Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Oliver Heuler beantwortet zehn Fragen zur GfK

Hallo, Welt!
Heute lege ich Euch dieses Video von Oliver Heuler ans Herz. Ich habe Oliver vor einiger Zeit bei einem GfK-Seminar kennen gelernt und er hat hier auch schon Beiträge verfasst. Mir gefällt an ihm besonders, dass er Dinge so analysieren kann, dass sie mir gut einleuchten. Gleichzeitig habe ich großen Respekt vor ihm, denn auf mich wirkt er so klar und eindeutig. Das geht mir leider manchmal ab.
Oliver beschreibt in seinem Filmbeitrag einige Aspekte der GfK. Die Inhalte unterschreibe ich sofort. Die Wortwahl gegen Ende macht mich nicht glücklich. Oliver benennt den therapeutischen Nutzen. Mit dieser Begrifflichkeit tue ich mich schwer.
Die Freunde von Wikipedia schreiben:

Als Therapeut (altgr. θεραπευτής [therapeutés]: „der Diener, der Aufwartende, der Wärter, der Pfleger[1]“) wird heutzutage ein Anwender eines Heilberufes oder eines Heilverfahrens, wie beispielsweise ein behandelnder Arzt (im Hinblick auf seine Aufgabe, bestimmte Therapien anzuwenden) oder Psychotherapeut bezeichnet.

Insbesondere findet der Begriff in der klinischen Psychologie und in den Heilberufen bzw. Medizinfachberufen Verwendung. Die meisten Berufsbilder, in denen die Stammform Therapeut enthalten ist, sind anerkannt und geschützt.

Mit GfK ist Heilung möglich, das habe ich am eigenen Leibe erfahren und war auch bei verschiedenen Sessions dabei, in denen Heilungsarbeit gemacht wurde. Ein Erlebnis war für mich, als Marshall in einer Heilungsarbeit einen Vater-Sohn-Konflikt, der über viele Jahre lebendig war, befrieden konnte. Vielen Teilnehmern der Arbeit standen die Tränen in den Augen. Marshall ist nun aber gelernter Klinischer Psychologe, so gesehen ist es nicht verwunderlich, wenn er therapeutische Arbeit machen kann. Ich habe aber auch erlebt, wie Gerhard Rothhaupt Healing Sessions macht. Dabei sein zu dürfen ist spannender als jeder Krimi. Ich habe ihn mal gefragt, ob er keine Angst hat, an der Seele zu schrauben, und seine Antwort war sinngemäß: Nein. Er bewege sich nur im Rahmen der vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation und gebe Einfühlung. Und sein Gegenüber habe (ebenfalls) die Verantwortung dafür bei sich zu gucken, was ihm oder ihr gut tut.

Also, Oliver, Heilungsarbeit ja. Als Therapeuten sehe ich uns GfK’ler nicht.

So long!

Ysabelle

Der wunde Punkt

Hallo, Welt!

„Der heiße Stuhl“ muss von einem GfK’ler erfunden worden sein. Ich meine damit eine Übung, sich Sachen anzuhören, die wirklich Schmerzen oder andere intensive Gefühle hervorrufen. Die Kunst ist es, dann empathisch zu bleiben – erst mich sich, dann mit dem anderen.

In der Übungsgruppe hatten wir beim letzten Treffen ein schönes Beispiel. Jemand erzählte: Ich hatte länger gearbeitet als geplant. Mit mulmigem Gefühl rief ich die Person an, mit der ich für den Abend eine Verabredung hatte, und sagte, „ich fahr jetzt los.“ Die Person machte ein seltsames Geräusch und antwortete dann mit erhobener Stimme: Das ist doch nicht dein Ernst!?“

Der Mensch, der ohnehin ein schlechtes Gewissen hatte, weil es so spät geworden war, fand auf diesen Satz keine empathische Antwort.
Wir haben dann in der Gruppe geübt, empathisch auf den Sprecher auf der anderen Seite des Telefons einzugehen. „Bist du frustriert, weil dir die effiziente Nutzung deiner Zeit wichtig ist?“ Oder: „Bist du traurig, weil du dir Gemeinschaft und Verbindung wünschst?“ Nun hatte unser Gruppenmitglied zwar einige Anregungen, was er in einer vergleichbaren Situation sagen könnte, aber das eigentliche Problem war noch nicht gelöst: Wie verhalte ich mich, wenn die Bemerkung eines anderen bei mir einen wunden Punkt trifft?

Wunde Punkte sind eine sehr individuelle Sache. Heute hörte ich von einer Frau die Klage, ihr Vorgesetzter habe zu ihr gesagt, sie hätte einen Fehler gemacht, und das wolle sie nicht auf sich sitzen lassen… im Gespräch tauchte vor meinem geistigen Auge ein Bild auf: Manche Bemerkungen rauschen an uns vorbei wie der Stier, der den capote (das farbige Tuch) mit dem Torrero verwechselt. Zisch… ist er weg. Andere Bemerkungen treffen uns wie ein Horn in die Eingeweide oder womöglich ins Herz. Aua!

Wie ein Torrero können wir die Kunstfertigkeit lernen, dass uns der andere nicht treffen kann. Nicht etwa, weil wir so abgebrüht sind, dass uns nichts mehr erreicht. Vielmehr gelingt es uns immer besser, die Gefühle und Bedürfnisse hinter solchen Aussagen wahrzunehmen und darauf einzugehen. Die Frau, die von ihrem Vorgesetzten angesprochen wurde, lernt vielleicht zu hören: Wir bekommen Probleme, wenn das hier so geschrieben ist und deshalb bitte ich Sie, das noch einmal zu ändern… Und der Freund aus der Übungsgruppe hört vielleicht beim nächsten Mal: Mir ist die Zeit mit Dir so kostbar, am liebsten hätte ich schon die vergangenen zwei Stunden mit Dir verbracht…
Es scheint so leicht zu sein, die Ohren empathisch aufzusperren, wenn es nicht die eigenen wunden Punkte trifft. Doch auf dem heißen Stuhl ist man genau mit den Sätzen konfrontiert, die ins Mark treffen. Dieser Tage flog mir ein Satz um die Ohren, der mich noch immer beschäftigt. „Es fällt mir einfach schwer nachzuvollziehen, dass XXXX Euro viel Geld sind bei deinem Gehalt“. Leute, wollt Ihr meinen Wolfschor hören? Die Tatsache, dass ich auch nach drei Tagen noch immer den Impuls habe mich dafür zu rechtfertigen, dass ich belegen will, welche Kosten ich wuppen muss, ist ein deutliches Indiz dafür, dass hier mein wunder Punkt aktiviert wurde. Die Wölfe jaulen Kommentare wie „du sparst eben nicht genug“ oder „ich hab ja schon immer gesagt, du kannst nicht mit Geld umgehen“. Und so erklärt sich auch, warum diese Bemerkung von außen mich so durchrüttelt. Das, was der andere sagt, findet ein Echo bei meinem inneren Erzieher, der so gern hätte, dass auf meinem Sparbuch zehntausende Euros dicke Zinsen bringen. Leider versucht er das mit Beschimpfungen und Drohungen durchzusetzen (im Alter wirst du komplett verarmen…!). und der Erzieher setzt sich nicht mit meinem inneren Entscheider an einen Tisch, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Na ja, gelegentlich schon. Aber wenn solche Bemerkungen kommen, werden alle anderen Persönlichkeitsanteile beiseitegeschoben, der Erzieher stemmt die Hände in die Hüften und bollert: Genau, würdest du die Kohle besser zusammenhalten, wärest du schon fast Millionär…!
Also: Problematisch ist ein Satz immer dann, wenn er im Inneren auf Resonanz trifft, wenn er etwas beschreibt, was ein Teil von mir auch über mich denkt. Dann entsteht in mir der Impuls, ich müsse mich verteidigen oder den anderen abwehren, und zunächst kann ich weder mit mir noch mit meinem Gesprächspartner empathisch sein.

ich glaube, ich gehe jetzt in die Stadt und versuche, einen capote zu kaufen. Vielleicht gibt‘s die ja auch mit Blümchen.

So long!

Ysabelle

Die Liebe bleibt

Hallo, Welt!

Kürzlich stolperte ich über den Blog meiner Trainer-Kollegin Christel Sohnemann. Und ich entdeckte ihren Hinweis auf einen Artikel, der mich nur weise mit dem Kopf nicken lässt. Ich weiß das ja schon lange. Wie gut, dass die Wissenschaft es endlich beweisen kann!

So long!

Ysabelle

Liebe bleibt
Von Doris Marszk
Liebe ist als Gehirnaktivität auch nach Jahrzehnten noch so nachweisbar wie bei frisch Verliebten
Stony Brook (USA) – Ob jemand gerade eine leidenschaftliche Verliebtheit erlebt oder sich bereits der Silberhochzeit nähert: Wenn man Partner oder Partnerin liebt, ist dies im Gehirnscan auch nach Jahrzehnten noch sichtbar. Dies haben amerikanische Forscher herausgefunden, die die Gehirnaktivitäten von frisch Verliebten und von älteren Paaren, die seit mehr als 20 Jahren zusammen sind, verglichen haben. Bei den Probanden beider Gruppen waren vor allem jene Gehirnregionen aktiv, in denen es um Motivation und Belohnung geht, zeigen die Forscher in der Fachzeitschrift „Social Cognitive and Affective Neuroscience“.

Zwei Gruppen von je 10 Frauen und 7 Männern wurden vom Team um Bianca Acevedo und Arthur Aron von der Stony Brook University mithilfe der Magnetresonanz-Tomografie untersucht. Die Personen der einen Gruppe waren durchschnittlich 21 Jahre lang mit ihren (nicht anwesenden) Partnern verheiratet. Die Probanden der anderen Gruppe waren gerade sehr verliebt in ihre (ebenfalls nicht anwesenden) Partner. Die Wissenschaftler zeigten den Versuchspersonen während des Gehirnscannings jeweils Fotos von Menschen aus ihrem Umfeld: von sehr guten Freunden, guten Bekannten, etwas entfernteren Bekannten und natürlich vom Lebenspartner oder der Lebenspartnerin. Es zeigte sich, dass sowohl bei den Langzeit-Liebenden als auch bei den frisch Verliebten das Bild des Partners oder der Partnerin für besondere Gehirnaktivitäten sorgte. „Die dopaminreiche Region des ventralen Tegmentums zeigte eine größere Aktivität beim Bild des eigenen Partners als bei Bildern von nahen Freunden“, erklärt Arthur Aron. Dopamin gilt als „Glückshormon“, das ausgeschüttet wird, wenn für ein Individuum eine Belohnung in irgendeiner Form erfolgt.

Die Autoren der Studie wollen und können nicht erklären, wie Liebe Jahrzehnte des Zusammenlebens überdauern kann. Doch Acevedo, Aron und ihre Kollegen glauben, dass ihre Forschung den Nachweis erbracht hat, welche wesentliche Gehirnaktivität sich auch bei „alter“ Liebe zeigen muss.
© Wissenschaft aktuell

Liebe in Wort und Tat

Hallo, Welt!

Kürzlich stolperte ich über ein Video von Marshall, das mich jubeln ließ. Er beschreibt darin einen Dialog zwischen Wolf und Giraffe zum Thema „liebst du mich?“ und warnt die Zuschauer, „wenn Ihr Gewalt nicht gut aushalten könnt, solltet Ihr Euch das jetzt nicht ansehen…“

In diesem Beitrag nimmt Marshall Bezug auf ein Buch des amerikanischen Paarberaters Gary Chapman: Die fünf Sprachen der Liebe“. Dazu gibt es sogar einen Wikipedia-Eintrag, aber damit Ihr nicht hin-und herspringen müsst, hier ein Auszug:

Lob und Anerkennung
Menschen mit dieser Beziehungssprache loben die Menschen in ihrem Umfeld für alle möglichen und unmöglichen Dinge. Sie sehen oft tolle Leistungen bei anderen und haben auch die Gabe, dies auszusprechen. Mit lobenden und anerkennenden Worten zeigen sie den Menschen, die sie schätzen, ihren Respekt, ihre Liebe und letztlich auch ihre Anerkennung. Sehr oft fällt es diesen Menschen auch nicht auf, dass sie loben. Für sie ist es absolut selbstverständlich, dass Erfolge oder Leistungen mit Lob belohnt werden.
Zweisamkeit – die Zeit nur für dich
Menschen dieser Sprache fühlen sich geliebt und respektiert bei absoluter Zweisamkeit (gemeinsames Abendessen, ganzes Wochenende ohne Störung etc.). Es geht ihnen um die Zeit, die man bewusst gemeinsam verbringt. Darin liegt für sie eine hohe Qualität. Diese uneingeschränkte Aufmerksamkeit ist eine Beziehungsqualität, die sie in hohem Maße schätzen.
Geschenke, die von Herzen kommen
„Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“ ist das Motto dieser Menschen. Sie zeigen durch kleine Geschenke oder Aufmerksamkeiten den Menschen, die sie lieben, ihre Wertschätzung. Dabei spielt der materielle Wert keine Rolle. Gerade bei heranwachsenden Kindern, die erst ihre Liebessprache finden müssen, kann die Phase oft beobachtet werden. Der Geschenk-Typ schätzt es, wenn ein passendes Geschenk liebevoll ausgesucht wird. Für ihn ist es ein Zeichen der Wertschätzung, wenn sich jemand schon bei der Auswahl des Geschenkes Zeit für eine gelungene Überraschung nimmt.
Hilfsbereitschaft
Der Grundsatz „Wenn Du was benötigst, sage es einfach, ich helfe gerne“ zählt zu den Aussagen der Menschen mit dieser Liebessprache. Sie helfen aus Leidenschaft gerne und zeigen ihrem Umfeld, ihren Lieben auf diese Art, dass sie sie lieben. Auch ihnen geht es nicht um die Größe einer Hilfeleistung. In der Partnerschaft können das scheinbar unwichtige Dienstleistungen sein.
Zärtlichkeit
Umarmungen und Streicheleinheiten für den Partner geben diesen Menschen ein sehr gutes Gefühl. Über Berührungen fühlen sie die Qualität der Beziehung und sie zeigen auch über Zärtlichkeiten ihre Liebe. Für sie zählt eine zärtliche Berührung mehr als die gesprochenen Worte „ich liebe dich“. Der Liebesakt ist nur eine Form vom Austausch der Zärtlichkeiten. Wenn sie einen Partner mit der gleichen Berührungs-Sprache haben, dann finden sie tausend Wege um ihre Liebe auch in der Öffentlichkeit mittels kleiner Zärtlichkeiten zu zeigen. Für diesen Typ ist jede dieser Berührungen ein Liebesbeweis.

So weit der Auszug aus Wikipedia.

Mich hat dieses Konzept beeindruckt und gleichzeitig traurig gemacht. Mir schwant, dass ein Mensch, der in meinem Leben eine sehr wichtige Rolle gespielt hat, vermutlich Zweisamkeit als Sprache der Liebe hatte und ihm davon nie genug ins Haus kam. In meiner Familie waren es Liebesgaben/Geschenke und Hilfsbereitschaft, mit Selbstverständlichkeit für den anderen da sein. Mir selber sind Berührungen unglaublich wichtig. Zu einer bestimmten Zeit meines Lebens hatte ich jahrelang praktisch keinen Kontakt mit meinen Eltern. Doch als bei mir eine Welt einstürzte, stand meine Mutter vor der Tür, um mich in der konkreten Situation zu unterstützen und ich habe das sehr als Ausdruck von Liebe wahrgenommen. Die fünf hier angeführten „Sprachen“ ließen sich wahrscheinlich auch gut in Gefühle, Bedürfnisse und Strategien übersetzen. Ich möchte im Auge behalten, wie unterschiedlich für den einzelnen von uns das Bedürfnis nach Liebe erfüllt werden kann…

So long!

Ysabelle

Wenn Männer Gefühle zeigen…

Hallo, Welt!

Chuck Norris scheint ein Vorbild für viele Männer zu sein. Jedenfalls ziehen sich Witze über seine „Gefühlsausbrüche“ schon länger durchs Netz. Ein paar „Facts“ über ihn gefällig?

* Das Universum dehnt sich nicht aus; es läuft vor Chuck Norris davon.
* Chuck Norris hat bis Unendlich gezählt. Zwei Mal.
* Chuck Norris ist bereits vor zehn Jahren gestorben. Der Tod hatte aber nicht den Mut, es ihm zu sagen.
* Chuck Norris bekommt bei Praktiker 20 % auf alles. Auch auf Tiernahrung.
* Chuck Norris kann gar nicht fliegen. Er tut es trotzdem.

Heute stolperte ich über diese wunderbare Tabelle, auf der seine Emotionen auch für Laien schön übersichtlich dargestellt sind.

Habt Spaß damit!

So long!

Ysabelle

Bitte höre, was ich nicht sage!

Hallo, Welt!
Eben rief überraschend eine Freundin an. Sie hat mein Weinen, meine Selbstzerfleischung und meine Urteile wunderbar ausgehalten und nach einer Dreiviertelstunde konnten wir uns auch ihrem Thema widmen. Dann schickte sie mir einen Text, den sie vor Unzeiten mal irgendwo entdeckt hatte. Er begeistert mich so sehr, dass ich ihn mit Euch teilen möchte.
So long!
Ysabelle


Charles C. Finn

Bitte höre, was ich nicht sage! Lass Dich nicht von mir narren. Lass Dich nicht durch das Gesicht täuschen, das ich mache, denn ich trage Masken, Masken, die ich fürchte, abzulegen. Und keine davon bin ich. So tun als ob ist eine Kunst, die mir zur zweiten Natur wurde. Aber lass Dich dadurch nicht täuschen. Ich mache den Eindruck, als sei ich umgänglich, als sei alles heiter in mir, und so als brauchte ich niemanden. Aber glaub mir nicht! Mein Äußeres mag sicher erscheinen, aber es ist meine Maske. Darunter bin ich, wie ich wirklich bin: verwirrt, in Furcht und allein. Aber ich verberge das. Ich möchte nicht, dass es jemand merkt. Beim bloßen Gedanken an meine Schwächen bekomme ich Panik und fürchte mich davor, mich anderen überhaupt auszusetzen.

Gerade deshalb erfinde ich verzweifelt Masken, hinter denen ich mich verbergen kann: eine lässige Fassade, die mir hilft, etwas vorzutäuschen, die mich vor dem wissenden Blick sichert, der mich erkennen würde. Dabei wäre dieser Blick gerade meine Rettung. Und ich weiß es.

Wenn es jemand wäre, der mich annimmt und mich liebt… Das ist das einzige, das mir Sicherheit geben würde, die ich mir selbst nicht geben kann: dass ich wirklich etwas wert bin. Aber das sage ich Dir nicht. Ich wage es nicht. Ich habe Angst davor.

Ich habe Angst, dass Dein Blick nicht von Annahme und Liebe begleitet wird. Ich fürchte, Du wirst gering von mir denken und über mich lachen. Und Dein Lachen würde mich umbringen. Ich habe Angst, dass ich tief drinnen in mir nichts bin, nichts wert, und dass Du das siehst und mich abweisen wirst.

So spiele ich mein Spiel, mein verzweifeltes Spiel: eine sichere Fassade außen und ein zitterndes Kind innen. Ich rede daher im gängigen Ton oberflächlichen Geschwätzes. Ich erzähle Dir alles, was wirklich nichts ist, und nichts von alledem, was wirklich ist, was in mir schreit; deshalb lass Dich nicht täuschen von dem, was ich aus Gewohnheit rede.

Bitte höre sorgfältig hin und versuche zu hören, was ich nicht sage, was ich gerne sagen möchte, was ich aber nicht sagen kann. Ich verabscheue dieses Versteckspiel, das ich da aufführe. Es ist ein oberflächliches, unechtes Spiel. Ich möchte wirklich echt und spontan sein können, einfach ich selbst, aber Du musst mir helfen. Du musst Deine Hand ausstrecken, selbst wenn es gerade das letzte zu sein scheint, was ich mir wünsche. Nur Du kannst mich zum Leben rufen.

Jedes Mal, wenn Du freundlich und gut bist und mir Mut machst, jedes Mal, wenn Du zu verstehen suchst, weil Du Dich wirklich um mich sorgst, bekommt mein Herz Flügel, sehr kleine Flügel, sehr brüchige Schwingen, aber Flügel!

Dein Gespür und die Kraft Deines Verstehens, geben mir Leben. Ich möchte, dass Du das weißt. Ich möchte, dass Du weißt, wie wichtig Du für mich bist, wie sehr Du aus mir den Menschen machen kannst, der ich wirklich bin, wenn Du willst.

Bitte, ich wünschte Du wolltest es. Du allein kannst die Wand niederreißen, hinter der ich zittere, Du allein kannst mir die Maske abnehmen. Du allein kannst mich aus meiner Schattenwelt, aus Angst und Unsicherheit befreien, aus meiner Einsamkeit.

Übersieh mich nicht. Bitte übergeh mich nicht! Es wird nicht leicht für Dich sein. Die lang andauernde Überzeugung, wertlos zu sein, schafft dicke Mauern. Je näher Du mir kommst, desto blinder schlage ich zurück. Ich wehre mich gegen das, wonach ich schreie. Aber man hat mir gesagt, dass Liebe stärker sei als jeder Schutzwall und darauf hoffe ich.

Wer ich bin, willst Du wissen? Ich bin jemand, den Du sehr gut kennst und der Dir oft begegnet.

Die Grenzen der GfK – oder meine

Hallo, Welt!

Eben fand ich eine Mail in meinem Briefkasten vor, die mich komplett aus den Latschen gehauen hat. Seit längerem bemühe ich mich, mit jemandem in Verbindung zu kommen. Ich gebe mir Zeit, ich denke nach, ich spüre in mich hinein. Ich versuche, mich mit den Bedürfnissen des anderen zu verbinden. Mein letzter Versuch wurde heute morgen wie folgt beantwortet:

Ich habe im letzten text geschrieben, dass ich keine fragen mehr dazu möchte, dasss ich das thema beenden möchte.
Und, dass ich nicht möchte, dass in meine texte irgendwleche arten von gefühlen reininterpretiert werden. Und genau DAS machst du schon wieder.

NVC is all about connection. Und was mache ich, wenn auch mein allerschönstes Bemühen keine Verbindung herstellen kann? Ich spüre einen tiefen Schmerz und echte Verzweiflung. Ich weiß, dass Marshall (und auch andere Trainer) immer wieder sagt, NVC ist keine Garantie, aber es erhöht die Chancen auf eine Verbindung. Keine Ahnung, ob ein Großmeister der GfK hier eine Lösung wüsste. Ich weiß für den heutigen Tag keine.

In den vergangenen Tagen habe ich viel Zeit damit verbracht, Tanzparkette zu laminieren. Dabei gibt es eins, das selten genutzt wird. Es ist der Innen-Außen-Tanz 2. Als ich eben meinem Mailpartner eine Antwort schrieb, hatte ich eigentlich gedacht, ich würde mich im Rahmen dieses Tanzes bewegen. Ich sage etwas darüber, wie es MIR geht und wie ICH mich fühle. Jetzt beim Nachgucken stelle ich fest, dass das wieder nur die halbe Miete war. Ich bin beim Selbstausdruck stecken geblieben, Sozusagen im Giraffenschrei. Es fehlt die Verbindungsbitte. Würdest Du mir sagen, was bei Dir ankommt? Oder auch: Wärst Du bereit mir zu sagen, wie es dir geht, wenn Du das liest?

Dafür ist offenbar die Zeit noch nicht reif. Im Augenblick fühlt es sich so an, als würde ich mir gerade mit diesen Bitten immer wieder eine blutige Nase holen. Liegt es daran, dass ich GfK einfach nicht „gut genug kann“? Ist es eine Frage von Erfahrung und Skills? Oder ist an dieser Stelle zu lernen, dass es mit vielen Menschen für mich Verbindung gibt und dass ich diesen einen Menschen loslassen muss? Ist es meine Lieblingsstrategie, mit diesem einen Menschen in Verbindung zu sein? Weiß Gott nicht!

Vielleicht fange ich einfach noch mal auf einer früheren Karte an.

Meinen Bewertungen und Beschuldigungen zuhören.

Und in einer anderen Mail flatterte mir ein Empathie-Angebot für heute ins Haus. Vielleicht kann ich das auch zu diesem Thema nutzen. Oder ich rufe eine meiner anderen FreundInnen an, um wieder Kraft zu finden. Im Moment bin ich weit davon entfernt, in dieser Situation auch nur einen Hauch von Gold zu entdecken.

So long!

Ysabelle

Ich schreibe wie…

Hallo, Welt!

Ha, das hat eben Spaß gemacht. Auf diesem Facebook-Dings hat mir gestern jemand seine Freundschaft angetragen, den ich aus beruflichem Zusammenhang kenne. Ich habe zugestimmt und dann auf der fremden Seite einen höchst amüsanten Link gefunden:

Ich schreibe wie…

da kann man seinen persönlichen Schreibstil untersuchen lassen. Und bei meinem Posting über die neuronalen Autobahnen ist Folgendes herausgekommen:

Sigmund Freud

Na, das macht doch Spaß, oder?
Wahrscheinlich wäre das der letzte gewesen, an dem ich mich orientiert hätte…

Also, probiert es selbst aus. Wo steckt der nächste Literaturnobelpeisträger?

So long!

Ysabelle

Giraffen-Tango

Hallo, Welt!
Gestern habe ich den Laminator zum Glühen gebracht. Beim letzten Treffen in der Übungsgruppe stellte sich heraus, dass niemand das GfK-Tanzparkett kannte. Ich habe schnell mit ein paar Zetteln improvisiert und hörte hinterher, das sei so wunderbar einleuchtend und nachvollziehbar gewesen. Also dachte ich, dann bau ich mal ein Tanzparkett.

Das GFK-Tanzparkett wurde von Bridget Belgrave und Gina Lawrie entwickelt. Jedes der sechs Tanzparkett-Kartensets besteht aus Karten, die auf den Boden gelegt werden und die verschiedenen Schritte des GFK-Prozesses repräsentieren.

2007 hat mir mal ein netter Mensch eine CD zugespielt, auf dem die Tanzparkett-Daten drauf sind. Vor grauer Vorzeit habe ich den Kram ausgedruckt und kopfschüttelnd wegsortiert. Ne, das hab ich nicht kapiert, die verschiedenen Blätter und Kopiervorlagen… Die Ausdrucke wanderten in den Schrank und das war’s. Wenn andere mit den Karten arbeiteten, war ich wenig engagiert. Irgendwie sprach mich das Konzept nicht an.

Doch als ich Freitagmorgen durch die Unterlagen von Belgrave und Lawrie blätterte, um mich wegen der Vier-Schritte-Karten zu informieren, machte es auf einmal „klick“. Sozusagen ein Klick-Parkett *hihihihi* und ich stellte fest, dass ich in meinem Kopf etwas ganz Ähnliches schon seit langem betreibe, nur ohne Karten. Beim Lesen der Anleitung (RTFM, sag ich mal…) wurde mir auf einmal die Schönheit dieses Systems deutlich. Da ich mit meinem ausgedruckten Blätterwald nicht weiter kam, habe ich kurzerhand bei einem Internetshop einen Satz Karten und ein Handbuch bestellt.

Eine Stunde nachdem ich das bestellt hatte, verstand ich auf einmal, was es mit diesem Kram auf der CD auf sich hatte. Ich konnte das Material jetzt benutzen, hatte aber gerade 50 Pfund für einen Satz Karten und ein Handbuch ausgegeben. Das störte mich nicht, denn mit dem Kauf der offiziellen Karten und des Handbuchs erfülle ich mir ganz wunderbare Bedürfnisse!
Beitragen
Wertschätzung
Respekt
Authentizität
Gemeinschaft
Unterstützung.

Ich dachte bei mir, die vier Schritte könnte ich ja mal vorab auf Tafeln brennen und kommende Woche mit in die Übungsgruppe nehmen. Ich hatte auch die Bitten gelesen, die Gina und Bridget in ihrem Handbuch formuliert hatten. Unter anderem stand da:

Falls Geld beim Erwerb der Materialien ein Hindernis darstellt:
• Schreibt uns bitte, und sagt uns, wieviel Geld Ihr bezahlen wollt. Es liegt uns viel daran, GFK in allen Gesellschaftsschichten zu verbreiten. Also meldet Euch bei uns.

und etwas weiter unten:

Wir möchten, dass die Tanzparkette so gebraucht werden, wie wir sie gestaltet haben. Falls Ihr Veränderungen vornehmt:
• Bitte schickt uns Kopien. • Druckt auf Eure Version: „Angepasst
an (oder ‚Inspiriert von’, oder ‚Basierend auf’) ‚Das GFK- Tanzparkett’ von Bridget Belgrave & Gina Lawrie www.GnB.org.uk“
Falls Ihr etwas Ähnliches kreiert:
• Bitte wählt einen Namen, durch den es sich deutlich von ‚Das GFK- Tanzparkett ’ und ‚Tanzkarten’ unterscheidet und macht die Herkunft durch den oben genannten Aufdruck kenntlich.

Also suchte ich im Netz nach einem kurzen Hinweis zum Thema Tanzparkett, den ich unten auf meine selbst gemachten Karten kopieren konnte, und der die Urheberschaft von Bridget und Gina bekundete. (Wobei Tafel mit den vier Schritten noch kein eigentliches Tanzparkett sind, aber immerhin!) Ein Tanz auf dem Tanzparkett sieht zum Beispiel so aus:

Ich surfte also über Seiten, wo etwas zum GfK-Tanzparkett stand und entdeckte auch eine Datei, die mutmaßlich genau den Hinweis anbieten konnte, den ich suchte. Da stand:

Das GfK-Tanzparkett
Das Tanzparkett ist ähnlich wie das Arbeitsblatt eine Hilfe für Klarheit.

Es funktioniert so: Drucken Sie sich die Karten aus und legen Sie sich die Karten auf den Boden – dann können Sie über die Karten durch die 4 Schritte der Gewaltfreien Kommunikation tanzen. Stellen Sie sich auf die Karte „Beobachtung“ und formulieren Sie die Beobachtung: „Wenn ich wahrnehme, dass …“ – Dann gehen Sie weiter auf die Karte „Gefühle“ und erspüren und formulieren Sie, welche Gefühle die Situation, die Sie in der Beobachtung formuliert haben, bei Ihnen auslöst. usw.
Auch hier kann die Karte mit den Gefühlen und Bedürfnissen hilfreich sein. Tipp: Nehmen Sie sich Zeit, atmen Sie, und nehmen Sie wirklichen Kontakt mit sich selbst auf.

Dann öffnete ich die Datei und hielt die Luft an.
Da hatte jemand eine Version des Tanzparketts nachgebaut und dann darunter geschrieben: Copyright: TrainerIn XY

Liebe Freunde,
ich bin total aufgewühlt und traurig.
Meine Bedürfnisse nach Wertschätzung und Respekt für die Arbeit von Gina und Bridget sind im Mangel. Wenn ich einen Arbeitsbogen entwickle und jemand anderes den benutzt, wünsche ich mir, dass der Hinweis auf meine Urheberschaft deutlich zu erkennen ist. Es geht mir auch um Anerkennung, Integrität, Ehrlichkeit, Schutz und Sicherheit. Es schmälert doch nicht die Leistung des Trainers, wenn er zu erkennen gibt, woher er seine Arbeitsmittel bezieht! Die Vier-Schritte-Kärtchen, die ich immer bei mir trage, habe ich auch nicht selbst entwickelt, sondern sie sind eine Fortschreibung von zwei anderen Karten, die mir in die Hände gefallen sind. Eine bekam ich 2008 in meiner ersten Jahresgruppe als Abschiedsgeschenk, eine umfangreichere 2009 von einem Seminarkollegen (der die Idee irgendwo aufgeschnappt hatte). Ich habe sie dann noch im die Interpretationsgefühle erweitert, somit einen Beitrag dazu geleistet, dass diese aktuellen Karten jetzt „meine“ sind. Aber eine Idee wie das Tanzparkett in dieser Weise zu übernehmen, sogar noch den Titel beizubehalten ohne einen Hinweis auf die „Erfinderinnen“ zu geben – damit geht es mir nicht gut.

Könnte sein, dass ich mich mit der/dem TrainerkollegIn in Verbindung setze und sage, wie es mir mit meinem Fund im Netz geht. Aber erst mal muss ich für mich klarkriegen, worum es MIR eigentlich geht. Mal sehen, was ich auf meinen tollen Karten für mich für eine Lösung ertanze.

So long!

Ysabelle

Kraut & Rüben (9)

Hallo, Welt!

Wieder mal gibt es ein ganzes Konglomerat an Themen und Gedanken in meinem Kopf. Da die Zeit fehlt, 20 Postings zu schreiben, hier ein neues “Kraut und Rüben“.

Dankbarkeit
Das ist noch immer ein Wahnsinns-Thema für mich.
Vorgestern habe ich bei meinem Nachbarn ein Paket abgeholt, das er für mich entgegen genommen hat. *D*A*N*K*E*
Für mich ist es so schwierig, nur am Samstag zur Post zu kommen, da hilft es ungemein, wenn jemand eine Sendung für mich annimmt.

Zu meinem Erstaunen war es ein neuer Lucky Kitty-Katzenbrunnen.
ich hatte das Gerät meinen Kindern zu Weihnachten geschenkt, aber ihre Katzen fanden es nicht attraktiv.
Meine schon, und so sprudelte seit Mitte Januar der Brunnen im Bad vor sich hin.
Seit vier Wochen leider auch drumherum. Ich fand nicht heraus, was damit nicht stimmte. Irgendetwas war undicht oder kaputt, aber was? Ein Riss oder eine Beschädigung war nicht zu erkennen. Ina schraubte vorige Woche dran rum, aber als es am nächsten Tag noch immer nicht funktionierte, verpackte sie für mich den ganzen Sch… in den Original-Karton und schleppte es zur Post. *D*A*N*K*E*
Anscheinend schon am Mittwoch war der neue Katzenbrunnen da, kommentarlos. Zack, Label drauf und an meine Adresse geschickt! *D*A*N*K*E*
Beim Auspacken und Installieren stellte ich eben fest, dass es sich um das Nachfolger-Modell handelt. Der untere Teil hat noch einen Ring aus Gummi, den mein erster Brunnen nicht hatte. Und es gab aufklebbare Gummifüße für drunter. *D*A*N*K*E*
Und so sitzen meine Vier wieder vor ihren Wasserspielen und freuen sich dran. Wie wunderbar!

Und dann hatte ich GfK-Besuch.
An zwei aufeinanderfolgenden Tagen waren zwei Frauen bei mir, mit denen ich wunderbare und bereichernde Gespräche führen durfte. Ich habe viel Neues über mich lernen dürfen und kam Kontakt mit dem Glaubenssatz „Du bist nicht gut genug“, der mich schon viele Jahre verfolgt. Ich schätze mal, das wird ein Thema für eine Arbeit mit „The Work“ von Byron Katie. Ich bin so froh, dass ich das erkennen durfte! *D*A*N*K*E*

Ergebnisoffene Empathie
Ich habe außerdem gelernt, warum es mir so kostbar ist, dass Empathie ergebnisoffen gegeben wird und nicht etwa mit einer klaren Bitte endet. Mir ist klar geworden, dass das etwas mit Kontrolle zu tun hat, für MICH.
Hintergrund: In der Übungsgruppe sagte jemand, er versuche Empathie nach den vier Schritten zu geben, und am Ende solle eine klare Bitte stehen. Mir war sehr unbehaglich dabei, ich konnte es aber nicht benennen. Dank der Gepräche mit meinen GfK-Freundinnen wurde mir deutlich, dass es mir besonders gar nicht immer um ein spezielles Ergebnis, eine Bitte, eine Handlungsoption geht. Manchmal tut es einfach gut, gesehen und gehört zu werden, und es muss gar nichts weiter dabei rauskommen… Und falls mich jemand im Empathieprozess da hin führen möchte, dass ein Ergebnis dabei rauskommt, dann ist das seins, aber nicht meins. Und dabei soll Empathie doch für mich sein, und nicht eine Leistungskontrolle für den anderen…

Frage: Ist das verständlich?

Liebe
Ich bin außerdem noch einmal mit der Liebe in mir in Verbindung gekommen. Das fühlte sich sehr schön an und ich bin so froh, dass ich das spüren durfte. Einfach so Liebe. Für einen anderen Menschen, dafür, dass wir alle immer das Beste tun, was uns möglich ist. *D*A*N*K*E*

Gäfgen II
Dann habe ich versucht zu verstehen, warum viele Menschen über das Gäfgen-Urteil so entsetzt sind. Welche Bedürfnisse sind bei ihnen unerfüllt? Strafe und Rache sind zum Glück keine Bedürfnisse. Aber vielleicht stört es die Menschen in ihrem Bedürfnis nach Ausgleich. Wer jemand anderem das Leben genommen hat, sollte für seinen eigenen Schaden keinen Ausgleich bekommen. Vielleicht hat es war mit Integrität und Kongruenz zu tun. Mit Sicherheit auch mit dem Bedürfnis nach Verstehen. Wie kann jemand Geld fordern, nachdem er so eine Tat begangen hat? Ich glaube, viele von uns denken, Herr Gäfgen sollte sich was schämen. Und das hat bestimmt etwas mit dem Bedürfnis nach Gleichwertikeit/Ausgleich/Gerechtigkeit zu tun, wobei Gerechtigkeit ja auch nur ein Konstrukt unserer kulturellen Identität ist.

Norwegen
Und ich ärgere mich über Innenminister Friedrich, über den im Spiegel steht:
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat anlässlich der Anschläge in Norwegen ein Ende der Anonymität im Internet gefordert. „Politisch motivierte Täter wie Breivik finden heute vor allem im Internet jede Menge radikalisierter, undifferenzierter Thesen, sie können sich dort von Blog zu Blog hangeln und bewegen sich nur noch in dieser geistigen Sauce“, sagte Friedrich dem SPIEGEL. „Warum müssen ,Fjordman‘ und andere anonyme Blogger ihre wahre Identität nicht offenbaren?“

Die Grundsätze der Rechtsordnung „müssen auch im Netz gelten“, Blogger sollten „mit offenem Visier“ argumentieren.

Das Internet führt nach Ansicht Hans-Peter Friedrichs zu einer neuen Form radikalisierter Einzeltäter, die den Sicherheitsbehörden zunehmend Sorgen bereiteten. „Wir haben immer mehr Menschen, die sich von ihrer sozialen Umgebung isolieren und allein in eine Welt im Netz eintauchen“, so Friedrich. „Dort verändern sie sich, meist ohne dass es jemand bemerkt. Darin liegt eine große Gefahr, auch in Deutschland.“

Das erfüllt nicht mein Bedürfnis nach Schutz, Sicherheit, Freiheit und Ehrlichkeit. Die Norweger reagieren auf den Anschlag in ihrem Land mit Liebe:
Kronprinz Haakon sagte:

„Wir wollen Grausamkeit mit Nähe beantworten. Wir wollen Hass mit Zusammenhalt beantworten. Wir wollen zeigen, wozu wir stehen. Norwegen ist ein Land in Trauer. Wir denken an alle, die Verluste erlitten haben. Die vermissen.“

Haakon weiter: „Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen. Aber wir können uns entscheiden, was es mit uns als Gesellschaft und als Einzelne macht. Wir können uns dafür entscheiden, dass niemand allein stehen muss. Wir können uns dafür entscheiden, zusammenzustehen.“

„Wir wollen ein Norwegen, in dem wir zusammenleben in einer Gemeinschaft mit der Freiheit, Meinungen zu haben und uns zu äußern. In der wir Unterschiede als Möglichkeiten sehen. In der Freiheit stärker ist als Angst.“

Das ist die Welt, in der ich leben möchte. Und dazu möchte ich einen Beitrag leisten.

Hier noch eine wunderbare Zeichnung, die mich gestern über Gerhard Rothhaupt erreichte. Die Frage stellt sich zur Zeit nicht, aber ist schon sensationell…
Da lohnt sich ein ausführlicher Blick auf die Bedürfnisliste, oder?

So long!

Ysabelle

Herr Gäfgen kriegt Schmerzensgeld

Beim Versuch, das Leben des elfjährigen Jakob von Metzler zu retten, drohen Polizeibeamte Magnus Gäfgen vor neun Jahren mit Folter. Das Land Hessen muss dem verurteilten Kindsmörder deswegen eine Entschädigung von 3000 Euro zahlen. Für die Beobachter steht fest: Kläger Gäfgen fehlt „jegliche Sensibilität für ein soziales Miteinander“. Und trotzdem sei das Urteil des Frankfurter Landgerichts in einem Rechtsstaat alternativlos. „Anderenfalls könnten sich Menschen ermuntert fühlen, mit Folter zu drohen, die keinen so guten Grund haben wie damals der Polizist Wolfgang Daschner.“ Von der N-TV-Webseite

Hallo, Welt!
Gestern Morgen ärgerte ich mich über die Schlagzeile der Bildzeitung.
Der Fall Gäfgen heute vor Gericht
Schmerzensgeld für Kindermörder?
Herr Richter, verhindern Sie das!

Anscheinend hätte da gern jemand mindestens zwei Sorten Recht. Eines für Kindesmörder und eines für „anständige“ Leute. Und für Kindesmörder gilt nicht das als rechtens, was für andere Leute gilt.

Mal abgesehen davon, dass Herr Gäfgen mit der ihm zugesprochenen Kohle nicht allzuviel Freude haben dürfte: Er trägt vier Fünftel der Prozesskosten und scheiterte mit seinem Anspruch auf Schmerzensgeld. Er erhält aber eine Entschädigung, weil ihm im Verlauf der Vernehmung mit schlimmen Schmerzen gedroht worden war – Folter ist in Deutschland aus gutem Grund verboten. Das gilt auch für Kindesmörder. „Durch die Androhung der Schmerzzufügung haben Beamte des Landes Hessen in die Menschenwürde, die das höchste Verfassungsgut darstellt, eingegriffen“, urteilte der Vorsitzende Richter. „Es ist gänzlich unerheblich, dass der Kläger vorher eine Straftat begangen hat. Das Recht auf Achtung der Menschenwürde kann auch dem Straftäter nicht abgesprochen werden.“

In den vergangenen Tagen bin ich immer wieder den Schlüsselunterscheidungen der GfK über den Weg gelaufen:

1. „Eine Giraffe sein“ oder „Sich wie eine Giraffe verhalten“

und der Fall Gaefgen ist dazu ein wunderbarer Prüfstein für mich. Gelten universale Menschenrechte für alle, oder nur für die, die ich nach bestimmten Kriterien dafür selektiere? Marshall hat einmal sinngemäß gesagt, dass für ihn die Gräueltaten Hitlers der ultimative Prüfstein waren. War er bereit anzuerkennen, dass auch Hitler seinen wunderbaren universellen Bedürfnissen Raum geben wollte, als er seine völkermordenden Strategien verfolgte? Ich bin bereit es auszuhalten, dass ein Mann, der ein elfjähriges Kind getötet hat, um zu Geld zu kommen, den Staat und die Gesellschaft darauf hinweist, dass seine Rechte deshalb nicht geringer sind als die eines Menschen, der nicht die Verantwortung für den Tod eines Kindes hat.

Es muss mir deshalb nicht gefallen. Aber anerkennen möchte ich es trotzdem. Ja, wir haben alle die gleichen Rechte. Darauf möchte ich vertrauen. Und dieses Urteil trägt dazu bei, dass ich auf diese universellen Menschenrechte weiter vertrauen darf – auch wenn in diesem Fall ein einzelner Mensch das Recht eines anderen auf Leben und Unversehrheit nicht geachtet hat. Wenigstens die dritte Gewalt im Staate, die Rechtsprechung, hat sich dafür eingesetzt, dass unsere Menschenrechte für alle gelten. Und damit auch für mich.

So long!

Ysabelle

Norwegen und die Frage der Schuld

Hallo, Welt!

Heute stolperte ich über ein Zitat des Dichters Khalil Gibran.

Und noch ein Wort, wenngleich es schwer auf euren Herzen lasten wird: Der Ermordete ist an seiner eigenen Ermordung nicht unschuldig. Der Beraubte wird nicht ohne Mitschuld beraubt.
Der Rechtschaffene stets auch ein wenig der Komplize des Übeltäters. Und nur weil unsere Hände sauber sind, dürfen wir uns doch nicht rühmen, keine Schuld an den Missetaten des Bösen zu tragen. Ja, der Schuldige ist bisweilen das erste Opfer des Unrechts. Und sehr häufig trägt der Verurteilte die Last der Strafe anstelle all jener, die nicht bestraft werden und sich keiner Schuld bewusst sind.

Ich kann das zurzeit schwer lesen, weil ich in diesen Tagen so oft an die getöteten Kinder und Jugendlichen in Norwegen denken muss, und an den Mann, der anscheinend so viel Angst vor dem Fremden/Anderen hatte, dass ein Massenmord die beste Strategie war, die ihm zur Verfügung stand.

Sicher – als Gesellschaft tragen wir alle die Verantwortung für alle unwidersprochenen Aussagen wie die von Thilo Sarrazin oder Henryk M. Broder. Aber welche Verantwortung tragen die Menschen, die in Oslo erschossen oder zerbombt wurden?

Ich kenne einige GfK’ler, die es schon heute schaffen würden, dem Attentäter Empathie zu geben. Ich ringe noch immer damit, nicht in den Kategorien von Schuld und Strafe zu denken. Ich fürchte, mein Weg ist noch lang.

So long!

Ysabelle

Besser gut geklaut… Babys teilen gern!

Heute entdeckte ich im Stern online einen Artikel, der mich schwer beeindruckt hat. Gleichzeitig dachte ich, darüber hast du doch schon mal geschrieben…??? Ich schätze, ich dachte dabei an diesen Artikel hier aus dem Blog. Das Thema ist ähnlich, aber es scheint um einen anderen Versuch zu gehen. 😉
Bevor die Zeilen wieder im Nirwana verschwinden, hier der Artikel aus dem Stern, der mir so wichtig ist.

Verhaltensforschung: Erst wird geholfen, dann geteilt

Hilfst Du mir, helf ich dir: Das gilt schon für Kleinkinder. Sie teilen ihre Spielsachen umso lieber mit anderen Kindern, wenn die ihnen vorher geholfen haben. Schimpansen machen diesen Unterschied nicht.

Schon bei Dreijährigen beobachten Forscher, dass sie beim Teilen gerecht vorgehen: Anderen Kindern geben sie eher etwas von ihrem Spielzeug ab, wenn diese ihnen zuvor geholfen haben, es zu ergattern. Wer sie nicht unterstützte, ging auch leer aus, berichten Wissenschaftler um Katharina Hamann vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig.

Es handelt sich offenbar um ein zutiefst menschliches Verhalten, denn Schimpansen machen diesen Unterschied nicht, schreiben die Forscher im Fachblatt „Nature“. Das deute darauf hin, dass es sich hierbei um ein Erbe unserer Vorfahren handeln könnte, die gelernt hatten, nach der gemeinsamen Nahrungssuche ihre Beute untereinander gerecht aufzuteilen. Zwar machen auch Schimpansen manchmal in Gruppen gemeinsame Jagd auf andere Affen. Ihre Beute teilen sie anschließend aber nicht friedlich untereinander auf. Vielmehr werden sie durch aggressive Artgenossen dazu genötigt, etwas abzugeben.
Je älter, desto gerechter

Menschenkinder hingegen teilen schon früh mit anderen Altersgenossen, schreiben die Forscher. Je älter sie werden, desto gerechter gehen sie dabei vor. Unerforscht war bisher, inwieweit dieses Verhalten angeboren ist oder durch Erziehung erlernt wird. Ebenfalls unklar war, ob kleine Kinder gerechter teilen, wenn die „Beute“ das Ergebnis einer vorherigen Zusammenarbeit ist.

Um dies zu untersuchen, führten die Forscher verschiedene Experimente mit Kleinkindern durch. In einem Versuch waren zum Beispiel jeweils zwei Kinder im Alter von zwei bis drei Jahren allein in einem Raum. Dort fanden sie ein längliches Brett, an dessen Enden jeweils ein Seil befestigt war. Auf dem Brett lagen ebenfalls an beiden Enden jeweils zwei kleine Spielzeuge.

Die Kinder wussten aus vorherigen Experimenten, dass sie gemeinsam an den Seilenden ziehen mussten, um die Spielzeuge in ihre Reichweite zu holen. Sobald sie das taten, rutschte allerdings ein Spielzeug von einer Seite auf die andere, sodass eines der beiden Kinder schließlich drei Spielzeuge nehmen konnte. Das andere bekam nur eins. Würde der Glückspilz nun eins seiner Spielzeuge abgeben, so dass beide Kinder zwei haben würden?

In einem Kontrollversuch waren die Spielzeuge bereits beim Betreten des Raumes nach dem 3-zu-1-Muster verteilt. Die Kinder mussten für die Belohnung nicht gemeinsam etwas leisten. Das Ergebnis: Die Kinder gaben tatsächlich von ihrem Besitz ab, um das Missverhältnis auszugleichen – und zwar deutlich häufiger, wenn sie vorher zusammengearbeitet hatten, um an die Spielsachen zu gelangen. Spätestens mit drei Jahren haben Kinder ein Gespür für gerechtes Teilen entwickelt und belohnen die Zusammenarbeit, schlussfolgern die Forscher.
Primaten denken erst an sich

In ähnlichen Experimenten untersuchten die Wissenschaftler auch das Verhalten von Schimpansen. Dabei zeigte sich, dass die Primaten grundsätzlich eher an sich denken und ihr Futter nicht freiwillig mit anderen teilen. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie zufällig an das Futter gekommen waren oder ob ihnen ein Artgenosse geholfen hatte, es zu erlangen.

Bei den Menschen hat sich das gerechte Teilen dagegen als Überlebensstrategie entwickelt: Eine gemeinsame Nahrungssuche erfordert naturgemäß einen Partner. Artgenossen, die eine gemeinsam erzielte Beute nicht teilten, würden künftig keine Partner mehr finden. Auf diese Weise habe sich das gerechte Teilen im Verlauf der Evolution womöglich durchgesetzt, erläutern die Wissenschaftler.

Autobahnen verlassen

Hallo, Welt!

… und Hallo, Markus!
Danke noch mal für den Hinweis, dass es manchmal schwer ist, sich mit unseren Automatismen auszusöhnen.

Ich arbeite mich im Moment durch einen fünftägigen Vortrag von Eckhard Roediger: Einführung in die Schematherapie. Er schreibt auf seiner Homepage: Die Schematherapie fokussiert auf die von emotionalen Prozessen gesteuerten Verhaltensweisen, die wir im Laufe unseres Lebens zum Teil unbewusst entwickelt haben. Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung in der Kindheit und Jugend stellten diese Verhaltensweisen zunächst einen zumindest teilweise erfolgreichen Bewältigungsversuch dar. Werden sie starr beibehalten, engen sie zunehmend die weitere Entwicklung ein.
In seinem Vortrag schlägt er vor, tagtäglich gegen die eigenen Automatismen anzulernen und sagt sinngemäß: Wenn Sie morgens aus dem Bett springen wollen und das normalerweise zuerst mit dem rechten Bein tun, dann nehmen Sie heute einfach mal das linke. Wenn Sie beim Anziehen sonst zuerst in die Unterhose und dann ins Hemd steigen, machen Sie es heute umgekehrt. Und wenn Sie am Frühstückstisch das Glas Nutella anlacht, sagen Sie einfach, nein, meine Süße, heute kommt Marmelade dran. Diese Übung können Sie ständig machen, um sich Ihrer Gewohnheiten bewusst zu werden und sie in Frage zu stellen, und Sie brauchen dafür überhaupt keine (zusätzliche) Zeit…
Im letzten Modul der GfK-Fortbildung haben wir eine Übung gemacht, die ich schon kannte, aber noch nicht in dieser Mächtigkeit ausprobiert hatte. Wir haben sie „Der heiße Stuhl“ genannt. Jeder von uns hat ja den einen oder anderen Satz, den er schwer hören kann. Beim „Heißen Stuhl“ wird nun einer der Teilnehmer geradezu bombardiert mit solchen Sätzen und versucht, mit GfK darauf zu antworten.
Probiert doch mal selbst empathische Antworten auf

Das schaffst du nie…

Letztes Jahr hast du aber noch in das blaue Kleid gepasst

Ich dachte, Sie hätten das im Griff

Du kannst hier nicht stehen!

Du machst immer alles so kompliziert!

Muss das sein?

Das kann so nicht bleiben!

Immer dieses Genörgel!

Diese Liste ließe sich sicherlich kilometerlang fortsetzen. Vielleicht habt Ihr Lust, ein paar Antworten zu probieren, entweder als empathische Entgegnung oder als Selbstoffenbarung (wenn ich höre… fühle ich mich… weil mir… wichtig ist…). Mit dieser Übung können wir versuchen, die automatisierten Reaktionen (oft Angriff oder Verteidigung) zu unterbrechen. Wir können üben, uns auch in schwierigen Situationen aus der Welt von Richtig oder Falsch zu verabschieden.

Heute Morgen bot sich mir eine besondere Gelegenheit zum Üben…
Im Zug setzte sich mir ein Ehepaar gegenüber. Die Dame war an Krücken. Als die Schaffnerin kam, beschwerte sich der Herr, wieso die Fahrkarte seit dem vorigen Mal fast doppelt so teuer geworden sei. Die Schaffnerin prüfte den Fahrschein und sagte, „Sie haben eine Gruppenkarte gekauft. Das ist für Sie nicht der beste Fahrschein für diese Strecke. Bitte unterschreiben Sie die Karte noch hier unten.“ Mit diesen Worten reichte sie dem Mann die Karte und einen Kugelschreiber. Die Ehefrau riss dem Mann die Karte aus der Hand und sagte erregt: Ich unterschreibe gar nichts. Dann fing sie an, auf russisch schnell und anscheinend ärgerlich zu reden. Die Schaffnerin zuckte mit den Achseln und setzte ihren Kontrollgang fort. Und ich überlegte die nächsten 20 Kilometer, was in diesem Fall eine empathische Antwort gewesen wäre und welche Gefühle wohl in meiner Tischnachbarin lebendig waren. Eine spannende Beschäftigung, mit der ich gleichzeitig trainieren kann, in schwierigen Situationen empathisch zu bleiben. Zu allererst mal mit mir. Und mich hat diese Unruhe, die Lautstärke und das Verhalten ziemlich gestört…

So long!

Ysabelle

Trampelpfade im Hirn

Hallo, Welt!

Mein Kopf ist so voll mit wunderbaren Erkenntnissen, die ich so gern mit Euch teilen möchte. Heute geht es um die Frage: Wenn ich doch die vier Schritte der GfK im Nu begriffen habe, sie als bereichernd und sinnvoll in mein Leben integrieren will – warum fällt mir dann in schwierigen Situationen kein GfK ein?

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass wir darauf angewiesen sind, als Babys und Kleinkinder von unseren Bezugspersonen ernährt und gespiegelt werden. Kinder, die keinerlei Ansprache haben, sterben. Das ist leider sogar im Experiment bewiesen.
Diese frühkindliche Abhängigkeit von anderen führt dazu, dass wir uns völlig unbewusst ihren Werten fügen. In aller Regel wachsen wir auf in einer Welt von Richtig und Falsch.

Zwei Kräfte sind in uns besonders lebendig: Der Explorationstrieb, der uns dazu inspiriert, Dinge auszuprobieren und unsere Autonomie zu entdecken, und unser Bindungsverhalten. Kleinkinder müssen sich ständig rückversichern, ob ihre Bezugsperson noch da ist. Nur wer sicher gebunden ist, kann auch entspannt seinem Explorationstrieb nachgehen.

Im Spiegel unserer Bezugspersonen erleben wir, was erwünschtes und unerwünschtes Verhalten ist. Wir formen uns praktisch selbst nach den Normen, die uns vorgegeben, vorgelebt werden. Dabei entstehen in unserem Gehirn neuronale Vernetzungen.
Ursprünglich haben wir nur mit Gefühlen, mit Botschaften aus dem – evolutionär betrachtet – ältesten Teil des Gehirns zu tun, dem limbischen System und dem Mandelkern, der Amygdala. Wenn wir heranwachsen, kommt der Verstand dazu, der vorn in der Stirn zu Hause ist, im präfrontalen Cortex.

Im Verlauf unseres Aufwachsens lernen wir unreflektiert bestimmte Verhaltensweisen, die uns zum damaligen Zeitpunkt und im damaligen System wichtige Bedürfnisse erfüllt haben. Wenn wir hören. „ein Junge weint nicht“, dann hätte es unter Umständen für uns sehr unerfreuliche Folgen, wenn wir als Junge oder Mann dann eben doch weinen würden. Oder wenn wir als Mädchen unsere Wut oder unsere Aggressionen zeigen. Stattdessen trainieren wir Verhaltensweisen, die sozial erwünscht sind oder uns zumindest als geeignete Strategie im Überlebenskampf erscheinen. Mit diesen erwünschten Verhaltensweisen sichern wir die Bindung zu unseren Bezugspersonen.

So entstehen im Gehirn geradezu neuronale Autobahnen, tief eingegrabene Verhaltensmuster, die bei Bedarf sofort aktiviert werden. Unsere Reaktionen kommen dann aus dem „Autopiloten“. Mit einem schönen Gruß vom Mandelkern. Hier gibt es ein schönes Beispiel dafür, dass wir sicher alle kennen…

Das Wunder des Ärgerns

Wenn wir nun anfangen, GfK zu lernen, geschieht das zunächst im präfrontalen Cortex. Wir erfassen die GfK intellektuell. Wenn jedoch eine schwierige Situation entsteht, wenn wir unter Stress geraten oder mit Dingen konfrontiert sind, die wir schon hundert Mal auf bestimmte Weise gelöst haben, schaltet sich der Autopilot zu. Also: Es werden wie in dem netten Video-Beispiel bei Otto Waalkes Botenstoffe ausgeschüttet, der Blutdruck steigt, die Faust ballt sich. Und über die schon in Kindertagen angelegten neuronalen Autobahnen im Gehirn reagieren wir wie ein Automat. So wie wir immer reagiert haben…

Manchmal dauert es Wochen, bis einem einfällt: Mensch, in dieser oder jener Situation hätte ich ja auch mit GfK reagieren können…
Es geht also darum, auf längere Sicht vor die alten sechsspurigen Autobahnen einen Schlagbaum anzubringen. Wir rasen dann immer seltener durch die Schranke und hinterlassen Holzsplitter, sondern wir halten und überprüfen, was in der aktuellen Situation eine angemessene Verhaltensweise wäre. So entstehen nach und nach neue Verhaltensmuster, die sich ganz allmählich vom kaum sichtbaren Trampelpfad zur komfortablen Schnellstraße ausbauen lassen.

Mit der Zeit gelingt das immer häufiger und immer schneller. Wir nehmen sozusagen einen Gangwechsel vor. Wir kuppeln aus und überlegen neu, in welchem Gang wir weiter fahren möchten. Dann legen wir einen neuen Gang ein und weiter geht die Fahrt.

Um das tun zu können, brauchen wir Achtsamkeit. Wir müssen dafür lernen, den Signalen unseres Körpers zu lauschen, unsere Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen. Erst dann gelingt es uns immer öfter, dass der präfrontale Cortex entscheidet, wie wir reagieren wollen, und nicht das uralte limbische System mit seinen Steinzeitmustern…

Wie Marshall so schön sagt: Die ersten 40 Jahre sind die schwersten…

Mich würde interessieren, ob diese Erläuterung für Euch irgendwie von Nutzen war.

So long!

Ysabelle

Copyright © 2025 by: Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren! • Template by: BlogPimp Lizenz: Creative Commons BY-NC-SA.