Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Giraffe im Tapetenhain

Hallo, Welt!
Unten im Zimmer steht ein Freund und versieht die Wände mit einem eleganten Gipsputz. Danach werden die Tapeten wunderbar halten und auch nicht mehr den grauen Beton durchscheinen lassen. Ich bin beglückt und könnte Stunden beim Putzen zugucken. Elegant klatscht er die Masse an die Wand und verteilt sie mit sanften Bewegungen auf der Fläche. Das hat durchaus eine zärtliche Komponente. Wir haben eben schon geflachst, dass man das als Peepshow für Heimwerker ins Netz stellen könnte.

Gestern Abend ist mir aufgegangen, dass ich in Bezug auf Tapeten an der Wand mal ein GfK-Erweckungserlebnis hatte. Habe ich das hier schon erzählt? Anfang 2008 – ich war noch in meiner ersten GfK-Jahresgruppe – wurde mein heutiges Arbeitszimmer/Studio renoviert. Die Arbeiten zogen sich und nach drei Wochen im Dreck war ich wirklich sehr verzweifelt. Ich fuhr zu einem Seminarblock nach Bremen und übte im Rollenspiel, wie ich damit umgehen könnte. Die Worte meiner Mitspieler (sie spielten den Handwerker) waren für mich harter Tobak. Autonomie, Selbstbestimmung, im eigenen Tempo vorankommen… Gleichzeitig wurde mir eins deutlich: Tapeten an der Wand sind kein Bedürfnis. Als ich nach Hause kam und es dort noch immer nach Baustelle aussah, fand ich eine Möglichkeit mich auszudrücken: Mit dem Kuttenlecker und weißer Farbe habe ich meine Bedürfnisse rausgebrüllt: Vertrauen, Verbindung, Co-Operation… Heute würde ich es noch um Schönheit und Leichtigkeit ergänzen. Ich glaube, Verbindung und Verstehen waren am stärksten im Mangel. Damals operierte ich auch noch mit Verlässlichkeit. Das Wort benutze ich heute nur noch in Ausnahmefällen. Es halt nämlich eine eingebaute Keule: Du bist unzuverlässig. Was ist schon Verlässlichkeit? Doch wohl eher eine Bewertung als ein Bedürfnis…

In meiner Erinnerung war diese Aktion im Februar 2008 das erste Mal, dass ich mich wirklich aus tiefstem Herzen bemüht habe, mich gewaltfrei, aber gewaltig auszudrücken. Das war nicht zu überlesen/überhören. Tatsächlich kam ein Dialog zustande und zehn Tage später erstrahlte der Raum in nie gekanntem Glanz.
Seither erinnere ich mich gern an dieses Beispiel und zitiere es auch immer, wenn es passt. Tapeten sind kein Bedürfnis, Urlaub auf Sardinien ist kein Bedürfnis, Fernsehen ist kein Bedürfnis…
Heute jedenfalls sind meine Bedürfnisse in Bezug auf den Tapetenhain vollstens erfüllt. Gerade stand ich noch einmal voller Glück vor zwei frisch geputzten Wänden. Die erfüllten Bedürfnisse:
Wertschätzung
Unterstützung
Wärme
Schönheit
Dankbarkeit
Geborgenheit
Harmonie
Schönheit
Vertrauen
Spiritualität

Fragt mich nicht, was das mit Gipsputz zu tun hat. Ich habe auf meine Bedürfnisliste gesehen und all diese wunderbaren Bedürfnisse klangen in mir an. Ich habe gemerkt, „Verbindung“ dürfte noch ein bisschen nachlegen, und vielleicht noch eine Prise Klarheit. Aber ansonsten bin ich gerade der glücklichste Mensch der Welt.

So long!

Ysabelle

Kill your Darlings!

Hallo, Welt!

Dies ist ein Aufruf zur Gewalt.
Nein, natürlich nicht.
Es ist eine Einladung, sich unsere Lieblingsstrategie einmal näher anzusehen und uns gegebenenfalls davon zu verabschieden. Denn Lieblingsstrategien können unser Leben hoffnungslos und eng machen.

Eine liebe Freundin von mir litt lange darunter, ohne Partner zu leben. Bei unserem Nachspüren, was denn mit einem Partner anders wäre als allein, fand sie heraus, dass sie mit einem Partner sehr gern kulturelle Veranstaltungen besuchen würde, Theater, Kino, Lesungen, Musik, Konzerte. Daraufhin durchforstete sie ihr Adressbuch und schuf einen Kulturverteiler. Wann immer sie eine Veranstaltung entdeckte, die sie lockte, schickte sie eine Mail an die Menschen aus dem Kulturverteiler und ich erinnere mich an keinen Fall, in dem sie einsam in einer Lesung oder einem Konzert hockte. Oft ging sie sogar mit dem Kollegen ins Kino, mit dem sie am liebsten ihre Zeit verbrachte. Aber oft waren eben auch andere begeisterte Menschen dabei, die ihrerseits noch wieder kulturhungrige Menschen mitbrachten. So entstand ein bereicherndes Netzwerk mit Menschen, die die gleichen Interessen hatten.

Wer in einer Situation nur eine einzige Strategie zur Verfügung hat, läuft Gefahr, in einer Sackgasse zu landen. Das lässt sich an jedem beliebigen Problem betrachten. Mal angenommen, ich wäre mit einem Ferrari unterwegs und der bliebe mitten auf der Strecke liegen (dieses Beispiel ist mal grandios unwahrscheinlich, weil ich Ferraris so furchtbar unbequem finde und echt nur im Notfall einsteige). Wenn ich jetzt darauf fixiert bin, dass nur ein Team von Ferrari den Wagen wieder zum Laufen bringen kann, dürfte ich mich unter Umständen auf ein langes Wochenende auf dem Seitenstreifen der Autobahn gefasst machen. Aber wenn es auch der Gelbe Engel vom ADAC sein darf, steigen die Chancen, dass ich im eigenen Auto heil nach Hause komme. Vielleicht habe ich ja auch einen Freund, der selbst einen alten Ferrari fährt und in jeder freien Minute daran rumschraubt. Der könnte mir jetzt unter Umständen auch helfen. Oder ich lasse die Karre abschleppen und miete mir an der Tanke einen Smart. Wenn ich mindestens drei Strategien zur Verfügung habe, kommt Leichtigkeit in mein Leben. Gibt es in einer Situation scheinbar nur einen einzigen Ausweg, lohnt sich der tiefere Blick auf die Bedürfnisse. Worum geht es eigentlich wirklich? Und dann ergeben sich neue Strategien geradezu von selbst.

Knifflig wird dieser Blick auf die Strategien schnell in festen Beziehungen. Nehmen wir mal an, mein Bedürfnis wäre Sexualität und meine Lieblingsstrategie wäre es, diese Sexualität mit meinem Partner zu erleben. Wenn der nun aber gerade auf Geschäftsreise in Guatemala City ist, fällt diese Lieblingsstrategie ins Wasser, es sei denn, man wäre ein Fan von Telefonsex.
In diesem Fall könnte ich noch einmal genauer schauen, welche Bedürfnisse mir ein sexuelles Beisammensein erfüllt. Vielleicht geht es um Entspannung, Wärme, Intimität, Nähe, Verbindung und Spiritualität. Ich könnte nun eine ayurvedische Ganzkörpermassage (vierhändig) buchen, anschließend in die Sauna gehen, meinem Partner eine Mail schreiben, in der ich ihm etwas von meinem Innersten enthülle und ein Ritual veranstalten, dass mich mit ihm verbindet. Eine Kerze anzünden und einen alten Brief genussvoll lesen vielleicht. Einen Strandspaziergang, bei dem ich Blüten ins Meer werfe verbunden mit dem Wunsch, sie mögen nach Südamerika treiben. Ich denke mal, jeder von Euch findet da einen eigenen Zugang.

Sex ist vielleicht gerade nicht das allerbeste Beispiel, aber die Methode lässt sich auf alles andere übertragen. Nicht gern allein essen? Eine Kantine oder ein Lokal mit Mittagstisch ausfindig machen, Freunde einladen, reihum mit anderen Leuten kochen und sich gegenseitig zum Essen besuchen, etwas (ins Büro) mitnehmen und mit anderen Leuten gemeinsam verzehren, die auch etwas mitgebracht haben… Wann immer ich nur eine Strategie zur Verfügung habe, sind Depressionen garantiert. Denn dann hat mein Leben nur einen Weg, der womöglich versperrt ist. Oder mein Glück liegt in der Hand eines einzigen Menschen, der aber gerade nicht entsprechend reagiert. Zum Beispiel wenn meine Heizungsanlage ausgefallen ist und der Klempner Betriebsferien hat. Wenn es nur dieser eine Klempner sein darf, könnte ich erfroren sein, bis er aus dem Wintersport zurück ist. Habe ich habe ein Telefonbuch und ein aufgeladenes Handy, wird sich ein anderer Klempner finden. Oder ein Radiator aus dem Baumarkt. Oder ein Freund, bei dem ich Unterschlupf finde. Kill your Darlings – verabschiede dich von deiner Lieblingsstrategie, wenn sie die einzige ist. Genieße deine Freiheit!

So long!

Ysabelle

Keine Kompromisse!

Hallo, Welt!

Heute hatte ich ein interessantes Telefonat mit einem spirituell aktiven Menschen. Er beschrieb ein wenig seine Weltsicht und brachte schließlich zum Ausdruck, dass man manchmal einen Kompromiss finden müsse. Oder dass es gut sei, einen Kompromiss zu finden.

Wikipedia schreibt:

Ein Kompromiss ist die Lösung eines Konfliktes durch gegenseitige freiwillige Übereinkunft, unter beiderseitigem Verzicht auf Teile der jeweils gestellten Forderungen.

Na, Freunde, Forderungen hören wir ja sowieso nicht, höchstens unerfüllte Bedürfnisse. Und Verzichten – das kann ich schon mal gar nicht gut hören.
Ich habe ja kürzlich in Bremen die Mediationsausbildung angefangen und bin dort noch einmal mit Win-Win in Kontakt gekommen:

Eine Win-win-Strategie (englisch win für „Gewinn“), auch als Doppelsieg-Strategie bekannt, ist das Ziel einer Strategie, bei der beide Beteiligten einen für sie akzeptablen Nutzen erzielen. Jeder Verhandlungspartner formuliert hier vor Beginn der Verhandlungen nicht nur, wie allgemein üblich, seine eigenen Interessen (Ziel: Gewinnoptimierung (Gewinn – Verlust/win – lose), sondern respektiert auch seinen Partner und versucht, dessen Interessen ausreichend zu berücksichtigen. Es wird dann sozusagen von gleichwertigen Partnern um einen für beide Seiten positiven Interessenausgleich gerungen.

Das trifft es besser, ist aber auch noch nicht perfekt.
In mir gibt es einen wunderbaren Glauben, dass es Lösungen gibt, die eben kein Kompromiss sind, die nicht dazu führen, dass man auf etwas verzichten muss. Vielmehr gibt es Strategien, die die Bedürfnisse aller Beteiligten würdigen und berücksichtigen. Wenn ich nur lang genug auf den Gefühlen und Bedürfnissen herumkaue, werden sich Lösungen ergeben, die genau das können, das ist meine tiefe Überzeugung.

Mein Gesprächspartner sagte ob meines vehementen Widerspruchs sinngemäß, „ich merke schon, das Wort Kompromiss magst du nicht so sehr…“. Aber darum geht es gar nicht. Mir geht es darum, dass niemand etwas aufgeben muss, damit es eine gute Lösung gibt. Es ist kein Bedürfnis, am Meer oder in den Bergen Urlaub zu machen; beides steht nicht auf meinen Bedürfniskärtchen. Wäre es eine gute Lösung, ein Jahr in den Bergen und ein Jahr am Meer Urlaub zu machen? Ich glaube nicht! Denn es bedeutet, dass der einzelne womöglich nur in jedem zweiten Jahr seine Bedürfnisse erfüllt bekommt, wenn ich nur diese beiden Strategien zur Verfügung habe. Die Beziehung zahlt dafür. Das ist es wohl, was für mich die Begrifflichkeit „Kompromiss“ so unakzeptabel macht. Denn je nach Machtverhältnis zwischen den Beteiligten kann die gefundene Lösung dann auch ein winziges Zugeständnis an die „schwächere“ Partei darstellen, die sich quasi mit den Brosamen abfinden muss. Wieso, ich habe doch auch nachgegeben… jetzt sei aber mal zufrieden… Holla, das geht gar nicht!

Also: Ich fordere die Abschaffung aller Kompromisse und die Einführung von Lösungen, die den Bedürfnissen von allen Beteiligten Rechnung trägt.

So long!

Ysabelle

Wolf im Tapetenhain

Hallo, Welt!
Gestern Abend bin ich nach einem Osterausflug zu GfK-Freunden wieder nach Hause gekommen, voller Vorfreude auf mein Wohnzimmer, das in der Zwischenzeit einen neuen Fußboden und neue Tapeten bekommen hat. Nun also endlich einräumen, putzen und genießen, dachte ich.

Doch so weit ist es noch nicht.
Was ist die Beobachtung? Der Fußboden sieht wunderbar aus und erfüllt mein Herz mit Freude.
Die Tapete löst sich an manchen Stellen, vor allem an den Nähten, und ist teilweise mit 3 cm Überlappung geklebt. Im Zimmer gibt es einen Balken in der Wand, der bisher frei war und auch frei bleiben sollte. Er ist nun entgegen der Absprache übertapeziert und die Struktur der Tapete ist durch den anderen Untergrund (Holz statt Wand) an dieser Stelle ganz anders. Ich spüre so deutlich in mir, dass ich so nicht in das Zimmer einziehen möchte und gleichzeitig habe ich Wertschätzung für den Handwerker, der mit Sicherheit sein Bestes gegeben hat.
Canis lupus ist völlig orientierungslos und beißt daher in bewährter Manier mich.

  • Du hast den Handwerker nicht klar genug gebrieft.
  • Du hast doch gemerkt, dass er sich mit dieser Art von Tapete nicht auskennt, wieso hast du ihm trotzdem den Auftrag gegeben?
  • Du bist kleinlich.
  • Du bist zu pingelig, hänge ein Bild drüber und vergiss es. Da stehen sowieso Schränke davor…
  • Es steht dir nicht zu, da so eine Welle drum zu machen.
  • Sei dankbar, dass du überhaupt Tapeten an der Wand hast.

Diesen Reigen könnte ich noch ein bisschen fortsetzen, und ich merke, dass diese Selbstbeschimpfungen dazu beitragen, dass ich nicht in die Auseinandersetzung mit dem Handwerker gehe. Es könnte ihn verärgern. Es wird ihn verärgern… Verdammt, deshalb habe ich ursprünglich mit GfK angefangen, um in solchen Situationen ein besseres Rüstzeug zu haben. Und jetzt merke ich wieder einmal, dass die Technik eben nur ein kleiner Teil ist. Es geht um die Haltung, und die Haltung beinhaltet erstaunlicherweise auch, dass ich für MEINS gehe, dass ich mich für MEINS einsetze. GfK ist nichts für Feiglinge, sagt Marshall. Schade. Wo ich doch gerade so ängstlich bin, eine Auseinandersetzung über die ordnungsgemäße Anbringung von Vliestapete zu führen. Ich habe einem Freund, der Maler gelernt hat, die Bilder geschickt mit der Frage: Bin ich zu pingelig, und er antwortete:

Entscheidend ist Deine Frage im Betreff dieser mail –
und die würde ich einfach mal mit „Ja, Nee.“ beantworten.
Wenn’s dir nicht zusagt, dann ist das so und wird seinen berechtigten Grund haben.

Und da kommen wir der Sache schon näher. Bin ich berechtigt? Was ist berechtigt? Reicht es, wenn ich sage, so gefällt es mir nicht? Vor allem, wenn ich doch weiß, dass sich der andere so viel Mühe gegeben hat? Darf ich das?

Ha, wenn ich mit jemandem eine Einzelarbeit zu diesem Thema machen würde, würde ich im Brustton der Überzeugung verkünden, natürlich darfst du das! Ich könnte ja einmal einen Blick darauf werfen, was genau das mit mir macht.

ich habe Angst, dass die Beziehung zu diesem wirklich hilfsbereiten und unterstützenden Handwerker leidet, wenn ich seine Arbeit kritisiere.
Also, hier geht es mal um

Verbindung
Authentizität (aber es gefällt mir doch so nun mal nicht…)
Echtheit
Beteiligung (der Balken sollte nicht übertapeziert werden! ich möchte dann wenigstens gefragt werden.)
Vertrauen
Wertschätzung
Sinnhaftigkeit und
Effizienz

würde ich mal so im ersten Wurf sagen. Hm. Klingt so, als bräuchte ich Empathie.

Hallo, ist da draußen jemand?

So long!

Ysabelle

Kraut & Rüben (12)

Hallo, Welt!

Ich bin zurück von meiner ersten Einheit als Trainer-Assistentin am Osterberg-Institut. Sagt „Scholle“ zu mir, ich bin so platt!
Gleich brauche ich mal eine Runde Selbstempathie, denn in meinen Mailunterlagen finde ich Post von Elke, die mitteilt, dass die bestellten und bezahlten Bedürfniskarten nicht angekommen sind. In mir ist Irritation und Wolf innen, denn in meinem Kopf gibt es die Erinnerung, wie ich die Karten in einen Umschlag getan habe und noch gegrübelt, wie sie frankiert werden müssen. Oder verwechsle ich das mit einer anderen Bestellung? „Wieso schreibst du dir nicht auf, wann du was rausschickst? Was ist das für eine chaotische Buchhaltung? Du musst doch Aufzeichnungen darüber haben, wann was rausgeht! Das ist eine Zumutung für Besteller…“ Jauuuuullll……“ Elke, ich check das und schicke sonst einfach noch einen Satz hinterher. Ich habe 2000 drucken lassen, wir kriegen das hin! ICH kriege das hin…

Die letzten fünf Tage haben mich sehr berührt. Ich habe wunderbare Begegnungen erlebt. Die Assistentenrolle ist noch mal etwas wirklich Neues für mich. Aus dem Beruf bin ich es gewohnt zu führen und zu gestalten. Als „Schüler“ in der GfK bin ich es gewohnt, geleitet zu werden. Und nun gab es Momente, in denen ich etwas gearbeitet, angeboten oder vorgestellt habe und die Chefs haben gecheckt und später Rückmeldungen gegeben. Zwischendurch hatte ich den Eindruck, überhaupt keinen Zugriff auf meine Kompetenzen zu haben. Ich hörte Gerhard etwas sagen und dachte bei mir, hey, das ist irgendwo auch in dir drin, wieso kannst du das nicht abrufen? Besonders aufgefallen ist mir das, wenn er den TeilnehmerInnen Gefühle und Bedürfnisse vorgeschlagen hat: „Bist du stolz auf mich und ist dir Unterstützung wichtig?“ Dann nahm ich eine imaginäre Latte und haute sie mir vor die Stirn: Ey, Ysabelle, da hättest du doch wirklich selbst darauf kommen können…“ Besonders häufig habe ich das erlebt, wenn Gerhard im Zusammenhang mit wütenden Impulsen soufliert hat. Bei mir kamen immer Aussagen wie „bist du traurig, weil du Unterstützung brauchst“ und ähnliches weichgespültes Zeugs. Und Gerhard präsentierte Kraft mit „… und ich bin schweinewütend, weil mir Unterstützung wichtig ist“, und ich spürte ganz deutlich, dass da einfach eine andere Energie dahinter sitzt. KRAFT! Dagegen spiele ich „Mäuschen, sag mal Piep…“.

Es hat viele Tränen gegeben in diesen Tagen. Und es gab viel zu feiern. Himmel, es ist „nur“ ein Seminar, und gleichzeitig war es ein wunderbarer Raum für echte Begegnung. Erschöpfung, Angst, Nähe, Respekt, Gemeinschaft, Sinn, Verbindung und Unterstützung. Gibt es einen größeren Zauber als den, wenn sich Menschen wirklich begegnen?

Durch diese Tage bin ich noch einmal sehr mit dem Text von Richard Beauvais verbunden. Ich wüsste gern, wer der Mann ist oder war, der diese Zeilen 1964 geschrieben hat:

„Wir sind hier, weil es letztlich kein Entrinnen vor uns selbst gibt. Solange der Mensch sich nicht selbst in den Augen und Herzen seiner Mitmenschen begegnet, ist er auf der Flucht.

Solange er nicht zulässt, dass seine Mitmenschen an seinem Innersten teilhaben, gibt es für ihn keine
Geborgenheit. Solange er sich fürchtet, durchschaut zu werden, kann er weder sich selbst noch andere erkennen –
er wird allein sein. Wo können wir solch einen Spiegel finden, wenn nicht in unserem Nächsten.

Hier in der Gemeinschaft kann ein Mensch erst richtig klar über sich werden und sich nicht mehr als den Riesen
seiner Träume oder den Zwerg seiner Ängste sehen, sondern als Mensch, der Teil eines Ganzen zu ihrem Wohl
seinen Beitrag leistet. In solchem Boden können wir Wurzeln schlagen und wachsen. Nicht mehr allein – wie im Tod
– sondern lebendig als Mensch unter Menschen“.
(Richard Beauvais)

Es gab auch viele Anregungen zu neuen Wortschätzchen, neben „Dankbarkeit“ ja meine Lieblingsrubrik in diesem Blog. Mal sehen, was ich die nächsten Tage hier eingefiedelt kriege und wie viel Zeit mir meine heimatliche Baustelle lässt, um Euch mit „abgewatscht“ oder „benutzt“ zu verwöhnen.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: Feedback

Hallo, Welt!
Gestern fand ich mich vor Gericht wieder, und zwar als Klägerin. Es war ein Tag mit glücklichem Ausgang, an dem ich viel gelernt habe, und der mich wieder mit einer tiefen Dankbarkeit erfüllte.

Die vergangenen zwei Stunden habe ich damit zugebracht, meinem Anwalt Feedback zu geben, und zwar so, wie ich es gelernt habe. Ich benenne eine Beobachtung, sage, welche Gefühle das in mir ausgelöst hat und nenne meine damit verbundenen Bedürfnisse. Das liest sich dann so:

Am Vortag haben Sie mir kurz geschildert, was sich vermutlich vor Gericht ereignen würde. Dieser Einblick hat dazu geführt, dass ich recht friedlich schlafen konnte. Es gab nun keine Gespenster in meinem Hirn, was sich womöglich am Morgen abspielen würde. Auch die Information, dass Sie erst zum Termin in der (…)straße sein würden, hat mich entlastet und entspannt und ich konnte gut und gelassen vor dem Sitzungssaal auf Ihr Eintreffen warten.

Erleichtert hat mich Ihre Information, dass Sie zu allerhand Blödsinn der Gegenseite gar nicht erst Stellung beziehen werden, dass es nicht erforderlich ist, auf alles zu entgegnen, was die Beklagte von sich gibt. In jeder Minute hatte ich das Vertrauen, dass meine Sache bei Ihnen in allerbesten Händen ist.

Und so geht es dann noch munter eine Seite weiter.
Ich habe gemerkt, dass in mir ein herrlicher Frieden entstand, als ich diesen Brief schrieb. Ich konnte mich noch einmal damit verbinden, wie sehr ich trotz der Stresssituation gestern genießen konnte, dass jemand für mich kämpft. Es gab auch viele Situationen, in der ich die Klarheit und Kompetenz meines Anwaltes feiern konnte. Ich hatte gut für mich gesorgt, denn ich hatte das Angebot meines langjährigen Freundes angenommen, mich ins Gericht zu begleiten. Es hat so gut getan, mich nicht durch den Berufsverkehr schlängeln zu müssen, sondern gefahren zu werden. Dazu eine stärkende Umarmung, ein warmer Blick, eine große Hand in meinem Rücken – es tat SO gut, diese Unterstützung zu spüren. Ich merke immer deutlicher, dass Dankbarkeit wirklich ein Riesenthema in meinem Leben ist und eine wichtige Kraftquelle für mich darstellt. Wenn ich nur fünf Jahre zurückdenke, kann ich erkennen, wie viel sich verändert hat, seit ich angefangen habe, Dankbarkeit und Wertschätzung zu feiern.

Um zu feiern, dass dieser Rechtsstreit nun ein Ende hat, habe ich mir etwas Besonderes gegönnt. In meinem Leben ist eine Tür zugegangen, und ich bin zuversichtlich, dass eine neue aufgeht. Da ich zurzeit dabei bin, mein wunderbares Wohnzimmer zu renovieren, habe ich beschlossen, mir eine neue Zimmertür zu schenken, und zwar eine, die das Licht vom Innenhof in den Flur gelangen lässt: Diese wunderbare Glastür von Licht & Harmonie. Sie hat zwei Wochen Lieferzeit, vielleicht gelingt es ja bis dahin, die alte Stahlzarge aus der Wand zu kloppen und die neue Holzzarge zu installieren. Dieses Metallding sitzt da wirklich bombenfest in der Wand, passt aber nicht zu dem Beschlägen der neuen Tür. Damit habe ich nun ein mittelprächtiges technisches Problem, aber auch dafür wird eine Lösung kommen. Ich bin dankbar, dass ich ein schönes Zuhause haben darf, und ich möchte feiern, dass ich in der Lage war, mir diese Tür leisten zu können. Das Leben ist schön.

So long!

Ysabelle

Du-Botschaften

Hallo, Welt!
Drei Tischler hauen bei mir gerade ein altes Fenster raus und bauen ein größeres neues ein. Was da zu hören ist, ist alles andere als gewaltfrei. Hey, was kloppst du da rum? Da vorne ist schon ein Stein raus. Hast du keine Augen im Kopf… was machst du hier bloß…? Und dazu die Tonlage! Nicht nur Worte und Schweigen sind gewalttätig, auch Lautstärke und Betonung. Alle Achtung. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Motzen den ganzen Tag aushalte.
Erinnert wurde ich an eine Übung, die ich am Wochenende machen durfte: Ich habe eine Du-Botschaft und übersetze sie in eine Ich-Botschaft. Oh, das hat mir Spaß gemacht! Am liebsten würde ich das sofort in eines meiner Seminare einbauen. Eine Aussage wie „du bist ja blöd“ hieße dann übersetzt: „Ich bin frustriert, weil mir Effizienz wichtig ist“. Vielleicht schaffe ich es, morgen in Heide dieses Thema noch mal zu streifen. Ich glaube, dass es helfen kann, die Aussagen anderer Leute besser zu ertragen. Und das können wir doch alle gebrauchen, oder?

So long!

Ysabelle

Wunder geschehen

Hallo, Welt!
Am Wochenende war ich bei meiner Freundin Hilke und habe mit ihr eine Mitte gefilzt. Wer immer von Euch ebenfalls so eine Mitte filzen möchte, melde sich gern bei mir, wir überlegen, einen Workshop „Gewaltfrei filzen“ anzubieten. Ysabelle & Dietrich Während wir mit der Wolle spielten und walkten, sagte sie nachdenklich über meine Aktivitäten: Mir fällt auf, dass das alles von allein auf dich zukommt. Du brauchst gar nichts zu tun…
Eben hatte ich einen Anruf, der mir die Tränen in die Augen trieb. Einer meiner ständigen Bahn-Mitfahrer erkundigte sich nach meinem Wohlergehen. Ob etwas mit meinen Augen sei? Als er die Neuigkeiten erfuhr, war er zunächst fassungslos und entsetzt. Dann aber sprudelte er nur so mit Ideen, wie er mich unterstützen könne. Mit diesem und jenem reden, XY einen Tipp geben, ob ich mal auf dieser Webseite gewesen wäre, ob ich Interesse hätte, zu zwei bestimmten Veranstaltungen zu kommen… Ich hätte weinen können, so sehr hat mich das berührt. Na ja, ein bisschen geweint habe ich auch.

Das „auf mich zukommen“ gilt auch für die Urlaubsvertretung in Simrans Übungsgruppe und für das Projekt in Heide, in dem ich im Moment unterwegs bin. Es ist wunderschön. aber auch aufregend und anstrengend, 14 Menschen die GfK näher zu bringen, die noch nie etwas davon gehört haben – und auch nicht danach gefragt. Dinge geschehen in meinem Leben. Türen öffnen sich. Ich erfahre Wertschätzung und Wohlwollen. Heute Morgen rief Gabi an, um mit mir zu plauschen und mir ein paar Tipps zu geben. Das erfüllt meine tiefen Bedürfnisse nach Gesehen werden, Unterstützung, Gemeinschaft, Verbindung, Wärme und Dankbarkeit. Ich bin aus tiefstem Herzen so dankbar für all diese wunderbaren Zeichen von Wertschätzung und Wohlwollen, die so unverhofft auf mich herabregnen. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht. Ich gebe einfach jeden Tag mein Bestes, das reicht. „One day at a time“, heißt es bei den anonymen Alkoholikern, und ich kann gut verstehen, warum das für sie so ein wichtiger Satz ist. Wollte ich mein ganzes Leben heute regeln und in den Griff kriegen, würde ich verzweifeln und hadern. Mit Blick auf das Filzwochenende, das Seminar gestern, den Anruf heute ist mein Leben wunderbar und bereichernd. Ich bin glücklich und dankbar, all diese Schönheit erkennen zu dürfen.

So long!

Ysabelle

Katzeklo, Katzeklo…

Hallo, Welt!

Ward Ihr schon mal gewaltfrei Katzenstreu kaufen? Ich eben, und es hat mich echt Kraft gekostet.

Hier im Dorf gab es mal eine Zoohandlung, aber die Betreiber haben vor ein paar Jahren das Ladengeschäft aufgegeben und stehen seither auf dem Wochenmarkt mit einem Verkaufswagen für Tierfutter und sonstiges. Katzenstreu bringen sie nur auf Anmeldung mit, weil im Verkaufswagen so wenig Platz ist. Wie vereinbart, habe ich gestern eine SMS mit der Bestellung geschickt und trabte heute Morgen munter auf den Markt, die Streu abholen. Denkste.

„Ich hab die SMS gestern gar nicht abgerufen“, sagte der Inhaber. Und seine Frau meinte, „wir haben ein neues Handy, damit klappt nichts. Wahrscheinlich hast du das gestern mit gelöscht…“ und ich murmelte was von „wenn Sie die Bestellungen nicht abrufen, können Sie sie natürlich auch nicht auf den Wagen laden…“

Kurzer Gefühls-Check:
Frustriert
ärgerlich
ratlos
hilflos
verstimmt

Unerfüllte Bedürfnisse:
Sicherheit
Klarheit
Vertrauen
Verbindung
Gesehen werden
Respekt

Zum Glück gelang es mir, mich mit diesen unerfüllten Bedürfnissen zu verbinden und ein paar Sachen zu fragen:
Was machen wir jetzt?
Mir ist die Sicherheit ganz wichtig, wenn ich bestellt habe, dass ich dann auch die Ware bekomme. Wenn das mit der SMS nicht hinhaut, soll ich dann vorher anrufen?
Haben Sie einen Vorschlag, wo ich jetzt Streu herbekomme?
Die Chefin meinte, „wie viel Säcke brauchen Sie denn?“ , und auf die Info: vier, sagte sie, dann müsse ihr Mann eben die 25 Kilometer nach Hause fahren und die Streu holen.

50 Kilometer für vier Sack Katzenstreu? Sorry, das geht gar nicht.

Wir haben uns darauf geeinigt, dass sie morgens um acht an die Haustür liefern, wenn sie das nächste Mal auf dem Wochenmarkt stehen.
Und dass ich künftig anrufe, statt eine SMS zu schicken.

Ich weiß nur noch nicht, wie ich das den Katzen verklicker…
Vielleicht doch noch mal ne Tüte Catsan zwischendurch kaufen?

So long!

Ysabelle

Kraut & Rüben (11)

8. März
Manche spirituellen Traditionen verwenden den Ausdruck „Gottvater“. Aber jeder Begriff zur Beschreibung der höchsten Wirklichkeit ist problematisch. „Muttergöttin“ ist ein guter Ausdruck, um die Vorstellungen zu neutralisieren, die wir über Gottvater haben.

Thich Nhat Hanh
Heute achtsam leben


Hallo, Welt!
Die vergangenen 20 Jahre habe ich jeweils zum Weltfrauentag meine Kolleginnen mit einer Blume bedacht. Ursprünglich mit einer roten Nelke, die letzten Jahre dann mit mit einem Primelchen oder Osterglocken. Dieses Mal war mir das Datum nicht mal präsent. Vielleicht liegt es mit an meinen veränderten Lebensumständen. Aber heute Morgen rief mich ein alter Freund an, um mir zum Frauentag zu gratulieren. Er hat mit GfK nichts am Hut. Am Telefon sagte er: „Ich rufe dich heute, am Weltfrauentag, an, um dir zu sagen, dass du so ein wichtiger Mensch in meinem Leben bist. Und da ist dieses Datum doch eine gute Gelegenheit, das auch mal auszusprechen.“

Ich war in Tränen. Erfüllte Bedürfnisse:
Wertschätzung
Gesehen werden
Verbindung
Wärme
Respekt
Vertrauen

Es fühlt sich ganz wunderbar und ganz kostbar an. Ich bin dankbar für diesen Anruf.

Statt Blumen habe ich mir heute einen neuen Haarschnitt gegönnt. Gegen das Grau will ich nichts unternehmen. Eine gute Bekannte von mir hat als Signatur den Satz: „Ich möchte in Liebe und Würde alt werden“, und das spricht mich sehr an. Aber trutschig und altbacken muss ich deshalb ja trotzdem nicht aussehen. „Darf es ein bisschen Wachs sein?“ „Aber gerne! Was kann ich denn aus diesem Mop auf dem Kopf machen?“ Passt schon. Ich nehme mich authentisch und klar wahr. Das ist ja auch mal was Schönes.

Gestern Abend waren wir in der Übungsgruppe tatsächlich zu neunt. Uff, das war bisher die größte Gruppe, die ich unter meinen Fittichen hatte. Ab Montag sind es dann 16. Da war das ja noch mal eine gute Übung. Es kann sein, dass ich bei meiner Simran-Urlaubsvertretung auch so viele Menschen begrüßen darf. Vorletztes Mal waren wir 12, am Dienstag immerhin auch neun. Ich möchte feiern, dass mir das keine Angst macht und dass ich mich – gefühlt – ganz gut auf unterschiedliche Menschen einstellen kann.

Äh – gefühlt…. wie fühlt sich das denn an?
Warm
behaglich
beschwingt
aktiv
energiegeladen
frisch
konzentriert
kraftvoll
lebendig
motiviert
schwungvoll
zärtlich und
zuversichtlich.

Na, bitte, geht doch!

Außderm möchte ich ein „Lands End“- Schnäppchen feiern. Ich hatte seit November hier im Dorf mit ein paar schwarzen sportlichen Schnürschuhen von Ecco geliebäugelt, die ich auch schon in braun hatte. Bequem, praktisch. Allein, der Preis wollte und wollte nicht fallen. Und 99 Euro waren mir einfach zu viel.
Gleichzeitig habe ich aber keine schwarzen wetterfesten Halbschuhe, und für die gäbe es aber ziemlich viel Bedarf.
Jetzt entdeckte ich welche bei Landsend. Ein bisschen speziell, Filz und Wildleder, ein bisschen wie Surfschuhe, aber mit einer richtig dicken Profilsohle. Da habe ich dann zugeschlagen und überweise jetzt mit Freuden 29 Euronen für ein paar wetterfeste, schwarze Halbschuhe. Ich bin dankbar, auch mir, dass ich so sorgsam mit meinen finanziellen Ressourcen umgehe.

Ansonsten fällt mir auf, dass ich sehr müde bin. Heute Morgen habe ich schon 90 Minuten länger geschlafen als üblich. Und trotzdem bin ich ganz erschöpft. Mein Wolf beisst mir fröhlich in die Waden, um mich zu neuen Höchstleistungen anzuspornen. Aber viel Kraft ist heute nicht da. Mal sehen, was wir da miteinander ausverhandelt kriegen.

Hatte ich schon von dem Flop mit meinen „Gardinen“ erzählt? Ich hatte doch ganz stolz bei Lidl Faltrollos gekauft, die sich im Fenster auf und ab bewegen ließen. Vorige Woche habe ich sie in mühevoller Fummelarbeit im Fenster des Giraffenzimmers installiert. Zufrieden war ich damit ungefähr zehn Minuten. Dann guckte ich mir das ganze von außen an und dachte, hm, das ist es noch nicht… Nach zwei Tagen habe ich sie wieder runtergekratzt und zu den Flohmarkt-Artikeln gelegt. Das geht nicht. „Sieht aus wie gewollt und nicht gekonnt“, sagte eine Freundin. Da lasse ich mir noch was anderes einfallen. Wer sagte mal, “arme Leute können es sich nicht leisten, billig einzukaufen“? Diese 30 Euro waren rausgeworfenes Geld. Schade.

So long!

Ysabelle

Ich bin zu blöd…

Hallo, Welt!
Am Freitag habe ich länger Zeit mit meiner Familie verbracht. Unter anderem gab es Gelegenheit, mit meinem Dad (88!) über sein IPad zu fachsimpeln. Die „Fehlermeldung“, die ihn so beunruhigt hatte, dass er sogar die Apple-Hotline anrief, war lediglich der Hinweis, dass es in der Nachbarschaft zwei drahtlose Netzwerke gibt, mit denen er sich verbinden könnte, wenn er denn das Passwort kennen würde… Wir haben gemeinsam Post auf Ordner sortiert und Bilder ins Fotoalbum gesichert und ich habe noch auf die aktuelle Software upgedatet. Alles in Ordnung, dachte ich.

Gestern schickte ich an die Eltern einige Fotos vom Ur-Enkel per Mail. Heute Vormittag dann ein aufgeregter Anruf meines Vaters. Ich konnte gar nicht herausbekommen, was eigentlich der Anlass war, denn ich hörte nur seine Schimpftirade auf ihn selbst: „Ich bin zu blöd… ich begreif das nicht… alles was du mir erklärt hast, hab ich schon wieder vergessen… am liebsten würde ich das Ding nie wieder anfassen… ich versteh das alles nicht… und dann sieben Mails… wie krieg ich denn die sieben weg? Ich will nicht, dass da sieben steht, aber ich bin ja zu blöd… jetzt hab ich alles falsch gemacht… ich fass das Ding nicht mehr an… das ist mir alles zu viel… wenn ich das doch sowieso nicht verstehe.. ist wohl doch Alzheimer… Wie blöd kann man sein… nun hast du mir das alles erklärt und ich hab es schon wieder vergessen… “

Oh, Freunde, wie geht es mir, wenn ich das höre?
Meine Gefühle sind
alarmiert
ärgerlich
bestürzt
durcheinander
entsetzt
frustriert
genervt
hilflos
sorgenvoll
ungeduldig
unwohl
wütend

und meine Bedürfnisse im Mangel sind
SELBSTRESPEKT!!! (für meinen Vater)
Verbindung
Unterstützung
Beitragen
Verstehen
Leichtigkeit (für meinen Vater)
Autonomie (für meinen Vater)

das sind so die ersten Bedürfnisse, die mich anspringen.
Ich kann es wirklich kaum ertragen, dass sich jemand so niedermacht.
Schon gestern Abend hatte ich ein Telefonat, in dem sich eine alte Freundin in Grund und Boden verdammte und meinte, sie hätte nicht gut für sich gesorgt, weil sie eine Dokumentation über das Mittelalter gesehen habe. Während das sonst für sie immer sehr erholsam, entspannend und lehrreich sei, sei dieses Mal etwas getriggert worden und sie habe vor Aufregung die ganze Nacht nicht geschlafen, mit ungewollten Konsequenzen.

Die Probleme meines Vaters mit der Technik lösten sich in Luft auf. Er war einfach nur unsicher und unter Druck, und da er so wenig über diese Funktionalitäten weiß und sie so selten benutzt, verstärkt das einfach nur seine Hilflosigkeit. Ich hoffe, dass er mich beim nächsten mal früher anruft und nicht erst, wenn er schon in heller Panik ist.

Die Selbstbeschimpfungen meiner Freundin konnten wir ins Giraffische übersetzen. Da gibt es einen Anteil, der sehr für ihren Schutz eintritt und sich auf dramatische Weise Gehör verschafft.

Nur für mich selber habe ich gerade keinen Rat. Warum stürzt es mich so ins Chaos, wenn ich andere Leute gegen sich selbst wüten höre? Warum macht mich das so hilflos und verzweifelt? Da fehlt mir doch irgendein Werkzeug, ein Hinweis, eine Idee, um mit der Verzweiflung anderer Leute besser zurechtzukommen und nicht selbst in Not zu geraten.

Irgendwelche Ideen für mich? Habt Ihr eigene Erfahrungen mit diesem Thema?
Für Hinweise und Anregungen nicht an die nächste Polizeidienststelle, sondern an mich wenden.

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So long!

Ysabelle

Zur Last fallen…

Hallo, Welt!

Gestern hatte ich ein Telefonat mit meinem Vater. Danach musste ich mir erst mal Einfühlung geben.
Vor zwei Jahren hat er seine ersten Computer-Gehversuche mit einem IPad gemacht. Da er gesundheitlich schwer angeschlagen ist, liegt das Gerät manchmal Monate lang im Wohnzimmer, dann wieder schlägt er im Internet Gedichtzeilen nach oder verschickt sogar mal eine Mail. Für einen Herrn von 88 Jahren finde ich das sensationell.

Vor ein paar Wochen meldete er mir, dass er die Fehlermeldung bekommt, der Server sei nicht erreichbar. Ich bat ihn, das Ding meiner Kusine in die Hand zu drücken, die zumindest mehr Computererfahrung hat und auch einen Apple besitzt.

Als ich ihn gestern anrief, um meinen Besuch zum Wochenende anzukündigen, erzählte er mir, er habe gerade mit der Apple-Hotline telefoniert (?!?!). Die hätten ihm aber nicht helfen können und würden mir jetzt eine Mail schicken. Auf meine Frage, was denn meine Kusine gesagt hätte, meinte er, sie habe sich für nicht kompetent erklärt. Als ich dann fragte, warum er mich darüber nicht informiert habe, meinte er: Wir wollen dir nicht zur Last fallen…

Oh, das kann ich schwer hören!
Ich glaube, da unterdrückt jemand sein Bedürfnis nach
Unterstützung,
nach Gesehen werden,
Anteilnahme,
Verbindung
und Leichtigkeit.

Welche Bedürfnisse erfüllt sich mein Vater denn, wenn er mich nicht informiert?
Respekt, habe ich aus seinen Worten gehört. „Wir wollen dich in dieser Situation nicht noch belasten“. Wertschätzung. Vielleicht auch Autonomie. „Ich kann selbst bei Apple anrufen“. Rhythmus: „Ich mache das in meinem eigenen Tempo, dann, wenn ich Zeit habe und mich fit fühle“. Lernen und Wachstum: „Ich will das auch allein hinkriegen!“ Ja, damit kann ich mich gut verbinden.

Welche Bedürfnisse sind bei mir unerfüllt, wenn ich nicht informiert werde?
Unterstützen und Beitragen.
Verbindung. Ja, das schmerzt richtig. Seit Monaten sitzt er mit diesem Gerät rum, das nicht die Leistung bringt, die er braucht, und ich kriege nichts mit.
Beteiligung. Ja, das wäre schön. Vertrauen, dass es auch ohne mich Mittel und Wege gibt, dass er die Technik wieder zum Laufen bringt. Vielleicht auch Leichtigkeit. Man muss da nicht immer ein Drama draus machen, mal anzurufen. Oh ja! Leichtigkeit im Umgang miteinander.

Und wann habe ich das letzte Mal angerufen?

So long…, meine Lieben, so long…
Ysabelle

Einladung zur Selbstabwertung – abgelehnt!

Hallo, Welt!

Vor ein paar Wochen war ich zu einem Seminar in Köln und hatte in der Nähe des Seminarortes ein Hotel. Um halb acht Morgens musste ich den Roomservice rufen, weil ich kein warmes Wasser aus der Dusche bekam. Hätte ich versucht, mit meiner Lesebrille zu duschen, hätte ich wahrscheinlich die Kennzeichung auf dem Hahn entziffern können. So verzweifelte ich an der Bedienung und das Zimmermädchen drehte schließlich das heiße Wasser für mich auf… Das war eine prächtige Einladung, mich selbst für blöd, unfähig und vertrottelt zu halten. Da ich gut in Form war, konnte ich diesem kritischen Anteil Einfühlung geben und mich abtrocknen.

Vorige Woche passierte mir in Steyerberg etwas Ähnliches. Wieder blieb die Dusche kalt. Ich wusste aber, dass ich da schon mal warmes Wasser aus dem Hahn gelockt hatte. Diesmal bin ich wirklich aus der Dusche in mein Zimmer, hab die Lesebrille geholt und den Hahn in die richtige Richtung gekurbelt. Geht doch!

Heute nutzt auch keine Lesebrille. Mit äußerster Sorgfalt habe ich versucht, einen Ikea-Schreibtisch zusammen zu bauen. Jede Schraube kontrolliert, die Richtung noch mal überprüft. Zwei Schubladen mit Schienen sind fertig montiert – eigentlich müsste der Rest ein Klacks sein. Aber es funktioniert nicht. Die Einzelteile passen nicht an das Zentralstück, irgendwie. Nach zwei weiteren Anläufen lasse ich es für heute auf sich beruhen. Zu blöd, ein Ikea-Teil zusammenzubauen… ich glaube, ich koche mir einen Tee und gehe ins Bett. Mal sehen, ob es mir Morgen gelingt, die Schrauben an der richtigen Stelle einzudrehen. Für heute gebe ich mir eine doppelte Dosis Selbsteinfühlung und werde ansonsten mal sehen, ob andere Leute mit diesen Zeichnungen besser klar kommen…

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: Giraffengemeinschaft

Hallo, Welt!

Es geschehen Dinge, die mich in tiefste Dankbarkeit führen.

Vergangene Nacht wurde ich zwei Mal wach. Meine Heizungsanlage entschied sich, gar nicht mehr zu arbeiten. Das war dann schon ein bisschen fröstelig. Aber mit dem Entschluss, mich in der Fastenzeit nicht unter Druck zu setzen, konnte ich die Situation einfach so akzeptieren, denn nachts um drei kommt sowieso kein Klempner. Jedenfalls nicht in mein Schlafzimmer.

In den letzten Tagen hatte ich Gespräche, die mich unglaublich berührt haben.
Unter anderem habe ich gestern Morgen mit Marianne Sikor besprochen, wie meine Zertifizierung losgehen könnte. Ja, ich mache Ernst. Es scheint mir gerade alles so passend zu sein in meinem Leben. Mein Stamm-Trainer hat mir zurückgemeldet, dass er mit Marianne reden wird. Markus hat Simran K. Wester vorgeschlagen, ich könnte als Urlaubsvertretung ihre Übungsgruppe betreuen. ICH! Unglaublich! Wie kann das sein, dass mich jemand vorschlägt? Ich habe Simran daraufhin kontaktiert und sie antwortete, das könne sie sich gut vorstellen.

Heute Abend hatte ich ein wunderbares, bereicherndes, belebendes Gespräch mit Gabi Klenke. Sie schlug vor, ob wir zusammen Seminare anbieten wollen. Oh, wie wunderbar! Ja, ich will, singt alles in mir. Ich schätze, ab April geht hier im Haus meine Übungsgruppe los. Yeah, ich freu mich! Heute sind die ersten Fußleisten im Übungszimmer an die Wand gekommen. Oh, Leute, das wird so wunderschön und gemütlich! Klein, ja. Aber mehr als vier bis fünf Leute müssen da ja auch nicht sitzen. Ich bin happy. Meine Bedürfnisse nach Unterstützung, Wärme, Gemeinschaft, Gesehen werden, Nähe, Vertrauen, Anerkennung, Ermutigung (Gefühl oder Bedürfnis? Egal, erfüllt!), Geborgenheit, Frieden und Spiritualität sind zutiefst berührt und erfüllt.

Übrigens kam heute Mittag ein Spezialtechniker von Buderus und hat zwei Stunden an der Heizungsanlage gearbeitet. Um drei konnte ich das erste Mal diese Woche heiß duschen. Auch dafür bin ich dankbar. Die Heizung läuft, ein Fühler, eine Zündkerze und ein Feuerungsautomat waren im Eimer, offenbar eine Kettenreaktion. Jetzt läuft wieder alles. Es ist kuschelig warm im Haus! Danke!

Und ich danke meiner Freundin Ina, die mich heute erst zu Teppich Kibek und dann zum Augenarzt begleitet hat. Es tat so gut, Unterstützung zu haben, begleitet zu werden von jemandem, der einem zugewandt ist. Es war mir schwer, sie zu fragen. Aber süß und leicht, zusammen Laminatpakete und Scheuerleisten zu transportieren. Ich bin glücklich. Ich bin reich. Ich bin beschenkt. Ein Freund sagte heute Morgen zu mir, „du verlegst schon mal die Leitungen, auch wenn du noch nicht weißt, wo der Strom herkommt“. Genau so erlebe ich es.

Und ich danke meiner Freundin Steffi Ebel von der Firma Weckerwerk. Heute trafen nämlich die neuen Visitenkarten ein, die sie für mich gestaltet hat. Ich bin ganz andächtig vor so viel Schönheit. Als habe sie meiner allerschönste Seite entdeckt und zu Papier gebracht. Ich, die ich Jahrzehnte lang von mir dachte, ich hätte keinen Stil (… was für ein Wolf …) merke auf einmal, dass es darauf ankommt, auf mich zu hören, statt andere zu kopieren oder mich anzulehnen. Ich darf mir Zeit nehmen, meins zu finden, meins zu feiern, meins zum Ausdruck zu bringen. Anscheinend ist heute Weihnachten, so viele Geschenke sind hier in den vergangenen 24 Stunden eingetroffen.

Und wofür könnt Ihr heute dankbar sein?

So long!

Ysabelle

Sieben Wochen ohne…

Hallo, Welt!

Gestern Abend sprach ich mit einer Freundin über den Beginn der Fastenzeit. Sie sieht keine Veranlassung, sieben Wochen auf etwas zu verzichten und sich immer wieder mit dem Mangel auseinanderzusetzen und will für die Zeit bis Ostern bewusst Fülle in ihr Leben bringen.
Ich habe auch überlegt, wie ich diese Wochen gestalten möchte. Ich rauche nicht mehr und trinke keinen Alkohol. Fernsehen spielt bei mir keine Rolle. Naschen hält sich in Grenzen, obwohl ich gestern eine ganze Tüte Haribo weggehauen habe und auch in Steyerberg nicht am Keksteller vorbeigekommen bin. Sieben Wochen Internet-Fasten, das wäre wahrscheinlich die Höchststrafe für mich, aber das steht aktuell nicht zur Debatte.

Gestern hatte ich einen Termin auf einer Behörde. Ich nahm an mir wahr, wie sehr ich mich unter Druck fühle. Und ich wunderte mich über die Rückmeldung meines Gegenübers: Sie tun ganz viel! Das ist alles ganz viel. Sie sind ja noch gar nicht zur Ruhe gekommen… Meine Erwartung an diesen Termin war, dass es eher noch mehr Druck geben würde. Offenbar habe ich mit Druck ein Thema.

Und so entstand gestern Abend die Idee: Sieben Wochen ohne Druck.
Ich mache mir meinen Druck ja selbst. Es sind meine Erwartungen an das, was ich leisten muss oder sollte, die mich be-drücken. Und es ist der innere Kritiker, der mir wieder und wieder zurückmeldet, es sei nicht genug. Streng dich an! Das reicht nicht… Ich kann mich nur mit Mühe erinnern, wann ich das das letzte Mal von einem anderen Menschen gehört habe. Es gibt Familienmitglieder, die immer mal wieder einen Ball auf dieses Tor schießen. Und dann war da mein Chef, der mich beim Wort „Schokolade“ auseinander genommen hat, vor ziemlich einem Jahr. Mehr Beispiele kann ich gerade nicht abrufen. Bei weitem nicht genug, um den Druck in meinem Inneren zu rechtfertigen…

Ich habe daher entschlossen zu versuchen, mich sieben Wochen lang nicht unter Druck zu setzen.
Im Augenblick bin ich in der glücklichen Situation, dass alles um mich herum einigermaßen geregelt ist. Das wird sich ändern. Aber im Moment ist es noch so. Und ich kann es mir erlauben, sieben Wochen loszulassen und meinem Druck nachzuspüren. Was sagt es in meinem Kopf? Was treibt mich an? Ehrlich gesagt bin ich ganz beglückt über diesen Einfall. Ich habe im Augenblick quasi einen geschützten Rahmen und gleichzeitig guten Kontakt mit GfK-Freunden. Eine günstige Gelegenheit, mich mit mir zu verbinden und zu spüren, wenn die Druckwellen kommen. Mir zuhören, mich Ernst nehmen. Das scheint mir eine wunderbare Idee. Erst mal für sieben Wochen. Und dann… den Rest des Lebens, oder?

So long!

Ysabelle

Übrigens… nehmt auch Ihr teil an dieser Fastenaktion? Welches Thema stellt Ihr für diese Zeit in den Mittelpunkt?

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