, sagte er. „Unser Glück ist gemacht. Wir wollen uns nur recht überlegen, was wir uns wünschen wollen.“

Doch die Frau wußte gleich guten Rat. „Was meinst du“, sagte sie, „wenn wir uns noch etwas Acker wünschten? Wir haben gar so wenig. Da reicht so ein Zwickel gerade zwischen unsere Äcker hinein; den wollen wir uns wünschen.“

„Das wäre der Mühe wert“, erwiderte der Mann. „Wenn wir ein Jahr lang tüchtig arbeiten und etwas Glück haben, könnten wir ihn uns vielleicht kaufen.“ Darauf arbeiteten Mann und Frau ein Jahr lang mit aller Anstrengung, und bei der Ernte hatte es noch nie so geschüttet wie dieses Mal, so daß sie den Zwickel kaufen konnten und noch ein Stück Geld übrigblieb. „Siehst du!“ sagte der Mann, „wir haben den Zwickel, und der Wunsch ist immer noch frei.“

Da meinte die Frau, es wäre wohl gut, wenn sie sich noch eine Kuh wünschten und ein Pferd dazu. „Frau“, entgegnete abermals der Mann, indem er mit dem übriggebliebenen Gelde in der Hosentasche klapperte, „was wollen wir wegen solch einer Lumperei unsern Wunsch vergeben. Die Kuh und das Pferd kriegen wir auch so.“

Und richtig, nach abermals einem Jahr waren die Kuh und das Pferd reichliche verdient. Da rieb sich der Mann vergnügt die Hände und sagte: „Wieder ein Jahr den Wunsch gespart und doch alles bekommen, was man sich wünschte. Was wir für ein Glück haben!“ Doch die Frau redete ihrem Manne ernsthaft zu, endlich einmal an den Wunsch zu gehen.

„Ich kenne dich gar nicht wieder“, versetzte sie ärgerlich. „Früher hast du immer geklagt und gebarmt und dir alles mögliche gewünscht, und jetzt, wo du’s haben kannst, wie du’s willst, plagst und schindest du dich, bist mit allem zufrieden und läßt die schönsten Jahre vergehen. König, Kaiser, Graf, ein großer, dicker Bauer könntest du sein, alle Truhen voll Geld haben – und kannst dich nicht entschließen, was du wählen willst.“

„Laß doch dein ewiges Drängen und Treiben“, erwiderte der Bauer. „Wir sind beide noch jung, und das Leben ist lang. Ein Wunsch ist nur in dem Ringe, und der ist bald vertan. Wer weiß, was uns noch einmal zustößt, wo wir den Ring brauchen. Fehlt es uns denn an etwas? Sind wir nicht, seit wir den Ring haben, schon so heraufgekommen, daß sich alle Welt wundert? Also sei verständig. Du kannst dir ja mittlerweile immer überlegen, was wir uns wünschen könnten.“

Damit hatte die Sache vorläufig ein Ende. Und es war wirklich so, als wenn mit dem Ringe der volle Segen ins Haus gekommen wäre, denn Scheuern und Kammern wurden von Jahr zu Jahr voller und voller, und nach einer längeren Reihe von Jahren war aus dem kleinen, armen Bauer ein großer, dicker Bauer geworden, der den Tag über mit den Knechten schaffte und arbeitete, als wollte er die ganze Welt verdienen, nach dem Vesper aber behäbig und zufrieden vor der Haustüre saß und sich von den Leuten guten Abend wünschen ließ.

So verging Jahr um Jahr. Dann und wann, wenn sie ganz allein waren und niemand es hörte, erinnerte zwar die Frau ihren Mann immer noch an den Ring und machte ihm allerhand Vorschläge. Da er aber jedesmal erwiderte, es habe noch vollauf Zeit, und das Beste falle einem stets zuletzt ein, so tat sie es immer seltener, und zuletzt kam es kaum noch vor, daß auch nur von dem Ring gesprochen wurde. Zwar der Bauer selbst drehte den Ring täglich wohl zwanzigmal am Finger um und besah ihn sich, aber er hütete sich, einen Wunsch dabei auszusprechen.

Und dreißig und vierzig Jahre vergingen, und der Bauer und seine Frau waren alt und schneeweiß geworden, der Wunsch aber war immer noch nicht getan. Da erwies ihnen Gott eine Gnade und ließ sie beide in einer Nacht selig sterben.

Kinder und Kindeskinder standen um ihre beiden Särge und weinten, und als eines von ihnen den Ring abziehen und aufheben wollte, sagte der älteste Sohn:

„Laß den Vater seinen Ring mit ins Grab nehmen. Er hat sein Lebtag seine Heimlichkeit mit ihm gehabt. Es ist wohl ein liebes Andenken. Und die Mutter besah sich den Ring auch so oft; am Ende hat sie ihn dem Vater in ihren jungen Tagen geschenkt.“

So wurde denn der alte Bauer mit dem Ringe begraben, der ein Wunschring sein sollte und keiner war, und doch so viel Glück ins Haus gebracht hatte, als ein Mensch sich nur wünschen kann. Denn es ist eine eigene Sache mit dem, was richtig und was falsch ist; und schlecht Ding in guter Hand ist immer noch viel mehr wert als gut Ding in schlechter.

Wenn die wüssten…

Hallo, Welt!
Gestern Abend hatte ich ein nettes Skype-Gespräch. Na ja, das Gespräch war nett, Skype weniger. Ich habe das Update auf die neue Version raufgespielt und jetzt geht gar nichts mehr… Aber zum Glück konnten wir auf Facetime ausweichen.
Mein Gesprächspartner erzählte von einer Situation, in der er nicht erkannt hatte, welche Bedürfnisse bei seinem Gegenüber lebendig waren. Danach gab es ein intensives Intermezzo mit den Grauohren: „Und du willst GfK-Trainer sein, wenn du so wenig auf andere Leute eingehen kannst?“
Eine solche Begegnung mit einem Wolf hatte ich auch eben. Ich bummele heute in den Tag, denn meine Nacht war arg kurz. Ich entdeckte auf Arte in der Mediathek den Film „Jane Austen regrets“, und der hielt mich bis nachts um zwei im Bann. Prompt kommentierte mein innerer Erzieher bissig: Und du willst als freie Trainerin arbeiten, wenn du morgens den Arsch nicht hochkriegst? Wenn die Leute wüssten, dass du den ganzen Morgen nichts getan hast! Faul! Verantwortungslos!
Einen charmanten oder gar liebevollen Ton hat er nicht gerade am Leib.

Im Rahmen meines GfK-Lernprozesses habe ich verstanden, dass diese Erzieher/Stimmen nur mein Bestes wollen. Sie hatten einfach nur keine giraffische Sprecherziehung. Ich merke aber auch, dass diese Anteile Angst erzeugenden Druck und Beschämung einsetzen, um mich zu dem zu bewegen, was sie für mein Bestes halten.

Beschämung – damit meine ich: Durch diese fortlaufende Erziehung wird immer wieder Scham ausgelöst. Mit mir stimmt etwas nicht. Ich bin nicht gut genug. Die Stimmen setzen eigentlich nur das fort, was ich aus meiner Ursprungsfamilie kenne.

Mitte der 90er Jahre begann meine berufliche Karriere Fahrt aufzunehmen. Bei jeder Beförderungsstufe zitterte ich innerlich vor Angst. Irgendwann mussten die da oben doch mal merken, dass ich gar keine Ahnung hatte! Über mehrere Jahre dachte ich jedes Mal, wenn das Telefon klingelte und ich sah, dass mein Chef dran war: jetzt werde ich gekündigt, weil die gemerkt haben, dass ich gar nichts kann… Irgendwann bekam ich ein Zwischenzeugnis und der Kollege, der die Ergebnisse mit mir besprach, gab mir konkrete Rückmeldungen zu einzelnen Punkten und hatte auch für mich nachvollziehbare Beobachtungen. Danach konnte ich mich ein bisschen entspannen. Anscheinend hatte ich doch etwas auf dem Kasten, auch wenn meine Antreiber meinten, es sei nicht genug.

Also: Das Gegengift ist zum einen die Beobachtung.
Und zum zweiten hilft Einfühlung. Worum geht es dir gerade? Möchtest du darauf vertrauen können, dass ich mich selbsttätig und umfassend zeitnah um meine Angelegenheiten kümmere? Bist du in Sorge, dass mir wichtige Angelegenheiten oder Termine durch die Lappen gehen? Ja. Ja. Ja….

Ok. Heute bummeln wir gemeinsam in den Tag und hauen gleich einen Schlag rein (stammt dieses Bild von der Tätigkeit eines Holzfällers?). Dann brauchen wir keine Angst zu haben, dass irgendjemand urteilt, ich sei faul, verantwortungslos und unstrukturiert. Lang lebe Marshall Rosenberg!

So long!
Ysabelle

Kraut & Rüben (14)

Hallo, Welt!
Der aktuell beliebteste Beitrag in diesem Blog handelt von Pseudowahrnehmungen. Das jedenfalls findet ein hartnäckiger Spamer, der 30 mal am Tag versucht, bei diesem Beitrag einen Kommentar unterzubringen, mit dem er Zigaretten verkaufen will. Ich bin genervt! In der Vergangenheit gab es schon öfter solche Fans meiner Seite, die dann zu einem bestimmten Tag wieder und wieder einen Kommentar anboten. Wenn ich mir gar nicht mehr zu helfen wusste, habe ich das Posting kopiert, das alte gelöscht und aus der Kopie ein neues Posting mit einer anderen Blog-Kennziffer gemacht. Dann spammte der Absender sozusagen ins Leere. Aber diesmal gibt es einen Haufen Kommentare, die ich natürlich nicht löschen möchte. Also werde ich wohl so lange Spam-Mitteilungen löschen, bis es dem Absender langweilig wird. *seufz*.

Kraut & Rüben hat heute noch eine besondere Bedeutung. Ich habe vorhin meinen ersten „Green Smoothie“ fabriziert. Den Tipp bekam ich schon vor zwei Jahren von meinem geschiedenen Mann, aber nach einem Gespräch mit Meiner GfK-Freundin Petra habe ich mich sehr enthusiasmiert daran gemacht, einen zu mixen. Erfunden wurde das Zeug von Victoria Boutenko

Fit for Fun schreibt auf seiner Internet-Seite dazu:
Vom Affen abgeschaut
Victoria Boutenko ist quasi die „Mutter“ der grünen Smoothies. Um die Gesundheit ihrer kränkelnden Familie zu verbessern, stellte sie ihre Ernährung immer mehr auf Rohkost um. Doch obwohl es gesundheitlich bergauf ging, fehlte in der Ernährung grünes Blattgemüse – das mochten Mann und Kinder nicht. Victoria Boutenko beobachtete die Ernährungsgewohnheiten unserer nächsten Verwandten, der Schimpansen, welche vorwiegend von Blättern, Wildpflanzen und Früchten leben. Sie kam schließlich auf die Idee, diese Zutaten einfach zu Drinks zu mixen – der grüne Smoothie war geboren.

Warum grüne Blattgemüse?
Was sonst auf den Kompost wandert, kommt nun in den Mixer. Neben Salaten und Kohlsorten eignen sich nämlich die grünen Blätter beispielsweise von Möhren, Kohlrabi oder Roter Bete sehr gut für grüne Smoothies. Ihr Nährstoffgehalt ist meist höher als der der Knolle selbst und sie stecken voller gesunder sekundärer Pflanzenstoffe und Chlorophyll. Das ist das reinste Wundermittel, hält die Darmflora gesund, bildet Blut, wirkt entgiftend und desinfizierend und schützt sogar vor Krebs. Da das gründliche Mixen die Zellwände von Obst und Gemüse aufbricht, spart sich der Körper die anstrengende Verdauungsarbeit und kann die wertvollen Stoffe besonders gut aufnehmen.

Wie mixe ich grüne Smoothies?
Salatblätter, Mango und Banane im Mixer – ist das nicht gewöhnungsbedürftig? Anfangs ja, daher empfiehlt Victoria Boutenko mit 60 % reifem Bio-Obst und 40 % Grünkost zu starten und das Mischungsverhältnis langsam umzudrehen. Am besten beginnen Sie mit wenigen Zutaten und experimentieren dann, bis es schmeckt. Ein Smoothie besteht immer aus Wasser, Früchten und Blattgemüse und wird so lange gemischt, bis eine cremige Konsistenz erreicht ist. Achtung: Stärkehaltiges Gemüse (wie Kohlrabi, Möhren oder Kürbis) gehört nicht hinein, Sie nutzen davon nur das Blattgrün. Einen Smoothie können Sie morgens frisch zubereiten, im Kühlschrank aufbewahren und dann langsam über den Tag verteilt trinken.

Hier gibt es ein Video mit Übersetzung.

Also: Die grüne Pampe, die ich heute Morgen hatte, war lecker. Es trinkt sich aber sehr ungewohnt. Die Flüssigkeit ist ein bisschen körnig in der Konsistenz. Ich hatte einen Apfel, eine Banane, eine Karotte (nach manchen Quellen sollte man keine Karotte nehmen…), eine Nektarine, eine Handvoll Petersilie, eine Handvoll Eichblatt-Salat und eine Handvoll Römersalat gemixt. Um den Mixer zum laufen zu bringen, habe ich noch nen Schuss Mineralwasser dazu gegeben. Jetzt fühle ich mich wirklich satt, aber irgendwie – ungewohnt. Da war ja nichts zum Kauen…

Ich bin noch nicht ganz entschieden, ob das Zubereiten eines grünen Smoothie in die Kategorie „Work“ oder Life“ gehört. Mit Abwaschen dauerte die Zubereitung ungefähr 20 Minuten. Jedenfalls betrachte ich es als einen Akt der Selbstfürsorge, so einen Drink zu mischen. Ansonsten kocht auf dem Herd eine Putenoberkeule mit Vollkornreis und Möhren. Auch das wird nachher püriert. Katzendiät. Das neue Katzenfutter vom Tierarzt verursacht zumindest bei einem Kater Hautprobleme. Also kocht Mutti wieder. Es könnte ja sonst langweilig werden.

Gestern gab es ein unerwartetes Geschenk für mich. Ich bin noch immer vollkommen überrascht und weiß auch noch nicht, wie ich diese Gaben einordnen soll. Meine Eltern möchten meine Selbstständigkeit unterstützen und finanzieren für mich einen professionellen Laserdrucker und einen sensationellen Laptop. Damit ist meine Geschäftsausstattung ein halbes Jahr früher als erwartet nahezu abgeschlossen. Fehlt noch ein Beamer und ein Behältnis, in dem ich meine ganzen Unterrichts-Materialien transportieren kann. Zuletzt war ich mit diesen klappbaren Transport-Kisten unterwegs, aber das geht nur, wenn ich mit dem Auto fahre.
Also: Ich freue mich über Laptop und Drucker. ich bin gerührt. Meine Bedürfnisse nach Unterstützung, Gesehen werden und Liebe (Mist! War das jetzt ein Gefühl oder ein Bedürfnis?) wurden ganz unerwartet erfüllt. Ich bin dankbar. Das kann ich genau spüren. Ich bin erleichtert und dankbar. Und gleichzeitig nehme ich eine gewisse Irritation bei mir wahr. Ist es wirklich das, was ich brauche? Sicher könnte man auch mit einem einfachen Netbook klarkommen. Und nur weil mich mein aktueller Drucker zu Tode nervt, muss es ja vielleicht nicht gleich ein Profigerät mit neuer Lasertechnik, Scan- Kopier- und Faxfunktion sein. Oder eben vielleicht doch. ich habe ja den einen oder anderen Plan für die Zukunft. Vielleicht ist diese Entscheidung meiner Eltern ein Hinweis auf das, was auf diesem Schild steht. Das Foto lief mir neulich bei Facebook über den Weg, ich hoffe, ich verletze damit keine Urheberrechte anderer Personen. Aber da war kein Urheber angegeben. Also: Meine Eltern trauen mir offenbar Großes zu. Vielleicht sollte ich damit auch anfangen. Heute ist ein guter Tag dafür.

Jetzt werde ich mich dran machen, die Ankündigung für meinen ersten Vortrag zu verfassen. Und den Ankündigungstext für das dazu gehörige Einführungs-Seminar. Also: Langweilig ist mir nicht.

So long!

Ysabelle

Lernfelder

Hallo, Welt!
Im Verlauf des heutigen Tages ist mir einmal mehr bewusst geworden, wie viel es zu lernen gibt auf dieser Welt. Augenblicklich im Fokus:
Selbst-Akzeptanz:
Sich selbst mit bedingungsloser Fürsorge annehmen.

Ja, ja, Ihr wisst schon: die Matrix…

Unter diesem Stichwort heißt es:
Ungelernt
Kein Wissen über die Fähigkeit.
Unbewusst Inkompetent

Gewohnheitsmäßiges reaktives Muster der Selbstverurteilung in Form von Scham, Selbstvorwürfen, Selbstkritik, Abwehr oder Selbstüberschätzung.

Erwacht

Die Fähigkeit wird bewusst wahrgenommen.
Bewusst inkompetent

Erkennt Selbstverurteilung und die Auswirkungen für das eigene Wohlbefinden, Sehnsucht nach Selbst-Akzeptanz

Kompetent
Die Fähigkeit kann mit bewusstem Bemühen angewendet werden. Bewusst kompetent.

zunehmende Akzeptanz und lebensbereichernde Reaktion auf das, was man fühlt, denkt, braucht und tut.

Integriert

Natürliche Anwendung der Fähigkeit, mit Leichtigkeit und im Fluss. Unbewusst kompetent.

Fürsorglich und im Klaren mit sich selbst.

Da geht es mir im Augenblick wie auf dem Monopoly-Brett: „Gehe nicht über Los, ziehe nicht 4000 Mark ein.“ Bestenfalls kann ich mich bei „erwacht“ einordnen, gestern Abend gab es wohl ein „ungelernt“. Kann man etwas „ungelernt“ haben, wenn man die Situation schon 100 Mal hatte? Anscheinend ja.

Ich habe mit einer Information zu kämpfen, die mich schwer ins Straucheln bringt. Schon länger versuche ich ja den Glaubenssatz „Egal was ich tue, es ist nie gut genug“ aufzulösen. Die besagte Information trifft genau in dieses Scheunentor und bei mir kommt an: Du bist nicht gut genug.
Nachdem ich jetzt schon etliche Stunden darauf rumgekaut habe und heute Morgen sogar unerwartet Empathie bekam, finde ich allmählich in die Haltung zurück. Was ich gehört habe, sagt nichts über mich aus, sondern über die Nöte und Befindlichkeiten meines Gegenübers. Ach, Leute, wie frustrierend! Wie viele Jahre mache ich diesen GfK-Kram jetzt? Und dann kommt so eine Situation und ich stehe wieder ganz am Anfang. Als ich gerade vom Einkaufen kam und noch über dieser Sache brütete, fiel mir eine Geschichte von Kit Miller ein, der amerikanischen Trainerin, die ich so sehr liebe. „Manchmal fällt mir dann zwei Monate später ein, ach, da hätte man ja GfK einsetzen können. Manchmal kommt mir die Idee schon nach zwei Wochen, irgendwann nach zwei Tagen. Dann auf einmal kommt es direkt nach einer Situation, und irgendwann gelingt es mir, auch IN der Situation darauf zurückgreifen zu können.“

Eine der Voraussetzungen ist, dass ich mir (noch) mehr Zeit nehme, Zeit lasse, zu reagieren. Es besteht keine Lebensgefahr. Wenn ich selber dermaßen ins Trudeln komme, ist es keine gute Idee, auf andere zu reagieren. Nicht mal als Selbstausdruck: Wenn ich das höre, fühle ich mich… Denn falls der andere selbst in Not oder Abwehr ist, habe ich keine Chance gehört zu werden. Und das ist ja nicht gerade das, was ich will…

Ein weiteres Thema, das mich wiederkehrend beschäftigt, hat mit Projektionen und Rollen zu tun. Ich merke, dass ich mich ganz und gar nicht auf mein „Urteil“ über einen Menschen oder eine Situation verlassen kann.

Meine Freundin Matrix meint dazu:

Rollen überwinden:
Sich bewusst sein, dass wir nicht die Rollen sind, die wir spielen, dass wir entscheiden können, welche Rolle wir annehmen und wie wir auf die Rollen reagieren, die andere übernommen haben.

Ungelernt
Unbewusste, fixe Reaktionsmuster auf eigene Rollen und auf die Rollen anderer.

Erwacht
Sich des Leidens bewusst werden, das entstehen kann, wenn wir auf Rollen reagieren, statt auf Bedürfnisse einzugehen.

Kompetent
In der Lage mit Selbst-Verbindung, Einfühlungsvermögen und Aufrichtigkeit zu antworten, statt auf die Rollen zu reagieren, die wir selbst und/oder andere einnehmen.

Integriert
Übernimmt Rollen, reagiert auf Rollen und/oder vermeidet Rollen auf charmante und leichte Weise; ist sich der wechselseitigen Abhängigkeiten jenseits unserer Rollen bewusst.

Dabei merke ich, dass auch ich in Rollen schlüpfe. Auf einmal bin ich wieder das Kind, das es anderen nie recht machen kann… Ich bin die Domina mit der Peitsche zwischen den Zähnen, ich bin die Chefin und die Bittstellerin. Auf dem Heimweg überfiel mich auch der Gedanke, „es ist ganz richtig, dass du nicht zertifiziert bist, du hast ja noch so viel zu lernen…“ Und auch das hat etwas mit Rollen zu tun, mämlich einem bestimmten Verständnis von der Rolle der Trainerin. Mein innerer Erzieher meint, eine Trainerin müsse mindestens perfekt sein. Er übernimmt das Ruder und schickt mich gerade mal wieder in den Maßregelvollzug. „Komplett unfähig und nicht besserbar.“ Boah, ich glaube, der würde so gern an Wachstum und Fortschritt glauben und hat so wenig Vertrauen…

Als erstes möchte ich also heute mit mir in Frieden kommen und anerkennen, dass ich mein Leben in jeder Minute so gut führe wie es mir möglich ist. Das betrifft auch den Zugriff auf die Haltung. Dann möchte ich wertschätzen, dass es mir nach 16 Stunden gelungen ist, die Bedürfnisse meines Gegenübers wahrzunehmen und nicht mehr nur selbst verzweifelt innerlich Amok zu laufen. Ich möchte mich daran erinnern, dass das ganze Leben dem Lernen und dem Wachstum dienen darf, wenn ich es zulasse. der Herr bewahre mich davor, mich jemals für erleuchtet zu halten.

So long!

Ysabelle

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