Hallo, Welt!
Gestern rief mich ein alter Freund an und wollte wissen, ob ich für ihn eine Anzeige formulieren würde, mit der er einen Deutschlehrer für seine Partnerin mit Migrationshintergrund suchen wollte. Im Verlauf unseres Gesprächs stellte sich recht deutlich heraus, dass diese Anzeige eine Strategie war, und zwar mitnichten die beste für das, was er erreichen wollte.
Wir nahmen also gemeinsam ein Bad in den Bedürfnissen und fanden unter anderem heraus, dass es ihm um Wachstum, Lernen, Effektivität, Leichtigkeit Freiheit, Struktur, Unterstützung, Anerkennung, Gesehen werden und ein paar andere wunderbare Dinge ging. Wir entdeckten dann nach rund 40 Minuten eine neue Strategie, die uns besser erschien als die, einen Deutschlehrer zu suchen: Einen Excel-Kurs an der Volkshochschule.
Mein alter Freund war quietschvergnügt und bestärkt, ich erfreut und bereichert, weil sich wieder einmal gezeigt hatte, dass es sich lohnt, zuerst nach den Bedürfnissen zu gucken. Doch etwa eine Stunde nach dem Telefonat fühlte ich mich gar nicht mehr so behaglich. Gabriel hatte mir nämlich dieser Tage eine Aufgabe formuliert, und an der war ich elegant vorbeigeschrammt. Die Aufgabe lautet: Frage die Leute in deinem Leben, denen du schon heute ganz professionell mit deinen GfK-Werkzeugen hilfst, ob sie auch bereit wären, dafür zu bezahlen. Und wenn ja, wie viel.
Ich habe meinen alten Freund nicht gefragt.
Ich glaube, es ist Scham, die mich davon abhält, das Thema Geld überhaupt anzuschneiden. Das ist doch nichts, was du da getan hast… unter Freunden macht man so was doch aus Liebe… da kannst du doch kein Geld für nehmen… sei nicht so raffgierig… mit dir will keiner mehr befreundet sein, wenn du immer gleich die Hand aufhältst… Nach der Übungsgruppe am vorigen Donnerstag war es mir ganz schwer zu sagen, ich hätte gern pro Person vier Euro. Und mein Freund Markus sagte später zu mir: „Ich habe kein Problem, zehn Euro zu verlangen, wenn ich die Übungsgruppe leite“. Ich schon.
Es fällt mir schwer, meinen eigenen Leistungen einen Wert zu geben. Bei der Suche nach Orientierung fand ich folgende Zahlen:
Gebührenordnung für Heilpraktiker (GebueH)
19.1 Psychotherapie von halbstündiger Dauer 15,50 – 26,00 €
19.2 Psychotherapie von 50-90 Minuten Dauer 26,00 – 46,00 €
Und dann hörte ich, dass Karten legen oder Horoskop stellen mal eben zwischen 40 und 90 Euro kostet. Und ich zahle für eine Stunde meines Tischlers 32 Euro plus Anfahrt und der Fernsehtechniker kommt auf 45 Euro die Stunde plus MwSt. Eine Stunde bei einem Coach kostet zwischen 60 und 90 Euro, eine Trainerstunde bei einem Bildungsträger wird mit 28-30 Euro vergütet. Welchen Wert hat eine Stunde Einfühlung? Welchen Wert hat es, mit dem Gegenüber eine Stunde ein Anliegen zu bearbeiten? Welchen Wert hat eine Stunde Übungsgruppe? Welchen Wert hat es, dass ich inzwischen rund 10000 Euro in diese Ausbildung gesteckt habe?
Sonntag habe ich mit einer Freundin an einem bestimmten Thema herumgekaut. Wir saßen gemütlich am Küchentisch und glitten wie von selbst in die GfK, nutzten die Empathie-Pokerkarten, plauschten hin und her. Ein kostenpflichtiges Vergnügen? Nein!
Leute, wie kann ich eine klare Grenze ziehen? Was mache ich aus Freundschaft, was ist einfach eine „normale“ Unterhaltung in der Haltung der GfK und was ist Geld wert?
Kein Geld zu verlangen erfüllt mir die Bedürfnisse nach
Schutz
Wertschätzung
Harmonie
Integrität
Empathie (für den anderen)
Anerkennung
Unterstützung
Zugehörigkeit
Leichtigkeit
Authentizität
Sinn
Kongruenz
Vertrauen
Gemeinschaft
Angenommen sein
Verbindung und
Klarheit
Alle Achtung, ganz schön viele Bedürfnisse. Am stärksten sind vielleicht Schutz (vor Verlust), Harmonie (bloß kein Stress, indem ich nach Geld frage), Unterstützung und Angenommen sein.
Gleichzeitig merke ich, dass aber auch einige Bedürfnisse dabei unerfüllt bleiben:
Sicherheit (materielle)
Gesehen werden
Respekt
Ehrlichkeit
Klarheit
Wertschätzung
Selbstvertrauen
Vertrauen (in die Verbindung zum anderen)
Verbindung
Wirksamkeit
Anerkennung (meiner Leistung)
fallen mir dabei auf.
Und dann liegt hier noch die Karte „Freiheit“. Ich möchte auch die Freiheit haben, meine GfK-Tools anzuwenden oder nicht, und nicht reflexartig das Empathiepoker rauszuholen und in die „Beratung“ zu gehen.
Ich merke gerade, dass ich diese Freiheit aktuell noch nicht fühle. Mein Wunsch beizutragen ist in aller Regel so groß, dass andere Bedürfnisse dahinter zurücktreten.
Jetzt habe ich ein bisschen mehr Klarheit, bin aber noch immer ratlos und wie gelähmt bei dem Gedanken, jemanden nach Geld zu fragen.
Ich wüsste gern von Euch: Wie haltet Ihr das? Was ist für Euch eine Leistung, für die Ihr gern bezahlt? Und wann seid Ihr bereit, überhaupt etwas zu bezahlen? Ich bin für jede Rückmeldung dankbar.
So long!
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