Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Dankbarkeit: 6. Dezember

Hallo, Welt!

Heute Morgen erwischte mich eiskalt der Nikolaus. ich hatte schon Schnee geschippt (welcher Idiot hat die weißen Weihnachten erfunden? Die Schweizer waren es!) Entsprechend eierig war ich dann unterwegs zum Zug. Doch unterwegs lauerte mir der Nikolaus auf und hatte ein un-glaub-liches Geschenk für mich. Ich liebe es! Leute, das ist nicht zu steigern. Selbst als Susanne mir im Zug ein selbstgemachtes Pfefferkuchenhäuschen aus Lebkuchen-Keksen überreichte, konnte das meine Begeisterung über den weihnachtlichen Klorollenhut nicht noch toppen. Danke an den Nikolaus, ich bin begeistert und beglückt.

Es folgte ein Anschlag auf meine Hüften. Vor dem Computer im Büro stand ein Teller mit selbstgemachten Kekspralinen. Mjam-Faktor 10. Schade, schon alle weg…
Und dann verirrte sich heute noch ein neuer Laptop zu mir. Was für ein Tag! Freude! Dankbarkeit! Jauchzet & frohlocket mit mir! Einzig das Päckchen, das Gabriel an mich geschickt hat, ist noch nicht da. Schnief.

Heute geht auch wieder ein Türchen in unserem spirituellen Aventskalender von Gerald Jampolsky auf.

Lektion 6

Ich bin nicht das Opfer der Welt, die ich wahrnehme

Hm. Diese Aussage erinnert mich an einen Satz aus dem 12-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker. Dort heißt es in einem der 12 Versprechen: Unsere Ich-Bezogenheit wird in den Hintergrund treten. Ich nehme beide Aussagen so wahr, dass ich mich von dem Gedanken verabschiede, dass das, was geschieht, etwas mit mir zu tun hat…

Während ich diese Zeilen tippte, läutete mein Telefon. Eine Freundin rief an, weinend. Hier im Dorf erzählt jemand, wir hätten eine erotische Beziehung miteinander. Das hätte ich vor 15 Minuten nicht gedacht, dass ich gleich noch ein praktisches Beispiel serviert kriege… Ich könnte mich jetzt als Opfer des Menschen sehen, der solche Geschichten über mich erzählt. Ich bin aber nicht verpflichtet dazu.

Wie geht es mir, wenn ich das höre? Ich bin irritiert und ein bisschen ärgerlich. Mit der Freundin verbindet mich eine wunderbare Gemeinschaft und eine große Leichtigkeit. Wir unterstützen uns gegenseitig. Ein Grund zur Freude und zur Dankbarkeit. Und ich bin auch dankbar, dass ich heute nicht mehr losrasen muss, um diese Person zur Rede zu stellen, die solche Geschichten über mich erzählt.
What you think of me is none of my business.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 5. Dezember

Hallo, Welt!

Heute kratze ich mal ein bisschen den Topf aus, was Dankbarkeit angeht.
In der Kantine gab es ein tolles Mittagessen. Das habe ich wirklich mit Genuss in mich reingeschaufelt und mich anschließend beim Personal bedankt, weil ich es so lecker fand.

In meiner Post fand ich eine Bestellung für 30 (!) Bedürfniskärtchen. Ich bedanke mich bei mir selbst, dass ich im Gespräch mit dem bestellenden Menschen auf Vorkasse beharren konnte. Vertrauen ist eine tolle Sache. Ich möchte überall da Vertrauen leben, wo es welches gibt. Jemand völlig Fremden für 24 Euro Ware zu schicken gehört nicht dazu. Spannend, dass sich ein paar Wölfe meldeten, die meinten, ich müsse die Karten einfach so abschicken und darauf vertrauen, dass der andere zahlt… Hallo, Fleischfresser… ich muss gar nichts! Ich kann mich genau für das Level an Sicherheit entscheiden, das ich brauche.

Ein Kollege hat mich für heute Abend zu einem Konzert eingeladen. Mein Herz wäre gern mit ihm gegangen. Mein Verstand entschied, dass ich nach diesem wenig erholsamen Wochenende heute Abend früh im Bett sein sollte und nicht erst um 23.50 zu Hause eintrudeln. Ich fürchte, ich habe meine Dankbarkeit für die Einladung nicht so deutlich zum Ausdruck gebracht, wie ich sie gefühlt habe. Noch deutlicher fühlte ich aber Gewissensbisse (oh, ja, mein Gewissen hat Zähne!), weil ich eben abgesagt habe…

Und ich bin dankbar für mein schönes Zuhause. Es war wunderbar, die Haustür aufzuschließen und ins Warme zu kommen. Ich habe mich gefreut, im Wohnzimmer die Lichterkette leuchten zu sehen. Ich freue mich über die Unterstützung, die ich in den vergangenen Tagen hatte. Und ich freue mich über die Nachrichten von Corinna und Marion. Vielleicht machen wir Silvester eine wilde Weiberparty!

Und dann gibt es noch den Spruch des Tages von Gerald Jampolsky:

Lektion 5
Ich kann der Welt meiner Wahrnehmung
entkommen, indem ich Angriffsgedanken aufgebe

Wie wahr, möchte ich da ausrufen. Angriffsgedanken – Das heißt ja nicht nur, dass ich daran denke, jemanden anzugreifen. Es heißt ja auch, dass ich mich von dem Gedanken verabschiede, angegriffen zu werden. Mein Gegenüber greift mich nicht an, sondern er teilt mir mit, dass er wichtige unerfüllte Bedürfnisse hat. Und ich kann mich dafür entscheiden, dass das einfach nur eine Form des Selbstausdrucks ist. Sie hat nicht wirklich etwas mit mir zu tun – auch wenn der andere entschieden hat, das ein bestimmtes Verhalten meinerseits seine oder ihre Bedürfnisse am allerbesten erfüllen würde… zum Beispiel, wenn ich mich einfach in Luft auflöste… *seufz*. Ich kann der Welt meiner Wahrnehmung entkommen, indem ich Angriffsgedanken aufgebe. Schade, dass ich für solche Gehirnakrobatik heute Abend schon zu müde bin…

So long!
Ysabelle

Bescherung!

Hallo Ihr Lieben!

Dieses Wochenende hatten wir einen Couchsurfer zu Gast bei uns zuhause. Er hat heute ein Vorstellungsgespräch in unserer Stadt gehabt und kommt von weiter weg, deswegen war es für ihn am praktischsten, früher anzureisen und hier zu übernachten.

Seine Mail am Mittwoch mit der Bitte um einen Schlafplatz war zunächst sehr zurückhalten, verlegen, fast als würde er sich schämen wegen einer Couch anzufragen und hätte keine große Hoffnung, so spontan noch etwas zu finden. Ich konnte zwischen den Zeilen deutlich seine Unsicherheit lesen, wahrscheinlich auch genährt durch den Gedanken, dass seine Bedürfnisse eine Belastung darstellen. Ich kann allerdings ehrlich sagen: Es war ein wunderschönes Wochenende, nach einem Tag hat es sich angefühlt, als würden wir seit Jahren in einer WG zusammen leben – Nähe, Vertrautheit, Offenheit, Sympathie. Es war ein großes Geschenk für meine Freundin und mich, und wir uns außerdem sehr gefreut, ihn zu unterstützen und sein Leben durch unsere Gastfreundschaft bereichern zu können.

Ich glaube, dass auch er sich sehr wohl gefühlt hat, entspannt, sicher, locker. Und ich hoffe, dass er an diesem Wochenende seine Bedürfnisse anders wahrnehmen konnte, nicht mehr als eine Belastung sondern als das, was sie wirklich sind – Geschenk e!

Es fühlt sich so toll an, beitragen zu dürfen und etwas vom eigenen Reichtum abgeben zu können! Wie sollte ich diese Erfahrung je machen, wenn keiner sich beschenken lässt, aus Angst, zur Last zu fallen?

Ich kenne natürlich auch die andere Seite. Für mich war es selber lange schwer, ein Geschenk anzunehmen. Ich glaubte, mir alles verdienen zu müssen, alles alleine schaffen zu müssen, alles zurückzahlen zu müssen. Um ein Geschenk zu bitten wäre mir wohl nicht so leicht in den Sinn gekommen. Zurückblickend bin ich sooo dankbar für die vielen Menschen auf meinem Weg, die sich gefreut haben, mich zu beschenken als ich es am dringendsten brauchte. Ich konnte ihnen kein Geld zurückgeben, ihnen nicht helfen, ich dachte, ich hätte ihnen nichts zu geben.

Ich durfte von ihnen lernen, Geschenke anzunehmen, mich wirklich darüber zu freuen und darauf zu vertrauen, dass es wirklich Geschenke sind. Und ich konnte in ihren Augen sehen, dass sie genauso glücklich waren wie ich!

Heute feiere ich, dass ich an diesem Wochenende selber schenken durfte und ich wünsche uns allen noch viele solche Erfahrungen, als Schenker und Beschenkte!

 

Markus

Dankbarkeit: 4. Dezember

Hallo, Welt!

Heute ist ein großartiger Tag für Dankbarkeit. Ich hatte wunderbare, bereichernde Kontakte. Zum einen habe ich die Menschen abtelefoniert, die bei mir auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlassen haben. Und nun habe ich zwei sehr schöne Verabredungen, auf die ich mich sehr freue. Da gab es Wertschätzung und Verbindung und Wärme und Leichtigkeit.
*W*U*N*D*E*R*B*A*R*
Dann sind heute die Heinzelmännchen da gewesen. Also, es wäre genug Arbeit für drei gewesen, aber gesehen habe ich nur eins. Vermutlich hat dieses eine Heinzelmännchen heute Abend Blasen an den Händen vom vielen Schrauben… Und nun stehen in meinem Wohnzimmer ganz viele schöne neue Möbel. Oh, wie schön ist Panama…

Gerald Jampolsky hat für den 4. Tag wieder eine fantastische Affirmation parat:

Lektion 4

Ich bin entschlossen, die Dinge
anders zu sehen

Und das hat mir heute zu einer überraschenden Einsicht verholfen. Ich hatte die verrückte Idee, ich könnte ja mal so tun, als ob etwas, was sich ereignet hat, sich nicht ereignet hätte. Unglaublich, wie viel Erleichterung mir dieser alberne Gedanke schenkte. Nicht das, was geschehen ist, macht mir Kummer, sondern das, was ich darüber denke. Also: Ich bin entschlossen, die Dinge anders zu sehen.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 3. Dezember

Hallo, Welt!

Heute hat jemand für mich gearbeitet.
Ich war als Assistentin in einer GfK-Einführungsveranstaltung dabei. Jemand brachte ein Thema mit, das ihn sehr beschäftigte. Ziemlich gegen Ende haben wir versucht, im Innen-Außen-Tanz für den Konflikt eine Klärung herbeizuführen. Im Endergebnis stellte sich heraus, dass zu diesem Zeitpunkt keine Klärung möglich ist, es nicht passt. Und dass sie beste Strategie eben nicht ist, um jeden Preis mit dem Opponenten in Verbindung zu treten, sondern sich auf die eigenen Ressourcen zu besinnen.

Lektion 3

Ich bin niemals aus dem Grund verstimmt, den ich annehme

In einem Konflikt, der für mich so schwer zu ertragen ist, geht es gar nicht um den Grund, der da formuliert wird. Ich weiß nicht, worum es der anderen Seite geht. Vielleicht um Autonomie, Wertschätzung und Respekt. Bei mir geht es jedenfalls darum, dass ich viele Bewertungen höre und die weder mein Ohr noch mein Herz erfreuen. Gleichzeitig gehen die Aussagen so sehr an mein Eingemachtes, dass ich die Situation schwer aushalte.
Durch die Arbeit heute ist mir klar geworden, dass ich wie ein Kaninchen auf die Schlange auf die Bewertungen schaue, mit denen ich versorgt werde. Es gibt einen heftigen Impuls, sie zurückzuweisen, Beweise zu sammeln und zu präsentieren, dass alles ganz anders ist. Ich würde am liebsten Genugtuung fordern und Truppen aufstellen.

Durch die Arbeit heute ist mir noch einmal deutlich geworden:
Ein jegliches hat seine Zeit.
In diesem Fall: Verbindung hat seine Zeit, und Abstand hat seine Zeit.

Und wenn jemand mir so deutlich sagt, dass er ein Bild von mir hat, das ihm ganz und gar nicht gefällt, dann kann ich mit Menschen zusammen sein, die gern mit mir zusammen sind. Ich kann die Gemeinschaft mit Menschen feiern, die mich lieben und unterstützen, mich sehen, für mich da sind. Der Mensch, der über mich urteilt, hat wichtige unerfüllte Bedürfnisse. Und wenn ich zum jetzigen Zeitpunkt keine empathische Verbindung aufbauen kann, weil bei mir ebenfalls wichtige Bedürfnisse unerfüllt sind, darf ich mich um mich und meine Bedürfnisse kümmern und muss nicht etwa über all meine Grenzen gehen, nur weil ich in der Trainer-Ausbildung bin. Zum jetzigen Zeitpunkt ist dran, gut für mich zu sorgen. Das ist die Lektion des heutigen Tages, und ich bin zutiefst dankbar, dass ich das aus einer Einführung mit rausnehmen durfte.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 2. Dezember

Hallo, Welt!

Eben habe ich nachgeguckt, was Jampolsky als zweite Lektion für mich parat hat. Sie lautet:

Lektion 2

Vergebung ist der Schlüssel zum Glück

Ich habe kurz gestutzt und mich gefragt, was denn Vergebung und Dankbarkeit für mich miteinander zu tun haben. Und mir ist aufgegangen, dass ich mir einiges zu vergeben habe. Meist bin ich nämlich schärfer, kritischer, unbeugsamer mit mir als meine Mitmenschen. Ausnahmen bestätigen diese Regel. Und dann kann ich doch wirklich dankbar sein, dass ich heute merke, dass ich mir etwas zu vergeben habe, statt mich weiter zu wolfen…

Es gibt noch einen Menschen, dem ich heute besonders dankbar bin.
Heute war nämlich mein Ikea-Tag. Hurra, ich war shoppen. Im Kaufrausch habe ich gar nicht gemerkt, dass die Ladekapazitäten meines Autos längst überschritten waren. Und noch ein Regal und noch ein Beistelltisch, und noch ein Kissen…

Irgendwie hatte ich gemeint, entweder kriege ich es rein oder ich lasse es vom Spediteur liefern. Doch es kam viel besser.

Mein Freund Jens reagierte auf meinen Notruf, warf sich ins Auto, klemmte den Anhänger hinten dran und bretterte los. Echt, wir hätten keine Chance gehabt, auch nur die Hälfte in mein Auto zu kriegen. Aber Jens hat alles, alles zu mir nach Hause geschafft, dann noch die alte Couch auseinandergebaut, eine neue aufgebaut und den neuen Fernseher installiert. Hurra, wie großartig ist das denn! Zwischendurch hätte ich weinen können vor Freude und Dankbarkeit. Unterstützung! Wertschätzung! Gemeinschaft! Verbindung! Wärme! Leichtigkeit! Spaß! Und ich sag Euch was: Das neue Zimmer wird bomfortionös großartig.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 1. Dezember

Hallo, Welt!

Wie schon im vorigen Jahr möchte ich den Dezember zu meinem persönlichen Dankbarkeitsmonat machen. Vielleicht gelingt es mir, auch ein paar Gedanken von Gerald Jampolsky einzuflechten, der mich mit seinem berührenden Büchlein „Lieben heißt die Angst verlieren“ seit Jahren inspiriert. Manchmal verliere ich die einfachen Weisheiten aus dem Fokus, die er darin zusammengestellt hat. Die Adventszeit und der Dankbarkeitsmonat sind eine gute Gelegenheit, mich zu erinnern.

Lektion 1
Alles was ich gebe, wird mir gegeben

Heute Mittag erreichte mich eine Mail, die ich gelinde gesagt schwer lesen kann. In meinem Kopf spielt sich ordentlich was ab und es ist mir schwer, mich mit diesem bewegten Herzen auf das Thema Dankbarkeit zu konzentrieren. Wofür möchte ich heute dankbar sein?

Ich bin dankbar, dass ich Arbeit habe. Und ich bin dankbar, dass ich bei guter Gesundheit bin oder anders gesagt, dass meine Zipperlein meine Lebensfreude nicht beeinträchtigen. Ich bin dankbar für zwei warme Mails einer GfK-Freundin, die mich gestern erreichten. Ich bin dankbar für mein schönes Zuhause und dafür, dass es in diesem Jahr noch schöner geworden ist. Ich bin dankbar, dass sich das Verhältnis zu bestimmten Menschen in meiner Familie oder aus meiner Lebensgeschichte so entspannt hat, dass ich hier so viel Wertschätzung und Verbindung erleben darf. Ich bin dankbar für einen Konflikt in meiner Übungsgruppe. Wir haben so intensiv miteinander gerungen und hatten trotz aller Meinungsunterschiede so viel Respekt und Wertschätzung füreinander, dass ich diesen Konflikt einfach nur feiern möchte.

Was habe ich in diesem Konflikt gegeben? Ich habe auf den Prozess vertraut. Und ich habe gewusst, dass mein Wert nicht davon abhängt, ob wir dieses Thema jetzt beglückend lösen können oder nicht. Und genau das ist zurückgekommen. Es war der schönste Konflikt, den ich je hatte – so bekloppt wie sich das anhört. Und dabei war ich zwischenzeitlich wirklich nicht optimistisch, dass wir uns überhaupt einigen. Aber wir haben nie den Respekt füreinander verloren.

Wenn ich also an einer Stelle Respektlosigkeit beklage, mangelnde Wertschätzung, Verbindung,
dann ist es wahrscheinlich an der Zeit, Wertschätzung, Respekt und Verbindung zu zeigen, zu leben.

Das ist die Lektion, die ich heute lernen möchte.
Ich bin dankbar dafür, dass ich mit den Jahren solche Fortschritte machen durfte, dass ich das erkennen kann.

So long!

Ysabelle

Bedürfnisse: Unterstützung

Hallo, Welt!
Samstag brauchte ich ganz dringend einen besonderen Stecker, traute mich aber gleichzeitig nicht aus dem Haus, weil ich auf den Paketboten wartete. Als sich eine Freundin von „um die Ecke“ meldete, war ich super-erleichtert, denn ich konnte sie fragen, ob sie bei ihrer Runde mit dem Hund in dem Geschäft vorbeigehen könnte, um so ein Kabel zu kaufen. Dazu hatte sie ganz viel technisches Verständnis und verhindert auch noch, dass irgendein Blödsinn in die Tüte kam.
Ich merkte an meinem Stress an diesem Vormittag, dass ich fast nie um Unterstützung bitten kann. Ich habe da einen ganzen Überseekoffer voller Besorgnisse auf dem Buckel. Allerdings sind sie meist nicht etwa präsent, sondern irgendwie so fies subkutan, unter der Haut. Wenn ich mir ganz viel Mühe gebe, höre ich die Stimmen, die solche Sachen sagen wie: Geh anderen Leuten nicht auf die Nerven… Du erwartest zu viel. Immer muss sich alles um dich drehen… Ich erinnere mich noch gut an die erste Stunde bei Anja Kenzler, in der es um die Bearbeitung von Glaubenssätzen ging. „Und was ist die Beobachtung dazu?“ Die Beobachtung ist jedenfalls nicht, dass ich auch nur einmal die Woche um Unterstützung bitte. Damit meine ich jetzt nicht solche Sachen wie „kannst du mir mal bitte die Tür aufhalten?“

Wenn ich darüber nachdenke, wen ich um Unterstützung fragen könnte, kommt erst mal ein „Blank“-Stein auf meinem geistigen Scrabble-Brett. Erst wenn ich die Aufgaben präzisiere, gibt es Antworten. Ich brauche Einfühlung? Gabriel! An erster Stelle. ABER! Wenn ich weiß, dass Gabriel zu tun hat, morse ich ihn nicht an. Je nach Thema denke ich an Anke, Claudia, Ursula, Wiebe. Aber bis ich sie tatsächlich anrufe, muss schon echt viel Druck auf dem Kessel sein.

Ich merke, dass ich auf unsicherem Boden unterwegs bin. Wie ein Jäger auf der Pirsch nach einem Raubtier versuche ich mich nach allen Seiten abzusichern. Welche Signale sendet der andere? Kann ich mich wirklich zumuten? Es gibt gewachsene Beziehungen, in denen ich mich trotzdem kaum zumuten kann. Meine liebste Freundin aus Braunschweig zum Beispiel: Obwohl uns seit Jahren so viel verbindet, ist es für mich erst mit einer gewissen Leichtigkeit möglich geworden sie anzurufen, wenn bei mir die Luft brennt, seit sie selbst GfK betreibt. Das gibt mir (mehr) Sicherheit, dass sie NEIN sagt, wenn es ihr nicht passt. Und ich habe keine Sorge um die Tragfähigkeit unserer Beziehung, wenn sie nein sagt. Ganz im Gegenteil. Dann weiß ich nämlich an anderer Stelle, dass ihr Ja uneingeschränkt ist. Und wenn sie sagt, „ich habe nur eine halbe Stunde Zeit“, kann ich diese Zeit nehmen ohne mich zu sorgen, dass sie in Druck gerät oder hinterher ärgerlich ist, denn ich habe das Vertrauen, dass sie mir wirklich sagt, was sie anbieten kann und was nicht geht.

Ich brauche also Verbindung, Sicherheit und Klarheit, wenn ich um Unterstützung bitten will. Und ich genieße es, dass die Beziehung nicht auf dem Prüfstand steht, wenn der andere mir gerade keine Unterstützung geben kann. Oder wenn ich nein sage. Es kommt nur ganz selten vor. Aber zumindest unter Giraffen halte ich es aus, gelegentlich meine Bedürfnisse genau so wichtig zu nehmen wie die meines Gegenübers.

Wachstum ist machbar, Herr Nachbar!

So long!

Ysabelle

Vergebung. Ganz einfach. Oder doch nicht?

Hallo, Welt!
Aktuell beschäftige ich mich mal wieder mit dem Thema Vergebung.
Ich habe ja vor ein paar Jahren schon mal heftig abgeschäumt zum Thema „Radikale Vergebung“ von Colin Tipping. Das Buch habe ich wohl 20 Mal in die Ecke geschmissen, verschiedene Textpassagen fand ich so verstörend, dass ich ich gar mehr weiter lesen wollte. Aber ein bisschen was ist doch hängen geblieben, zum Beispiel die Erkenntnis, das die Kreation von Schuldigen und Opfern oft nur in meinem Kopf stattfindet.
Ich habe hier mal ein paar Anregungen zusammengetragen,

Vergebung bei Wikipedia (Auszug)
Der Gesprächspsychotherapeut Reinhard Tausch hat die psychologische Dimension des Vergebens empirisch untersucht.[4] Demnach handelt es sich um intensive innere Selbstgespräche, die eine mentale Bewältigung des verletzenden Ereignisses ermöglichen. Tausch weist darauf hin, dass bereits eine „innere“ Vergebung ausreichend sein kann, vor allem wenn der andere nicht erreichbar ist oder eine Mitteilung unangemessen erscheint.

Anselm Grün beschreibt den Weg zur Vergebung als Distanzierung von den eigenen Emotionen. So unterscheidet er etwa zwischen schädlichem Zorn und heilsamer, vor seelischer Kränkung schützender Wut.

Verzeihen ist Schwerarbeit. Der Vergebungsforscher Dr. Robert D. Enright, Universität von Wisconsin, Madison, erläutert vier Stufen des Vergebung, die analog mit den vier Äras der Medizin zu vergleichen sind:

Die vier Stufen der Vergebung

Entdecke und anerkenne den Ärger in dir. – Energieräuber – potentieller Krankmacher
Entscheide dich, wirklich zu vergeben. – Alternative
Vergib beharrlich und lass Schicht um Schicht los. – Arbeit
Feiere deine emotionale Befreiung. – Gnadenerfahrung

So weit die Fremdquellen. Jetzt komm ich.

Ich merke ziemlich deutlich, dass ich gegen einige Menschen in meinem Umfeld richtigen Groll habe. Ich bin ziemlich verstrickt in einem blöden Opferding, und ich hab noch nicht so ganz schlau, wie ich da heil rauskomme. Im Moment versuche ich es mit der Strategie „so tun als ob“, Ich tue einfach so, als gäbe es in Bezug auf diese Menschen diese unerfüllten Bedürfnisse nicht. Eine weitere Strategie, die ich anwende, ist so etwas ähnliches wie beten. Also, ich versuche, dem anderen Liebe zu schicken, Wohlwollen, Wärme. Das finde ich besonders ambitioniert. Dann habe ich auch noch die Strategie, anderen Leuten die Ohren vollzujammern, wie schlecht es mir mit der aktuellen Situation geht, wie unzufrieden ich bin. Ok, kurzfristig hat das entlastenden, affirmativen Charakter, aber es löst das verdammte Problem nicht. Außerdem entspricht das nicht meinem Bedürfnis nach Kongruenz und Wertschätzung für die andere „Partei“, deren Bedürfnisse ich respektieren möchte.
Bingo!
Ich merke gerade, ich bin sehr bereit, die Bedürfnisse der anderen Seite zu akzeptieren. Und gleichzeitig fühle ich so einen tiefen Schmerz, dass meine Bedürfnisse in diesem Miteinander nicht gesehen werden, oder zumindest dass es keine Resonanz dazu gibt. Das tut einfach nur weh.
Wie ich mich kenne, heißt das wahrscheinlich auch mal wieder, dass ICH mich um MEINE Bedürfnisse nicht ausreichend kümmere. Na super. Noch ne Baustelle. Na ja. Muss ja nicht alles auf einmal sein. ich schätze mal, das Thema dürfte mich noch eine Weile beschäftigen. Vielleicht druck ich mir mal wieder nen Tipping-Fragebogen aus. Das muss man ihm lassen: Das Ding setzt was in Bewegung.

So long!

Ysabelle

Freilebende Giraffe

Hallo, Welt!
Heute Abend hatte ich einen geschäftlichen Abendtermin. Durch die Dunkelheit stapfte ich zu dem Lokal, in dem das Treffen stattfinden sollte. Ah, da war es ja! Ich öffnete die Glastür und platzte mitten in eine Begrüßungsszene. Brav schlängelte ich mich hinter die beiden Leute, die da willkommen geheißen wurden. Doch bevor ich an die Reihe kam, öffnete sich die Tür erneut, zwei weitere Menschen kamen herein und standen, schwups, vor mir. Plausch, Plausch, Laber Rhabarber… Ich merkte, wie in mir die Wut aufflammte.

Hey, was ist los, wisperte es in meinem Kopf, denn ich tobte innerlich. Meine Bedürfnisse nach Gesehen werden, Wertschätzung, Verbindung, Respekt, Teilhabe, Ordnung und vielleicht noch manches andere waren mal komplett im Mangel.

Da öffnete sich erneut die Tür. Wieder kamen zwei Menschen herein, die lautstark und herzlich willkommen geheißen wurden. Am liebsten hätte ich mit meiner 15-Kilo-Handtasche um mich geschleudert. Ich ballte die freie Faust, zählte den Countdown, um den Laden zu verlassen.

Da schlängelte sich eine schlanke Frau in einem schicken Schwarzweiß bedruckten Kleid zu mir durch. „Hallo, mein Name ist XY, Sie haben ja einen ganz unglücklichen Platz da hinter der Tür erwischt!“ Ich knirschte mit den Zähnen und zischte, „ja, ich bin auch direkt vorm Gehen, das reicht mir hier für heute Abend!“

Sanft zog mich die Frau aus der Ecke raus und murmelte beruhigend auf mich ein. Ich weiß nicht mehr genau, was sie sagte, aber es waren solche Dinge wie „ja, so was kenne ich, das ist auch wirklich blöd, wenn man so gar nicht drankommt…. Geben Sie mir mal Ihre Jacke… Ich habe ein schönes Plätzchen für Sie… nehmen Die erst mal ein Glas Wein oder Champagner zur Entspannung….“

Deutlich besänftigt knurrte ich nur, „ich trinke keinen Alkohol“. Sie nahm mir den Mantel ab und bugsierte mich dann um ein paar Tische zu dem Starkoch, der an dem Abend eine wichtige Message verbreiten wollte. So kam ich zu einem fachkundigen Vortrag über Graukäse, Gamsschinken und Weinanbau in Tirol (nahezu keiner, bis jetzt…).

Als es zum Essen ging, gelang es mir, noch einmal die schwarzweiße Dame zu erwischen und ihr meine Dankbarkeit auszudrücken. „Sie haben mir den Abend gerettet… Ich war wirklich kurz davor zu gehen. Aber es hat mir so gut getan, wie Sie sich um mich gekümmert haben!“

Den eingeschenkte Giraffensaft konnte sie kaum annehmen, deshalb vermute ich, dass sie eine freilebende Giraffe war. Wie wundervoll, so eine Begegnung mit einem Menschen, der einfach seinem Herzen nach handelt und sich so aufmerksam und fürsorglich zeigt.
Ich bin dankbar und froh, dass sie mich zum Bleiben bewegt hat. Saibling und Rehgoulasch waren köstlich!

So long!

Ysabelle

Ich! Will! Zu! Ikea!

Hallo, Welt!
Gibt es ein Bedürfnis, zu Ikea zu fahren? Hat Marshall das nur deshalb nicht in seine Bedürfnisliste aufgenommen, weil es in den USA Ikea noch nicht gab, als er die Gewaltfreie Kommunikation entwickelt hat? Welches wundervolle Bedürfnis steckt hinter dem dringenden Wunsch, am liebsten noch heute zu Ikea zu fahren? Und würden es auch ein Hot Dog aus der Fußgängerzone, Hackbällchen mit Preiselbeersauce aus der Kantine und ein Stück Mandeltorte vom Weihnachtsmarkt tun? NEIN!

Ich würde ja auch einen anderen Möbelladen nehmen. Aber Ikea hat meist den Vorteil, dass man die Sachen gleich mitnehmen kann und sich nach stundenlanger Schrauberei daran freuen. Oder ärgern, wenn das erstandene Stück einen Schaden hat, farblich leider doch nicht perfekt passt, nicht durch die Tür geht oder ähnliche Unerfreulichkeiten. Also, Ikea hat was zu tun mit Trieberfüllung, sofort!

1998 habe ich mir eine recht teure, wie ich noch immer finde, traumhaft schöne Ledergarnitur gekauft. Schwarz. Ich war mitten in meiner schwarzen Phase. Die helle Freude hielt nur eine Nacht, dann hatten meine damaligen pelzigen Mitbewohner ihre messerscharfen Krallen in die Lehnen gepiekt. Nicht etwa lange Kratzer, sondern einfach nur kleine Krallen hatten das Leder sozusagen pikiert, winzige Triangeln reingerissen. Das war ein Schmerz! Unerfüllte Bedürfnisse? Achtung meiner persönlichen Habseligkeiten, Schönheit, Wertschätzung, Verbindung. Ihr miesen Fellohren, könnt Ihr nicht an der verdammten Tapete kratzen?
Zwei Mal wurde mit diesen Möbeln ein Wohnzimmer gebaut/eingerichtet. Mit mehr oder weniger schwarzen Regalen. Und ich stelle fest, dass ich den Raum, in dem diese Möbel stehen, nicht nutze. Im Sinne von gar nicht. Freunde, die mich besuchen, gucken hier fern. Im Moment steht auch noch ein Kinderwagen drin. Aber genutzt wird der Raum nicht wirklich.
Im kommenden Jahr wird es vom Wohnzimmer aus eine große Terrassentür in den Garten geben. Eine gute Gelegenheit, die schwarzen Möbel auszumustern. Aber warum jetzt? Warum habe ich jetzt den Drang, alles neu zu machen?
http://youtu.be/2ewpeHwUe7c
Welche Gefühle sind da am Brodeln?
aufgeregt
begeistert
eifrig
entschlossen
hoffnungsvoll
motiviert (!)
schwungvoll

das trifft es so ziemlich. Spannend zu merken, was ich eben nicht bin: Ich bin nicht klar, ich bin nicht selbstsicher, was den Möbelkauf angeht, ich bin nicht unbekümmert und nicht unbedingt zuversichtlich. Tatsächlich bin ich eher
ängstlich
angespannt
besorgt
vermutlich auch einsam
genervt (von dem Alten)
nervös
scheu
ungeduldig

Hm. Interessant. Gefühle bei erfüllten und unerfüllten Bedürfnissen. War mir gar nicht bewusst, dass das gerade so ambivalent ist. Es gibt also bei dem Gedanken an „Alles neu“ sowohl Freude als auch Angst.

Der Blick auf die Bedürfnisse:
Obdach – na ja, überdacht ist der Raum schon, beheizt auch…
Ordnung (das kann noch dauern, denn die Bauarbeiten gehen ja erst im Frühjahr weiter)
Selbstständigkeit (kann ich all alleine…)
Selbstvertrauen (chaka!)
Wachstum
Kreativität (den Raum neu zu gestalten ist ja ein kreativer Akt)
Authentizität (Leute, das bin ich einfach nicht mehr…)
Wertschätzung vielleicht? Meiner selbst? Ich darf es schön haben?
Auch Wertschätzung für die Gäste, die ich Weihnachten erwarte.
Sinnhaftigkeit. Leute, wofür racker ich denn das ganze Jahr?
Schönheit. Jawoll!
Harmonie
Spaß
Freude
Leichtigkeit
Feiern
Spiritualität. Vielleicht errichte ich in dem Raum einen GfK-Schrein mit einem Foto von Marshall…
Ne, im Ernst. So was wie „sich sammeln“ oder „entspannen“ ohne Computer, Fernsehen, Beschallung.

Alle Achtung, das sind ja ganz schön viele Bedürfnisse, die mir ein Besuch bei Ikea unter Umständen erfüllen könnte. Vorausgesetzt, ich trau mich. Und ich finde, was ich haben möchte. Und ich kriege es ins Auto… und aufgebaut. Und es passt bei mir rein, größenmäßig und farblich. Ach ja… die alten Möbel müssen natürlich auch irgendwo bleiben. Heute wäre Sperrmüll gewesen, vielleicht hat mich das zeitlich ein wenig – nennen wir es „getriggert“. Aber noch schöner wäre es, wenn jemand anderes noch eine Weile auf den schönen schwarzen Ledermöbeln sitzen mag. Jemand außer den Katzen, meine ich…

So long!

Ysabelle

Und dann lachst du immer so blöd…

Hallo, Welt!
Bahn fahren ist doch immer wieder eine Quelle der Inspiration. Neulich Morgen stand ich neben einer Frau und einem Mann am Bahnsteig und hörte aus ihrem Mund den Satz: Und dann lachst du immer so blöd!
Was für eine Perle am frühen Morgen! Ich kannte keine Zusammenhänge, aber mir fiel auf, dass ich die Frau im Schmerz wahrnahm. Ich schätze mal, „gekränkt“ gehört eher in die Schublade der Interpretationsgefühle, also versuche ich mal zu übersetzen, welche Gefühle und Bedürfnisse in der Frau lebendig waren.
Ich nahm sie ärgerlich wahr. Wieso steht eigentlich das fantastische Wort „unwirsch“ auf keiner dieser Gefühlslisten, nicht mal auf meiner?
Ärgerlich
Angespannt, vielleicht ein bisschen
Bitter
Einsam, definitiv!
Entrüstet
Frustriert
Genervt
Hilflos
Irritiert
Traurig
Streitlustig, eine Prise jedenfalls
Unbehaglich
Verletzt

Ich schätze, das war’s so grob.
EIN unerfülltes Bedürfnis sprang mich sofort an, als ich den Satz hörte:
*R*E*S*P*E*K*T*
http://youtu.be/EyvJlD7SJYs

Das war so offensichtlich!
Und dann vielleicht noch
Autonomie (ich möchte darauf vertrauen, dass ich meinen Weg gehen kann)
Verbindung
Integrität
Wertschätzung
Unterstützung
Vertrauen
und vielleicht Harmonie…

Ich habe ja keine Ahnung, worum es in dem Gespräch ging. Mir fiel einfach auf, dass der Satz „und dann lachst du immer so blöd“ zum einen ganz viel über den Schmerz des Sprechers verrät ( zumindest in der von mir aufgeschnappten Betonung, anders betont ist da mit Sicherheit auch andere Musik drin…), zum anderen zeigt es auf, dass wir uns häufig mit Bewertungen zur Wehr setzen, wenn wir keinen Zugang zu unseren Gefühlen haben. Und ich merke einfach im Alltag, dass dieses Verhalten leider so gut gelernt ist, dass es mir auch im sechsten GfK-Jahr immer noch schwer fällt, den Aus-Schalter zu finden.

So long!

Ysabelle

@ Oliver, nach unserem Austausch dazu musste die Mucke einfach kommen 😉

Bewertungs-Orchester: Willkommen

Hallo, Welt!
In diesen Tagen schlage ich mich ganz intensiv mit Bewertungen herum. Wenn es in mein Bewusstsein vordringt, versuche ich mir Einfühlung zu geben, aber so ganz gelingt mir das nicht. Was wiederum ein neues Konzert an Urteilen und Bewertungen auslöst, gespielt auf Teufelsgeige, Löffel und Waschbrett. Ein schauriges Geschrumse.

Bewusst wahrgenommen habe ich es, als in meinem Kopf der Satz „ich fühle mich nicht willkommen“ gebetsmühlenartig kreiste. Man kann sich ja mit solchen Äußerungen auch gut selbst hypnotisieren…

Ich habe mich also zur Ordnung gerufen (!)
Sich willkommen fühlen ist kein Gefühl. Was ist das Gefühl?

Traurig
fällt mir als erstes ein.
Bitter
Dumpf
Einsam
Ermüdet
Ernüchtert
Frustriert
Teilnahmslos

Das ist es so grob. Wie bei einem guten Essen gibt es Spuren von anderen Gewürzen, aber sie schmecken nicht vor. Soll heißen, da sind schon noch ein paar mehr Gefühle im Hintergrund, aber diese hier sind am deutlichsten.

Die unerfüllten Bedürfnisse sind
Sicherheit – uups – das war mir bis zu dieser Sekunde nicht bewusst
Selbstvertrauen
Gesehen/Gehört werden
Vertrauen
Beteiligung
Gemeinschaft/Zugehörigkeit
Respekt
Anerkennung
Nähe
Liebe

Scheibenkleister, jetzt laufen die Tränen, das kann ich im Augenblick gar nicht gebrauchen…

Harmonie
Leichtigkeit
Feiern (es geht um Weihnachten…)

Ich glaube, am stärksten sind Zugehörigkeit, Sicherheit, Nähe und Anerkennung.

Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass all diese wunderbaren Bedürfnisse ja durchaus erfüllt werden können, aber nicht unbedingt da, wo ich gern hätte. Ich versuche wieder mal, im Gemüsegeschäft eine Klobürste zu kaufen. Und meine Lieblingsstrategie ist halt, dass ich gerade mit diesen Menschen Gemeinschaft und Verbindung erleben kann. Und genau das ist dort leider nicht im Angebot. Ein Lebensthema von mir.

Ich habe noch einen ganzen Haufen weiterer Bewertungen im Angebot. Ich könnte jetzt „berechnend“ übersetzen und verweise auf das Wortschätzchen „ausgebootet“. Ganz viel von dem, was mich aktuell bewegt, hat damit zu tun, dass ich Teil einer Gemeinschaft sein möchte und meine Gegenüber dieses Bedürfnis nicht in einem Maße erfüllen, wie ich es mir wünsche. Aus Gewohnheit neige ich dazu, entweder die anderen für Armleuchter zu halten oder mich selbst je nach Stimmungslage für „zu“ anspruchsvoll, dumm, egoistisch, schwach oder GfK-unfähig zu halten. Der größte Fortschritt in meinem Leben ist, dass ich heute diese Stimmen aus dem Chor meiner Bewertungssymphonie ausfiltern kann. Ich kann sie hören, wahrnehmen, separieren, sie mir einzeln ansehen und schauen, welche unerfüllten Bedürfnisse sich dahinter verbergen. Und dann kann ich losmarschieren und dafür sorgen, dass genau diese Bedürfnisse erfüllt werden. Damit ist das Bewertungsorchester willkommen, denn es verrät mir mit seiner „Musik“, was in meinem Leben einer Kümmerung bedarf. Danke, Irina, für das wundervolle Wort! Das Bewertungsorchester spielt quasi den Marsch, und ich gehe los, um meine Bedürfnisse zu erfüllen.

http://youtu.be/s1ZXymNeCkA

Gestern Abend kam ich auf den Bahnsteig und wurde dort von Markus und Steffi erwartet. SIE haben auf mich gewartet, damit wir Gelegenheit zum Schnacken haben. Ist das nicht wundervoll? Das erfüllt meine Bedürfnisse nach Gemeinschaft, Gesehen werden, Verbindung, Wertschätzung und Nähe auf die schönste Art. Alles ist für mich da im Leben. Ich bin vorbehaltlos bereit, es zu sehen.

so long!

Ysabelle

GFK Artikel in der SH:Z

Hallo ihr Lieben!Thumbnail des Zeitungsartikels

In der Schleswig-Holsteinischen Zeitung (Auflage: 200.000) erschien letzten Samstag ein ganzseitiger Artikel zur GFK von Gerhard Rothaupt.

Über diese Nachricht habe ich mich sehr gefreut und möchte sie gerne mit euch teilen!

 

Liebe Grüße,

Markus

 

 

 

 

Krankenhaus-Begleitung

Hallo, Welt!
Heute habe ich eine Patientin aus meiner Familie zu einer Untersuchung ins Universitätskrankenhaus begleitet. Der Termin war um 12. Gegen 12.30 wurde sie unruhig, weil mehrere Menschen, die nach ihr ins Wartezimmer gekommen waren, schon dran kamen. „Vielleicht haben die mich vergessen?“
Kurzer Check: Dir geht es um Klarheit? Du möchtest gern die Sicherheit haben, dass der Arzt weiß, dass du in diesem Zimmer sitzt?

Dann trabte ich zur Aufnahme. Nein, es hatte alles seine Richtigkeit. „Das ist der Raum für Privatpatienten und die Kollegen wissen Bescheid. Sonst fragen Sie doch noch mal Zimmer 15!“

Beruhigt kehrte ich in den Warteraum zurück. Eine halbe Stunde später fing die Patientin an zu schimpfen. Immerhin saß ihr Taxifahrer, der sie auch wieder nach Hause bringen sollte, schon 90 Minuten herum.

Unerfüllte Bedürfnisse abgeklopft: Klarheit, Respekt, Verbindung!

Nun trabte ich zu Zimmer 15.
Beobachtung: Der Termin war um 12. Jetzt ist es eins. Wie und wann geht es weiter? Was ist los? Bitte um Klarheit.

Der Professor hat um halb 12 einen Anruf bekommen und ist jetzt in einer Prüfung. Es sind vier Prüflinge, und normalerweise dauert eine Prüfung 30 Minuten.
Ich: Wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, dass der Professor noch eine Stunde weg sein wird? Die Patientin ist 77 Jahre alt und hatte eine weite Anfahrt. Sie ist Diabetikerin und wird über Sonde ernährt. Wir brauchen Klarheit, wie es hier weiter geht.

Ratlose Blicke. Dann sagte eine Mitarbeiterin: In fünf Minuten rufen wir den Professor an. Und wenn sie was brauchen, Sondenkost oder anderes, versuchen wir das von Station XY zu bekommen.

Danke, das hilft uns sehr weiter.

Ich trabte zurück.
Die Patientin gab dem Taxifahrer einen Schein und bat ihn, etwas essen zu gehen.
Um halb zwei erneut der Gang zu Zimmer 15.
„Der Professor ist jetzt da, Sie können mit der Patientin schon herkommen, es geht gleich los.“
Ich holte die kleine Dame aus dem Warteraum und brachte sie zu einem Zimmer 15 nahegelegenen Stuhl. Und tatsächlich ging es kurz darauf los.

Der Herr Professor erhob sich nicht von seinem Stuhl. Mit fiel auch nicht auf, dass er sich vorstellte, aber vielleicht ging mir das auch durch die Lappen, weil ich die Mäntel aufhängte und die Taschen verstaute. Kein Wort der Erklärung oder Entschuldigung, dass die Patientin zwei Stunden auf die Besprechung warten musste.

Was kann ich für Sie tun?
Beide redeten prächtig aneinander vorbei. Es war eine Freude, das mitzuerleben.
Die Patientin hatte nach einer Krebsbehandlung im Mundboden Schluckbeschwerden und noch diverse schwerwiegende Probleme, auch mit der Zahnprothese. Der Professor vermutete aufgrund der vorgetragenen Beschwerden, die Patientin wolle Implantate haben und erläuterte breit, warum das in ihrem Kiefer keine gute Idee sei und er so eine Operation auch nicht vornehmen würde.

Ich habe mir dann die Erlaubnis gegeben, mich einzuschalten.

Ich habe gesagt, dass der Hausarzt die Patientin drängt, auf die Sondenkost zu verzichten und sich wieder oral „normal“ zu ernähren. Dass aber die kleine Dame Schwierigkeiten beim Essen und Einspeicheln, Kauen und Schlucken hat, die dazu führen, dass die Patientin fast gar nichts runter bekommt.

Nun machte der Professor eine kleine Funktionsprüfung und informierte die Patientin, dass sie mit all diesen schrecklichen Nebenwirkungen würde leben müssen. Die Krebsoperation sei gut verlaufen, die Funktionalität im Mund zufriedenstellend wieder hergestellt. Es gebe die eine oder andere Stellschraube, an der man Kleinigkeiten verbessern könne, aber insgesamt seien die Probleme eine Folge der Strahlentherapie. Und damit müsse sie sich abfinden. UND! Es gäbe keine Veranlassung, die Ernährung per Sonde umzustellen oder abzuschaffen. Da fing die Patientin vor Erleichterung an zu weinen.

Ich habe mir dann erlaubt darum zu bitten, noch einmal zusammenfassen zu dürfen, was ich gehört habe. Uuups! Da hat aber ein Professor erstaunt geguckt! Dann habe ich seine Infos noch einmal vorgetragen, er hat sie in einem kleinen Punkt korrigiert. Dann habe ich die Patientin gefragt: Brauchst du noch was, um jetzt gut nach Hause fahren zu können? Und sie sagte zum Professor: Können Sie das genau so meinem Hausarzt schreiben, damit der mir nicht die Sonde wegnimmt? Ich bin so erleichtert!

Erschöpft, aber fröhlich enterte sie schließlich ihr Taxi und fuhr winkend davon.

Ich habe mir mit dieser Begleitung eine Vielzahl von Bedürfnissen erfüllt und merke, dass ich mir selbst total dankbar bin, dass ich meinem Herzen gefolgt bin und meine Begleitung zu diesem Termin sehr deutlich angeboten habe.
Unterstützung
Beitragen
Lernen
Gemeinschaft mit der Patientin
Gesehen und gehört werden für die Patientin – das war mir besonders kostbar!
Wärme
Klarheit.

Ich glaube, auch für die Patientin waren zahlreiche Bedürfnisse erfüllt, Unterstützung und Gehört werden wohl am meisten. Das war superschön für mich, in dieser Weise beitragen zu können.
Auch für den Professor schien es schön zu sein. Mir gefiel der erstaunte Blick, als ich seine Aussagen zusammenfasste und er merkte, dass er verstanden worden war. Auch schön die kleine Korrektur, die er noch anbrachte. Dabei fällt mir ein, dass auch mein Bedürfnis nach Wirksamkeit durch diese Aktion erfüllt wurde. Yep!

Insgesamt ist mir deutlich geworden, wie kostbar es wäre, wenn mehr Menschen mit dieser Ausbildung andere Menschen zum Arzt oder vielleicht auf eine Behörde begleiten könnten. Wie viel besser könnten wir uns alle verstehen! Wie gut doch so eine Unterstützung tut in Situationen, in denen man selber so hilflos ist! Kurzzeitig hatte ich die Vision, dass in jedem Krankenhaus eine GfK-Station ist, wo man sich einen NVC-Guide abholen kann. Und die Krankenkassen bezahlen dafür, denn es erleichtert und verbessert die Kommunikation zwischen Arzt und Patient und kann sogar die Verweildauer verkürzen, weil sich die Beteiligten besser verstehen. Es geht doch nichts über eine schöne Vision!

So long!

Ysabelle

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