Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Zettel allüberall

Hallo, Welt!
Ich bin ein Papiermessi. Messies sind Menschen, die alles aufheben möchten, weil man „das“ doch noch mal gebrauchen kann. Das führt dazu, dass meine Küche aktuell aussieht als sei ein Papiercontainer explodiert. Unterrichtsvorbereitungen, meine eigene Werbung, Rechnungen, die Abrechnung meiner Heizung, die vor einem Jahr eingebaut wurde, Trauerpost, Rechnungen an meine Mutter, Rechnungen wegen meiner Mutter, Gebrauchsanleitungen, Kundenzeitschriften, Flyer… und kleine Zettel. Im Portemonnaie, in Büchern, zwischen anderen Papieren, überall sind kleine handgeschriebene Zettelchen von meiner Mutter. Ermahnungen, Liebesgrüße, Einkaufsanweisungen, Erinnerungen, Gesprächsnotizen… Jedes Mal, wenn mir wieder einer in die Finger fällt, kommen die Tränen. Es wird keine neuen Zettelchen mehr geben.

Irgendwie möchte ich dieses Papierchaos bis Donnerstagabend lichten, sortieren, beseitigen. Aber wie?
Denn Freitag kommt meine Familie, wir werden die Asche meiner Mutter beisetzen. Und ich merke, wie viel Scham es gibt, dass meine Familie sieht, wie hier die Papierberge wuchern. Ich kann mit mir diskutieren, dass ich drei Jobs habe und den Haushalt meiner Mutter abwickele, und mich daher nicht mit einer verrenteten Vollzeithausfrau zu vergleichen brauche. Der Gedanke, nicht zu genügen, ist gerade mal sehr aktiv.

Und deshalb gehe ich heute nicht auf den Golfplatz, wie ich noch um 10 Uhr gedacht hatte. Die vergangenen zwei Stunden habe ich Zahlungsverkehr erledigt, jetzt lege ich mich ein bisschen hin, dann stelle ich neue Produkte im Shop ein und dann lade ich mein Auto aus, das bis unters Dach voll ist mit Sachen fürs Sozialkaufhaus. Damit ist dann der Samstag auch schon wieder „sinnvoll“ gefüllt. Es ist einfach zu viel.

Wenigstens mit mir kann ich freundlich sein. Ich muss mich nicht wolfen für das, was unerledigt bleibt. Ich kann anerkennen, dass ich zu jeder Zeit mein Bestes gebe.

So long!

Ysabelle

… ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen

Der Tod ist nichts,
ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen.
Ich bin ich, ihr seid ihr.
Das, was ich für euch war, bin ich immer noch.
Gebt mir den Namen, den ihr mir immer gegeben habt.
Sprecht mit mir, wie ihr es immer getan habt.
Gebraucht keine andere Redeweise,
seid nicht feierlich oder traurig.
Lacht weiterhin über das,
worüber wir gemeinsam gelacht haben.
Betet, lacht, denkt an mich,
betet für mich,
damit mein Name ausgesprochen wird,
so wie es immer war,
ohne irgendeine besondere Betonung,
ohne die Spur eines Schattens.
Das Leben bedeutet das, was es immer war.
Der Faden ist nicht durchschnitten.
Weshalb soll ich nicht mehr in euren Gedanken sein,
nur weil ich nicht mehr in eurem Blickfeld bin?
Ich bin nicht weit weg,
nur auf der anderen Seite des Weges.

Henry Scott Holland (1847-1918)

Hallo, Welt!
Um 13.01 Uhr kam der Anruf aus dem Hospiz. Das Leiden hat ein Ende. Ich fühle Leere, Erleichterung und Trauer. Erfüllte Bedürfnisse: Dankbarkeit. Für meine Mutter, für all das, was wir in den letzten Jahren teilen durften. Dankbarkeit, dass es vorbei ist. Auch mein Bedürfnis nach Frieden ist erfüllt. Nach Wärme und Liebe. Nach Unterstützung, denn meine Tante und meine Cousine waren heute Morgen noch bei meiner Mutter. Doch ihren letzten Atemzug hat sie erst getan, als beide gegangen waren. Die letzten Tage haben mich sehr gefordert. Am Sonntag war ich zuletzt da. Montag zeichnete sich schon ab, dass es zu Ende geht. Aber ich bin noch immer krank, höre fast nichts auf dem rechten Ohr. Gehe trotzdem zur Arbeit. Und dann auf die Autobahn, 120 km? Und nachts zurück? Ein Spagat zwischen Fürsorge und Selbstfürsorge. So habe ich sie nicht mehr gesehen und werde sie auch nicht mehr sehen.
Heute kein Business as usual. Ich lass mich mal spüren, was jetzt dran ist.

So long,
Ysabelle

Friede sei mit Dir, Marshall…

Hallo, Welt!
Gestern Abend erreichte mich die Nachricht, dass Marshall Rosenberg Marshall_looking_upam vergangenen Samstag im Kreis seiner Familie gestorben ist. Anscheinend hatte er schon lange Prostatakrebs. Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass er auch an Alzheimer erkrankt gewesen sein soll (uff, Plusquamperfekt Konjunktiv…). Ich sehe diese Nachricht, ich leite sie weiter, ich klinke mich ein in die Fuze-Konferenz des CNVC, wo wir alle die Möglichkeit haben, unsere Gedanken zu teilen (Infos dazu unten) und kann es nicht fassen. Das kann doch nicht sein. Marshall kann doch nicht tot sein. Ich erinnere mich daran, wie Anja Kenzler vor Jahren sagte, „Marshall wird uralt. Seine Mutter ist erst kürzlich gestorben, die ist auch uralt geworden“. Irgendwie war ich überzeugt, er würde den Friedensnobelpreis kriegen, endlich. Aber dazu muss er leben! Und nun ist er tot. Einfach so. Marshall Rosenberg ist tot.

Ich habe ihn nur neun Tage live erlebt, auf dem letzten IIT, das er in Europa geleitet hat. Das war 2009. Was für eine Eingebung, meine Kohle dafür rauszuhauen! Das IIT selbst fand ich eher enttäuschend. Da wurden die gleichen Inhalte unterrichtet, wie ich sie bei Anja Kenzler und Gerhard Rothhaupt schon kennen gelernt hatte. Und Marshall? „Gott“ Marshall? es gibt eine Anekdote dazu, die ich komplett vergessen hatte. Maria, eine der Teilnehmerinnen beim IIT, sprach Marshall an, ob er auch mal etwas Neues zu erzählen hätte? Alles das, was er sagen würde, könne man auch auf seinen CD’s und Videos hören. Und ich hörte mich selber laut sagen: „One does not critize GOD.“ Maria sprach mich vor zwei Jahren auf diese Äußerung an. Sie hatte meine Worte behalten, ich hatte sie vergessen… Mein altes Thema mit Autoritäten! Dabei war ich voller Bewunderung für Maria und ihre Kühnheit!
Ich glaube, Marshall war in 2009 schon nur noch ein Schatten seines früheren Selbst. Er wurde abgeschirmt von seinem Sohn und den anderen Trainern. In einer Situation hatte er entschieden, ein Healing anzubieten. Da rief seine Frau Valentina während des Workshops an und schien ihm das untersagen zu wollen. 60 Menschen verfolgten dieses bizarre Telefonat oder besser, Marshalls Antworten. Einige verließen den Raum, und ich erinnere mich, wie peinlich mir das war… Autonomie, Respekt…

Nein, Marshalls häufig beschriebenes Charisma blitzte damals nur noch selten auf. Und trotzdem fühlt es sich heute gerade „heartbroken“ an. Ich habe ihn nicht wirklich kennen gelernt, auch wenn ich ihn neun Tage erlebt und gesehen habe, er am Nachbartisch gegessen hat und neben mir auf der Terrasse gestanden. Es gibt sogar ein Foto von uns beiden… Aber seine Stimme hat mich in hundert Nächten begleitet. Über Jahre bin ich über Marshalls CD’s eingeschlafen. Sein Humor, seine klare Art, Dinge zu beschreiben, all das liebe ich an ihm. Ein fremder alter Mann, der mir neue Türen geöffnet hat… Mit Marshalls Hilfe ist es mir gelungen, bei mir selbst anzukommen. Seine Bücher waren eine Offenbarung für mich. Und die Fortführung seines Werkes durfte ich in der Arbeit vieler Trainer erleben: Anja Kenzler, Gerhard Rothhaupt, Kirsten Kristensen, Kit Miller, Dominic Barter, Robert Gonzales, Gina Lawrie, Simone Anlicker, Ian Peatey, Shantigarbha Warren, Simran K. Wester, Esther Gerdts, Andi Schmidbauer, Marianne Sikor, Vivet Alevi, um nur einige zu nennen. Und heute gehöre ich auch zu jenen, die die Fackel weiter tragen. Marshalls Wirken war nicht vergebens. Dazu möchte ich beitragen.

So long!

Ysabelle

Marshall Rosenberg passed from this life on Saturday, February 7th. 2015

Following the news of Marshall’s passing CNVC are inviting anyone touched by Marshall’s life and message to gather online to share our recollections of his life and teaching and the significance they have for us.

In order to care for our varied time zones and schedules, and to give space for all that we want to share, this online space of sharing will run continuously for 16 hours. You may dial in at any time, and stay for as long as is meaningful for you.

We will seek to ensure there is at least one CNVC staff or Board member present on the call at all times, to receive you and hold the space for sharing. We welcome companionship in this holding.

The gathering will begin at 3:00 UTC – in twenty minutes from the sending of this message. That is 10pm in New York (Feb 10, 2015), 3am in London, 4:00h in Paris, 8:30am in Delhi, 11am in Perth (Feb 11, 2015).

We will bring the sharing time to a close at 19:00 UTC – 16 hours and twenty minutes after the sending of this message. That is 2pm in New York, 7pm in London, 20:00h in Paris, 12:30am in Delhi, 3am in Perth.

To join the call from the US or via SkypeOut dial +1 201-479-4595 and enter meeting number 27870906
To call in from other countries, find local numbers here:

www.fuze.com/numbers?utm_source=Meeting-Invite

-then use the number for your country and enter the meeting number 27870906

If you have a fast internet connection and would like to join by computer with audio and video, download Fuze. https://www.fuze.com/download?utm_source=Meeting-Invite

Once FUZE is installed click this link http://fuze.me/27870906 to join the call.

With gratitude for our community,

– Dominic, for the staff and Board of CNVC

Dankbarkeit: 5. Februar 2015

Hallo, Welt!
Eine Woche Bettruhe und heute der erste Tag auf den Beinen. Ich bin um neun aufgestanden, jetzt ist es 23.40 Uhr und ich arbeite noch immer. Keine Ahnung, wo der kleine Preuße steckt, ich wurschtel einfach vor mich hin. Aber gleich nach diesem Blogbeitrag wechsel ich ins Schlafzimmer.
Jeden Tag telefoniere ich nun mit dem Hospiz. Heute hat eine Mitarbeiterin das Telefon aus dem Stationszimmer zu meiner Mutter getragen, die mit dem schon bekannten Kuhglocken-Geläut meine Fragen beantwortet hat. Mensch, wenn mir einer vor einem halben Jahr gesagt hätte, ich würde mal dankbar sein, wenn mir einer mit der Kuhglocke in den Hörer läutet, den hätte ich für verrückt erklärt.

Ich bin berührt und dankbar, dass man sich im Hospiz täglich Zeit für mich nimmt, um mit großer Freundlichkeit meine Fragen zu beantworten. Jeden Abend schicke ich ein Fax, das der Mama morgens gebracht wird. Dann hat sie gleich einen Gruß von mir, und Papier fand sie schon immer cooler als alles andere.
Dankbar bin ich heute auch für die Unterstützung durch meine Bürokraft. Klaglos hat sie die ganzen Lastschrifteinzüge weggearbeitet und dann mit mir im kalten Lager Pakete gepackt. In einer Woche ist Trainertreffen in München und wenn es der Zustand meiner Mutter zulässt, werde ich gen Süden düsen. Mein Sohn, der Speditionskaufmann, macht mir einen guten Preis, um eine Kiste Ware dort runter zu schaffen. Mehr ist dieses Jahr nicht drin, dafür ist einfach zu viel los in meinem Leben. Aber ein bisschen Flagge zeigen will ich dann doch.
Ich glaube übrigens, dass ich bestimmte Sachen lieber arbeite als andere. Ich schreibe zum Beispiel lieber einen Blogbeitrag als dass ich bügele. Und bügeln ist meine liebste Hausarbeit. Seit niemand mehr da ist, der mit mir isst, habe ich keine Lust mehr zum Kochen. Und was habe ich früher für Köstlichkeiten gezaubert… Also, bevor ich etwas Wichtiges im Haushalt erledige, mache ich lieber noch etwas „weniger wichtiges“ am Computer. Post wegsortieren ist ganz unbeliebt. Am schlimmsten ist Boden wischen. Und Fenster geputzt habe ich bestimmt 15 Jahre nicht. In der Küche kann man im Moment vor Papierbergen kaum treten. Also noch schnell einen Blogbeitrag, bevor ich noch diese Haufen sortieren muss… Oder einen Artikel. Oder eine Bestellung fertig machen. Für Morgen habe ich mir vorgenommen, etwas für mich und meine Schönheit zu tun. „Leichtsinnig“, sagt einer aus dem Preußen-Chor. „Du musst die Kohle zusammen halten. Hast Du mal gesehen, wie viele Rechnungen in den kommenden drei Wochen abgebucht werden?“

Egal. Ich verkneife mir schon, diesen tollen Bose-Lautsprecher zu kaufen, den Uwe mit auf dem Seminar hatte, obwohl der aktuell runtergesetzt ist. Da muss wenigstens eine Fußpflege und eine Rückenmassage drin sein!

So long!

Ysabelle

Von kleinen Preußen und Zinnsoldaten

Hallo, Welt!
Ich bin krank. Tatsächlich und mit gelbem Schein und schon den fünften Tag im Bett. Gestern rief mich eine Teilnehmerin aus der Übungsgruppe an und redete mir zu, heute noch einmal zum Arzt zu gehen und die Krankschreibung zu verlängern. „Du machst zu viel und du achtest zu wenig auf dich“. Ich sagte zu ihr, „ich habe da in mir einen kleinen Preußen, der sieht, was alles zu tun ist, und der findet, ich war lang genug im Bett“. Und sie entgegnete: „Dann sperrst du deinen kleinen Preußen jetzt mal eine Woche im Keller ein.“
In der vergangenen Woche habe ich mich zum wiederholten Mal mit der GFK-Matrix beschäftigt, die hier ja auch schon häufig Thema war. Da wisperte eine Stimme, dass ich zu viel tue, nicht genug Pausen habe und eigentlich völlig erschöpft sei. Bedürfnis-Bewusstein und Vitalität kultivieren – bin ich da nach wie vor unbewusst inkompetent? Nehme ich tatsächlich nicht wahr, wie es mir geht? Warum „fühle“ ich mich ständig so ähnlich wie schuldig bei dem Gedanken, nichts zu tun? Druck… ich muss… mehr… tun… es reicht nicht…. streng dich an…
Mein kleiner Preuße salutiert aktuell draußen vor dem Schuppen und marschiert im Hof auf und ab. Mein schlimmer Schnupfen und der bellende Husten machen eine Kommunikation mit mir aktuell nicht gerade einfach und trotzdem glühten heute Morgen die Telefondrähte (ach ne, ist ja drahtlos). Um kurz vor acht rief der Pflegedienst an, um mich zu informieren, dass meine Mutter ins Krankenhaus gebracht wird. Um halb eins rief das Krankenhaus an, man würde meine Mutter jetzt entlassen und ins Hospiz bringen. Und um 13.20 Uhr rief das Hospiz an, um die ersten Dinge mit mir zu besprechen, damit meine Mom dort gut ankommen kann. Die warme Fürsorge und Empathie, die mir da entgegen kam, hat mich komplett aus der Bahn geworfen. „Ach, ihre Mutter kann gar nicht mehr sprechen? Gut, dass Sie das sagen, dann können wir uns darauf einstellen…“ Wie anders der Kontakt als mit dem Krankenhaus oder mit dem Büro des Pflegedienstes, wo es nur um Organisatorisches ging und wirklich nirgendwo die Menschlichkeit durchblitzte. Ich bin sehr dankbar für diesen Anruf. Um meiner Gesprächspartnerin einen Eindruck zu geben, wen sie erwarten können, zitierte ich meine Mutter: „Ich bin ein kleiner Zinnsoldat“… Und jetzt laufen die Tränen ohne Unterlass und ich denke, mein kleiner Preuße ist sicher eine Art Kollege des kleinen standhaften Zinnsoldaten meiner Mutter, die trotz Krebs im Endstadium immer noch ihre Blumen umsorgt und ständig Wäsche waschen muss. Ich glaube, ich buche ein Coaching, wie ich meinen Preußen mehr auf „lebensdienlich“ umschulen kann.

So long,
Ysabelle

… und für alle, die den Zinnsoldaten nicht kennen:

Der standhafte Zinnsoldat

Es waren einmal fünfundzwanzig Zinnsoldaten, die waren alle Brüder, denn sie waren aus einem alten zinnernen Löffel gemacht worden. Das Gewehr hielten sie im Arm und das Gesicht geradeaus; rot und blau, überaus herrlich war die Uniform; das allererste, was sie in dieser Welt hörten, als der Deckel von der Schachtel genommen wurde, in der sie lagen, war das Wort »Zinnsoldaten!« Das rief ein kleiner Knabe und klatschte in die Hände; er hatte sie erhalten, denn es war sein Geburtstag, und er stellte sie nun auf dem Tische auf. Der eine Soldat glich dem andern leibhaft, nur ein einziger war etwas anders; er hatte nur ein Bein, denn er war zuletzt gegossen worden, und da war nicht mehr Zinn genug da; doch stand er ebenso fest auf seinem einen Bein wie die andern auf ihren zweien, und gerade er war es, der sich bemerkbar machte.

Auf dem Tisch, auf dem sie aufgestellt wurden, stand vieles andere Spielzeug; aber das, was am meisten in die Augen fiel, war ein niedliches Schloss von Papier; durch die kleinen Fenster konnte man gerade in die Säle hineinsehen. Draußen vor ihm standen kleine Bäume rings um einem kleinen Spiegel, der wie ein kleiner See aussehen sollte. Schwäne von Wachs schwammen darauf und spiegelten sich. Das war alles niedlich, aber das niedlichste war doch ein kleines Mädchen, das mitten in der offenen Schlosstür stand; sie war auch aus Papier ausgeschnitten, aber sie hatte ein schönes Kleid und ein kleines, schmales, blaues Band über den Schultern, gerade wie ein Schärpe; mitten in diesem saß ein glänzender Stern, gerade so groß wir ihr Gesicht.

Das kleine Mädchen streckte seine beiden Arme aus, denn es war eine Tänzerin, und dann hob es das eine Bein so hoch empor, dass der Zinnsoldat es durchaus nicht finden konnte und glaubte, dass es gerade wie er nur ein Bein habe.

»Das wäre eine Frau für mich.«, dachte er. »Aber sie ist etwas vornehm, sie wohnt in einem Schlosse, ich habe nur eine Schachtel, und da sind wir fünfundzwanzig darin, das ist kein Ort für sie, doch ich muss suchen, Bekanntschaft mit ihr anzuknüpfen!« Und dann legte er sich, so lang er war, hinter eine Schnupftabaksdose, die auf dem Tische stand. Da konnte er recht die kleine, feine Dame betrachten, die fortfuhr auf einem Bein zu stehen, ohne umzufallen.

Als es Abend wurde, kamen alle die andern Zinnsoldaten in ihre Schachtel, und die Leute im Hause gingen zu Bette. Nun fing das Spielzeug an zu spielen, sowohl »Es kommt Besuch!« als auch »Krieg führen« und »Ball geben«; die Zinnsoldaten rasselten in der Schachtel, denn sie wollten mit dabei sein, aber sie konnten den Deckel nicht aufheben. Der Nussknacker schoss Purzelbäume, und der Griffel belustigte sich auf der Tafel; es war ein Lärm, dass der Kanarienvogel davon erwachte und anfing mitzusprechen, und zwar in Versen. Die beiden einzigen, die sich nicht von der Stelle bewegten, waren der Zinnsoldat und die Tänzerin; sie hielt sich gerade auf der Zehenspitze und beide Arme ausgestreckt; er war ebenso standhaft auf seinem einen Bein; seine Augen wandte er keinen Augenblick von ihr weg.

Nun schlug die Uhr zwölf, und klatsch, da sprang der Deckel von der Schnupftabaksdose auf, aber da war kein Tabak darin, nein, sondern ein kleiner, schwarzer Kobold.

Das war ein Kunststück!

»Zinnsoldat« sagte der Kobold, »halte deine Augen im Zaum!« Aber der Zinnsoldat tat, als ob er es nicht hörte.

»Ja, warte nur bis morgen!« sagte der Kobold.

Als es nun Morgen wurde und die Kinder aufstanden, wurde der Zinnsoldat in das Fenster gestellt, und war es nun der Kobold oder der Zugwind, auf einmal flog das Fenster zu, und der Soldat stürzte drei Stockwerke tief hinunter.

Das war eine erschreckliche Fahrt. Er streckte das Bein gerade in die Höhe und blieb auf der Helmspitze mit dem Bajonett abwärts zwischen den Pflastersteinen stecken.

Das Dienstmädchen und der kleine Knabe kamen sogleich hinunter, um zu suchen; aber obgleich sie nahe daran waren, auf ihn zu treten, so konnten sie ihn doch nicht erblicken. Hätte der Zinnsoldat gerufen: »Hier bin ich!«, so hätten sie ihn wohl gefunden, aber er fand es nicht passend, laut zu schreien, weil er in Uniform war.

Nun fing es an zu regnen; die Tropfen fielen immer dichter, es ward ein ordentlicher Platzregen; als der zu Ende war, kamen zwei Straßenjungen vorbei.

»Sieh du!« sagte der eine, »da liegt ein Zinnsoldat! Der soll hinaus und segeln!«

Sie machten ein Boot aus einer Zeitung, setzten den Soldaten mitten hinein, und nun segelte er den Rinnstein hinunter; beide Knaben liefen nebenher und klatschten in die Hände. Was schlugen da für Wellen in dem Rinnstein, und welcher Strom war da! Ja, der Regen hatte aber auch geströmt. Das Papierboot schaukelte auf und nieder, mitunter drehte es sich so geschwind, dass der Zinnsoldat bebte; aber er blieb standhaft, verzog keine Miene, sah geradeaus und hielt das Gewehr im Arm.

Mit einem Male trieb das Boot unter eine lange Rinnsteinbrücke; da wurde es gerade so dunkel, als wäre er in seiner Schachtel.

»Wohin mag ich nun kommen?« dachte er. »Ja, Ja, das ist des Kobolds Schuld! Ach, säße doch das kleine Mädchen hier im Boote, da könnte es meinetwegen noch einmal so dunkel sein!«

Da kam plötzlich eine große Wasserratte, die unter der Rinnsteinbrücke wohnte.

»Hast du einen Pass?« fragte die Ratte. »Her mit dem Passe!«

Aber der Zinnsoldat schwieg still und hielt das Gewehr noch fester.

Das Boot fuhr davon und die Ratte hinterher. Hu, wie fletschte sie die Zähne und rief den Holzspänen und dem Stroh zu: »Halt auf! Halt auf! Er hat keinen Zoll bezahlt; er hat den Pass nicht gezeigt!«

Aber die Strömung wurde stärker und stärker! Der Zinnsoldat konnte schon da, wo das Brett aufhörte, den hellen Tag erblicken, aber er hörte auch einen brausenden Ton, der wohl einen tapfern Mann erschrecken konnte.

Denkt nur, der Rinnstein stürzte, wo die Brücke endete, gerade hinaus in einen großen Kanal; das würde für den armen Zinnsoldaten ebenso gefährlich gewesen sein wie für uns, einen großen Wasserfall hinunterzufahren!

Nun war er schon so nahe dabei, dass er nicht mehr anhalten konnte. Das Boot fuhr hinaus, der Zinnsoldat hielt sich so steif, wie er konnte; niemand sollte ihm nachsagen, dass er mit den Augen blinke. Das Boot schnurrte drei-, viermal herum und war bis zum Rande mit Wasser gefüllt, es musste sinken. Der Zinnsoldat stand bis zum Halse im Wasser, und tiefer und tiefer sank das Boot, mehr und mehr löste das Papier sich auf; nun ging das Wasser über des Soldaten Kopf. Da dachte er an die kleine, niedliche Tänzerin, die er nie mehr zu Gesicht bekommen sollte, und es klang vor des Zinnsoldaten Ohren das Lied: »Fahre, fahre Kriegsmann!
Den Tod musst du erleiden!«
Nun ging das Papier entzwei, und der Zinnsoldat stürzte hindurch, wurde aber augenblicklich von einem großen Fisch verschlungen.

Wie war es dunkel da drinnen! Da war es noch schlimmer als unter der Rinnsteinbrücke, und dann war es so sehr eng; aber der Zinnsoldat war standhaft und lag, so lang er war, mit dem Gewehr im Arm.

Der Fisch fuhr umher, er machte die allerschrecklichsten Bewegungen; endlich wurde er ganz still, es fuhr wie ein Blitzstrahl durch ihn hin. Das Licht schien ganz klar, und jemand rief laut: »Der Zinnsoldat!« Der Fisch war gefangen worden, auf den Markt gebracht, verkauft und in die Küche hinaufgekommen, wo die Köchin ihn mit einem großen Messer aufschnitt. Sie nahm mit zwei Fingern den Soldaten mitten um den Leib und trug ihn in die Stube hinein, wo alle den merkwürdigen Mann sehen wollten, der im Magen eines Fisches herumgereist war; aber der Zinnsoldat war gar nicht stolz. Sie stellten ihn auf den Tisch und da – wie sonderbar kann es doch in der Welt zugehen! Der Zinnsoldat war in derselben Stube, in der er früher gewesen war, er sah dieselben Kinder, und das gleiche Spielzeug stand auf dem Tische, das herrliche Schloss mit der niedlichen, kleinen Tänzerin. Die hielt sich noch auf dem einen Bein und hatte das andere hoch in der Luft, sie war auch standhaft. Das rührte den Zinnsoldaten, er war nahe daran, Zinn zu weinen, aber es schickte sich nicht. Er sah sie an, aber sie sagten gar nichts.

Da nahm der eine der kleinen Knaben den Soldaten und warf ihn gerade in den Ofen, obwohl er gar keinen Grund dafür hatte; es war sicher der Kobold in der Dose, der schuld daran war.

Der Zinnsoldat stand ganz beleuchtet da und fühlte eine Hitze, die erschrecklich war; aber ob sie von dem wirklichen Feuer oder von der Liebe herrührte, das wusste er nicht. Die Farben waren ganz von ihm abgegangen – ob das auf der Reise geschehen oder ob der Kummer daran schuld war, konnte niemand sagen. Er sah das kleine Mädchen an, sie blickte ihn an, und er fühlte, dass er schmelze, aber noch stand er standhaft mit dem Gewehre im Arm. Da ging eine Tür auf, der Wind ergriff die Tänzerin, und sie flog, einer Sylphide gleich, gerade in den Ofen zum Zinnsoldaten, loderte in Flammen auf und war verschwunden. Da schmolz der Zinnsoldat zu einem Klumpen, und als das Mädchen am folgenden Tage die Asche herausnahm, fand sie ihn als ein kleines Zinnherz; von der Tänzerin hingegen war nur der Stern noch da, und der war kohlschwarz gebrannt.

Hans Christian Andersen

Sucht und GFK

Hallo, Welt!

Über den TrainerInnen-Rundbrief des CNVC wurde ich auf einen Artikel aufmerksam, der mich geradezu elektrisiert hat. Darin beschreibt der Autor Johann Hari die wahren Ursachen von Sucht. Eines der Beispiele, die Hari auseinander nimmt, sind die Forschungen von Prof. Alexander. Seit einigen Jahrzehnten gibt es ein klassisches Experiment mit Ratten. Sie werden allein in einen Käfig gesetzt und haben wahlweise Wasser oder heroin versetztes Wasser zum Trinken. Die einsamen Ratten besaufen sich am Heroin versetzten Wasser. Das galt als Indiz dafür, dass Heroin süchtig macht. Alexander hat nun an Ratten nachgewiesen, dass selbst welche, die wochenlang nur Heroinwasser zu sich genommen hatten, normales Wasser bevorzugten, wenn sie wieder in rättischer Gesellschaft waren. Sobald also ihre Einsamkeit aufhörte und sie mit anderen Ratten zusammen ein rattengemäßes Leben führen konnten, interessierte sie die Droge nicht mehr.
Hari führt noch diverse andere Beispiele an: US-Soldaten, die massenweise im Vietnam-Krieg Drogen konsumiert haben, aber nicht 100 Prozent von ihnen haben damit in der Heimat weiter gemacht, sondern nur rund 17 Prozent. Patienten, die wegen starker Schmerzen aus medizinischen Gründen Opiate bekamen, die dann später abgesetzt wurden, endeten nicht als Junkies in der Gosse, sondern lebten ganz normal ohne Drogen weiter…
Was also macht uns anfällig für Drogen? Und ich meine hier nicht (nur) Heroin oder Kokain, sondern genau so Alkohol, Spielen, Sexsucht, Süßigkeiten oder allgemein Fresssucht. Im Artikel heißt es dazu:

The street-addict is like the rats in the first cage, isolated, alone, with only one source of solace to turn to. The medical patient is like the rats in the second cage. She is going home to a life where she is surrounded by the people she loves. The drug is the same, but the environment is different.

This gives us an insight that goes much deeper than the need to understand addicts. Professor Peter Cohen argues that human beings have a deep need to bond and form connections. It’s how we get our satisfaction. If we can’t connect with each other, we will connect with anything we can find — the whirr of a roulette wheel or the prick of a syringe. He says we should stop talking about ‚addiction‘ altogether, and instead call it ‚bonding.‘ A heroin addict has bonded with heroin because she couldn’t bond as fully with anything else.

Wir bonden also mit der Droge, weil wir nicht (so) vollkommen mit anderen Menschen bonden können.
Ich bin nicht sicher, ob jedem von Euch der Begriff Bonding so zugänglich ist. Die Bonding Psychotherapie wurde von Dan Casriel begründet und soll dazu dienen, alte hinderliche Glaubenssätze und/oder Gefühle zu transformieren. Hort der Bonding-Psychotherapie in Deutschland sind die 12-Schritte-Kliniken Bad Herrenalb, Bad Grönenbach, Hochgrat-Klinik Stiefenhofen (Wolfsried) und Adula-Klinik Oberstdorf. In den Bonding-Gruppen findet also Bindung, Verbindung statt. Mein Gegenüber im Bonding-Prozess hält mich aus, bleibt mit seiner Präsenz bei mir, während ich eventuell mit lautem Schreien o.ä. verschüttete Themen bearbeite. So gesehen ein sehr GFK-kompatibles Konzept. (Unter Umständen nicht für Trauma-Patienten geeignet).

Also: Johann Hari stellt die These auf, dass wir mit der Droge bonden, eine Verbindung eingehen, weil uns die echte Bindung zu unseren Artgenossen fehlt. Schade, dass es unter Menschen nicht so leicht ist, in Gemeinschaft zu leben, wie es für Ratten zu sein scheint. Viele von uns bringen ein Päckchen (aus der Herkunftsfamilie oder traumatischen Erlebnissen) mit, die es uns so schwer machen, in Verbindung zu kommen. Und unsere urteilende Welt, die Unfähigkeit vieler Menschen, einfach nur zuzuhören oder wiederzugeben, was sie gehört haben, erschwert das noch zusätzlich. Wenn wir selber (dank 22000 Stunden elterlicher Erziehung) gnadenlose Richter als Introjekte haben, dann erwarten wir natürlich (unbewusst) auch von außen Kritik und Tadel. Wer fühlt sich da noch ermutigt, jemand anderes anzurufen und zu sagen, du, ich hänge durch. Hast du eine halbe Stunde Zeit für mich? A.) Ohne GFK merken wir vielleicht gar nicht, wie es uns geht, weil wir uns unserer Gefühle überhaupt nicht bewusst sind. Und B.) liegt die Tafel Schokolade näher als der Telefonhörer. Und ich laufe nicht Gefahr, mir eine Abfuhr abzuholen.

Vor ein paar Jahren hörte ich in einem therapeutischen Umfeld eine Geschichte, die mich bis heute tief berührt. Eine Frau berichtete aus ihrer Kindheit. Sie war vielleicht zwei oder drei Jahre alt und ihre Mutter stand am Bügelbrett. Das Kind krabbelte hin zur Mutter und begann ihr Bein zu streicheln. Die Mutter machte eine abschüttelnde Bewegung mit dem Bein und sagte dann mit scharfer Stimme, „lass das, ich bin doch keine Katze!“.
Ich glaube, das Kind hatte ein Bedürfnis nach Nähe, oder nach Verbindung, oder Gesehen werden, oder Beteiligung. Ich will nicht abstreiten, dass die Mutter ebenfalls wunderbare Bedürfnisse hatte, die sie dazu bewegten, sich so zu verhalten, wie sie es tat. Aber wenn wir als sehr junge Menschen oder eben auch in der Partnerschaft solche Erlebnisse haben, ist es doch kein Wunder, wenn wir uns anderen Menschen nicht „zumuten“. Es ist doch kein Wunder, wenn wir den Kühlschrank plündern, statt in die Arme unseres Nächsten zu sinken.
Die Geschichte fiel mir gestern Abend wieder ein, als ich sanft den Arm meiner Mutter streichelte. Fast erwartete ich, dass sie meine Hand weg schubste. „Olle Klette“ sagte sie in der Kindheit zu mir und das war durchaus nicht freundlich gemeint.
Und jetzt der Salto in die GFK.
Wenn ich in dem Bewusstsein lebe, dass mindestens einer von sechs Milliarden Erdlingen mit Freude meine Bitte erfüllt, dann kann ich vielleicht die Schokolade liegen lassen und mich statt dessen auf die Suche nach diesem einen machen. Einen Hinweis finde ich vielleicht in meinem Telefonbuch, der Facebook-Freundesliste oder unter den Weihnachtskarten, die irgendwo noch in der Küche liegen. Freitag vor einer Woche war es Michael aus UK, der mir seine Präsenz schenkte. heute habe ich das gleiche bei meiner Schweizer Trainer-Kollegin Sylvie genossen. Es braucht also zum einen die Gewissheit, dass ich willkommen bin. Und zum zweiten braucht es die Erkenntnis, was ich gerade brauche. Und drittens braucht es „Beine“, um auf den- oder diejenige zuzugehen, der oder die mir dieses Bedürfnis vielleicht erfüllen könnte. Und dafür ist es hilfreich, eine klare Bitte zu formulieren. Kannst du mir zehn Minuten ungebremst zuhören? Kannst du mich ein paar Minuten halten? Kann ich mal für eine halbe Stunde in deinem Arm liegen? Wäre es dir möglich, mir kurz die Schultern zu massieren? Ich trage gerade das Gewicht der Welt…

So kann’s gehen, wenn wir mithilfe der GFK uns selbst besser kennen, Bitten formulieren und ein Nein hören können, ohne dass Selbstzweifel an unserer Liebenswürdigkeit getriggert werden. Es ist lohnenswert, sich auf die Gewaltfreie Kommunikation einzulassen…

So long!
Ysabelle

Dankbarkeit: 24. Januar 2015

Hallo, Welt!
Gerade hatte ich überlegt, welche Überschrift mir für mein Sammelsurium an Themen hier passend erscheint: Kraut & Rüben? Spiritualität? Und dann war klar: Es ist Dankbarkeit.
Montag war ein bemerkenswerter Tag. Wir haben das neue Heft an die Druckerei geschickt. Und auf den Tag genau drei Jahre ist es her, dass mein früherer Arbeitgeber mir mitteilte, er wolle künftig ohne mich auskommen.
In diesen drei Jahren ist viel passiert. Ich habe meine Mediationsausbildung absolviert, die Zertifizierung hinter mich gebracht, zwei IIT*s organisiert, einen Webshop für GFK-Lernmittel ins Leben gerufen und diverse Projekte in Sachen Erwachsenenbildung geleitet. Das alles ist bereichernd, erfreulich und schön. Aber erst beim Versand des zweiten Heftes ist mir noch etwas anderes aufgegangen.
Zeitschrift machen, das kann ich. Das habe ich 30 Jahre gemacht. Autoren kontakten, Überschriften mit leichter Hand hinwerfen, Fotos aus dem Hut zaubern, Texte ergänzen oder einkürzen, kreative Lösungen für technische Probleme finden… Das aktuelle Heft war sauviel Arbeit (ich hatte mit meinem dreiköpfigen Grafiker-Team super Unterstützung), aber es war wie das berühmte Schwimmen oder Fahrrad-Fahren. Man verlernt es nicht. Fisch im Wasser. Und ich habe dabei gemerkt, dass mir dieser Zugriff auf meine Kompetenz einen neuen Frieden gegeben hat. Drei Jahre waren diese Skills nicht abgefragt, jetzt kann ich sie alle wieder abrufen. Alles scheint auf einmal folgerichtig. Die vielen Fotos von irgendwelchen GFK-Events, die zahlreichen Kontakte von meinen mittlerweile vier IIT’s, meine Verbindungen nach England und in die USA zu Trainern und Assessoren… alles passt auf einmal zusammen. Und ich bin einfach nur dankbar. So ist mein Leben also gedacht…
Wenn wir jetzt noch dahin kommen, dass ich von diesen Aktivitäten auch noch leben kann, ist wirklich alles gut in dieser Welt.
Aber darum mache ich mir heute keine Sorgen. One day at a time.
So long!
Ysabelle

Systemisches Konsensieren – wenns mal schnell gehen soll

Seit einiger Zeit bin ich begeistert vom Ansatz, Gruppenentscheidungen mit Systemischen Konsensieren zu meistern. Das Systemische Konsensieren oder SK-Prinzip ist eine Möglichkeit, Entscheidungen so nahe wie möglich am Konsens zu treffen, ohne die Gruppe in ihrer Arbeit zu behindern oder einzelne zu übergehen. Entwickelt wurde sie von Dr. Erich Visotschnig und Siegfried Schrotta, die sich vor Jahren die Frage stellten, ob Entscheidungen nicht besser funktionieren würden, wenn man am Abstimmungsprozess etwas ändert.

Herausgekommen ist eine umfangreiche Methode, die sich nach wie vor weiterentwickelt und in der GFK Szene seit einigen Jahren immer größere Bekanntschaft und Beliebtheit erlangt.

Generell kann man eine Entscheidungsfindung grob in drei Kategorien einteilen, die jeweils eine maßgeschneiderte Variante des SK-Prinzips zugeteilt bekommen:

Problemorientiert „Die Angestellten sind überarbeitet“ Vertieftes Konsensieren
Fragenorientiert „Wie können wir auf die Gesundheit unserer Angestellten Rücksicht nehmen?“ Auswahlkonsensieren
Lösungsorientiert „Lasst uns heute eine Stunde früher nach Hause gehen“ Schnellkonsensieren

Das Vertiefte Konsensieren und das Auswahlkonsensieren werde ich ein andernmal beschreiben.

Ein Beispiel zum Schnellkonsensieren:P1100550

Jemand in der Gruppe schlägt vor, heute eine Stunde früher aufzuhören. Wenn sich auf die Frage nach den Einwänden niemand meldet wird der Vorschlag als konsensiert angenommen.

Gibt es hingegen Einwände durch Handheben wird der Vorschlag notiert und die Passiv-Lösung formuliert.

Die Passiv-Lösung beantwortet die Frage, was passiert, wenn wir keine gemeinsame Entscheidung treffen bzw. nichts verändern: Wir hören zur gewohnten Zeit auf.

Evtl. macht noch jemand einen weiteren Vorschlag, dann wird dieser ebenfalls notiert. Anschließend gibt jeder durch Handheben seine Widerstände zu den einzelnen Möglichkeiten ab.

  • Keine Hand: Ich bin einverstanden
  • Eine Hand: Ich habe leichte Bedenken
  • Zwei Hände: Ich habe starken Widerstand

Der Vorschlag mit dem geringsten Widerstand wird von allen am stärksten akzeptiert und gilt als konsensiert.

Wie es wirkt

Schluss mit…

  • endlosen Diskussionen
  • unzufriedenen Gruppenmitgliedern
  • halbgaren Kompromissen

Das „Systemische Konsensieren“ führt unabhängig von moralischen Appellen oder Regeln nahezu automatisch zu einer Verhaltensänderung in der ganzen Gruppe:

Statt einem Kampf gegeneinander führt es zu mehr Miteinander bei der Lösungssuche.
Der Name weist auf das Ziel hin, eine Lösung zu finden, die einem Konsens möglichst nahe kommt, aber ohne den Druck, ihn erreichen zu müssen. Damit sind Entscheidungen tragfähiger, es gibt keine Sieger und Verlierer mehr!

Flyer_SKBerlin_Jan15-1Wenn ihr mehr über das SK-Prinzip erfahren wollt empfehle ich euch einen Besuch auf meiner neuen Homepage, systemisches-konsensieren-berlin.de oder eines unserer Seminare in nächsten Halbjahr zu besuchen!

Markus

Die Haltung der GFK ./. GFK anwenden

Hallo, Welt!
In diesen Tagen habe ich mich mal wieder ein wenig intensiver mit den Schlüsselunterscheidungen beschäftigt. Es ist ja fast zwei Jahre her, dass ich mich für die Zertifizierung damit näher befasst hatte, und jetzt hatte ich mal wieder das Buch von Liv Larsson in den Händen. An anderer Stelle sagt Liv, sie und ihre Kollegin, mit der sie zusammen das Buch geschrieben hat, wären sehr bemüht gewesen, kein neues Richtig oder Falsch aufzumachen.

… clarifying some of the “Key Differentiations” in NVC. We shared the experience that during workshops and trainings, and in discussions with participants, one concept that was really important to shed some light upon, was that of “right” and “wrong”. We also shared the experience that – during our introduction to NVC – someone had “pointed finger at us” and told us “now you are up in your head” or something similar, indicating that we were wrong and not connected to our feelings.  
 

Ich mag gerade „die Haltung der GFK“ und „GFK anwenden“. Vor ein paar Jahren, in meiner ersten Jahresgruppe, habe ich meine damalige Trainerin gefragt, wie man in dieser oder jener Situation GFK anwenden würde. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich zum damaligen Zeitpunkt verstanden habe, dass GFK nicht so etwas ist wie Schuhcreme oder Kopfschmerztabletten, was man anwendet, wenn entweder die Schuhe schwarz werden sollen (tu etwas für mich) oder das Pochen im Hirn verschwinden soll (geh endlich)… War dies oder das eine Situation, wo „mir das was taugt“?.
Die Haltung der GFK in mir zu tragen bedeutet für mich:
• ich höre auf, mich fertig zu machen, wenn mir Dinge nicht wie erhofft gelungen sind
• ich versuche, dich nicht mehr fertig zu machen, wenn ich enttäuscht oder im Schmerz bin
• in herausfordernden Situationen frage ich mich: Geht es mir um Verbindung?
• ich kann mir verzeihen, wenn ich in meiner Not oder meinem Frust rumbrülle
• ich akzeptiere, dass ich Lamm und Löwe in mir habe
• ich bemühe mich um eine stabile Verbindung zu mir und meinen Bedürfnissen.

Letzteres war in den vergangenen Tagen eine Herausforderung. Die Papierberge türmen sich hier in halb-Meter-hohen Stapeln und all meine Antreiber fordern mich zu Nachtschichten auf, und trotzdem habe ich mich gestern um 16 Uhr hingelegt und bis 19 Uhr geschlafen. Es ging nichts mehr. Und eben konnte ich einer wirklich ekelig süßen Tafel Schokolade nicht wiederstehen (jetzt ist mir schlecht). Aber ich bemühe mich um eine liebende und mitfühlende Haltung mir und meinen Mitmenschen gegenüber.

GFK anwenden – das ist etwas, was ich heute fürchte. Für mich schmeckt das nach Manipulation. Ich hab da doch noch so ein Werkzeug, das hole ich mal raus und dann schraube ich an unserer Verbindung. Es kann vorkommen, dass es mir dann eben nicht um die Verbindung geht, um den Giraffentanz, was brauche ich, und was brauchst du? Vielmehr setze ich GFK ein, um dich dazu zu bewegen, mir das zu geben, was ich will. Ich bin ganz schön tricky, was?
Es gibt so eine entzückende Stelle auf Marshalls Tonbändern, wo er von einem Streit mit seiner Frau Valentina erzählt, die wutschnaubend zu ihm sagte: „Don’t you NVC me!“
Also: Wenn ich GFK als Mittel einsetze, zum Beispiel um jemanden zu besänftigen oder ihn dahin zu bewegen, das zu tun, was ich will, dann ich das weit entfernt von dem, was wir unter „Haltung“ verstehen. Gerald Jampolski sagt es so treffend: „Stattdessen könnte ich Frieden sehen“.

Noch ein letzter Gedanke.
Es ist nichts falsch damit, gerade mal nicht mit „der Haltung“ unterwegs zu sein. Ein früherer Freund von mir sagte mal ungläubig-erstaunt: „Willst du, dass dich eine Reiseleiterin auf Naxos lieb hat?“ Bloß keinen Stress machen, bloß niemanden verärgern. Bullshit! Ehrlicher Selbstausdruck ist eine wunderbare Sache, wenn es mir gelingt, wirklich „bei mir“ zu bleiben. Da kommt dann ein kleiner GFK-Prüfstein: Von der Du-Botschaft zur Ich-Aussage in 110 CNVC-zertifizierten Seminartagen…

So long!

Ysabelle

Ein Freund, ein guter Freund…

Hallo, Welt!
Ich bin seit acht Uhr hoch und habe von all dem, was ich heute schaffen wollte, noch nichts angepackt. Ich dachte, es wäre eine gute Idee, eben „mal schnell“ den neuen Labeldrucker zu installieren, um künftig ruck, zuck die Etiketten für die Briefumschläge beschriften zu können, aber diese Aktion hat mich an meine Grenzen gebracht.

Drucker auspacken
Drucker zusammenbasteln, verkabeln
Bedienungsanleitung für Installation lesen
Software installieren
Drucker anschließen, starten.
Er wird erkannt.

Alles chico, sollte man meinen, aber es ist mir auch nach zwei Stunden Probieren und Experimentieren nicht gelungen, in einem vorgegebenen Format ein Etikett auszudrucken.

Während ich noch überlegte, ob ich das Ding einpacke und zurückschicke, sehe ich eine Nachricht im Skype von meinem lieben Freund Michael aus England. Er hat eine Rückfrage zum IIT im Oktober. Es denkt in mir, gut, du lenkst dich da mal ein bis drei Minuten ab und sprichst eben mit ihm, dann geht es an die Arbeit, die sich hier türmt.
Der geplante Mini-Austausch zog sich dann eine Stunde und verbrauchte eine Packung Tempotaschentücher. Zum einen hat mein Freund Michael eine wunderbare Art „to reflect back“, also zu wiederholen, was bei ihm angekommen ist. Mein Wolf meldet sich und teilt mir mit: „Da kannste dir mal ne Scheibe von abschneiden, wie einfühlsam der immer ist!“ Vollends aus der Kurve getragen haben mich dann seine fürsorglichen Fragen, und er hat vorher auch noch gefragt, ob er was fragen kann: Wer unterstützt dich gerade? Kann es sein, dass du dich einsam fühlst? Machst du das, was du gerade machst, als eine Art persönliche Wiedergutmachung? Findet dort eine Form von Heilung statt? Was sagt dein inneres Kind dazu? Hattet Ihr kürzlich Kontakt?
Ich bin dank dieses Gesprächs viel mehr mit meinen Bedürfnissen in Verbindung gekommen, statt nur zu funktionieren. Nachdem wir aufgelegt hatten (na ja, ausgeskypt), habe ich zwei Sendungen versandfertig gemacht (mit verkorksten Labeln) und bin erst mal im Sonnenschein zur Post und auf den Markt gegangen. Dann habe ich mir was zu essen gemacht und mich an Schwarzbrot mit Krabbensalat delektiert. Dann habe ich einem Kunden sein Geld zurück überwiesen. Wie oberpeinlich, ich habe zweimal den gleichen Betrag bei ihm abgebucht, am 22.12. und am 16.1. Er wies mich vorhin sanft darauf hin und ich habe mich für dieses freundliche Feedback bedankt und die Kohle überwiesen. Er antwortete daraufhin:

kein Problem. Der Wolf wollte natürlich sofort der Lastschrift widersprechen, aber die Giraffe hat gewonnen!

Ist es nicht wunderbar, mit der Haltung der GFK unterwegs zu sein?
Jetzt werde ich mich hinlegen und so lange schlafen, bis ich erfrischt aufwache. Ich ich möchte darauf vertrauen, dass ich alle Arbeit schaffe, die noch zu erledigen ist.
Mal gucken, wann mein Sohn vorbei kommt, um mich in die Bedienung dieses Druckers einzuweisen. Das war nämlich dann meine klare Bitte um Unterstützung.

So long!

Ysabelle

Ich bin niemals aus dem Grund verstimmt…

Hallo, Welt!
Was für lehrreiche Tage! Aktuell arbeite ich am zweiten Heft unserer GFK-Zeitschrift und lerne noch einmal ganz viel darüber, warum ich mich für die Zertifizierung entschieden habe. Und ich stelle in den vergangenen Tagen wiederholt fest, dass ich Groll habe. Groll – den Begriff kenne ich im Zusammenhang mit dem Genesungsprogramm der 12-Schritte-Gruppe und auf der heutigen sturmumtosten Autofahrt zu meiner Mutter gab es reichlich Gelegenheit, diesem Groll nachzuspüren.
Wenn wir im GFK-Terminus drei Statii (Statusse? Zustände!) kennen: Unterwerfung, Rebellion und Augenhöhe, dann gehört Groll wahrscheinlich zu Unterwerfung. Ich merke, dass es dahinter den Gedanken gibt (tief, tief verbuddelt), der andere schulde mir etwas. Aktuell sind das mindestens zwei Menschen in meinem Leben, von denen ein Teil von mir so etwas denkt. Der oder die schuldet mir was. Und damit kommen wir zu dem Zitat von Gerald Jampolski, der sagt: Ich bin niemals aus dem Grund verstimmt, den ich annehme.
Einer dieser Menschen, ohne GFK-Erfahrung, schrieb mir vorgestern, „ich habe das Gefühl, du willst mir ein schlechtes Gewissen machen“. Uff. Rebellion, Kollegen, Rebellion! Kein Mensch kann einem anderen Gefühle machen, hoast mi?! Ich fand es dann doch lohnenswert, da näher hinzuspüren, und dabei habe ich eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Ich fand mich wild schluchzend im Bett wieder, verbunden mit all der Last und dem Schmerz, mit dem ich aktuell unterwegs bin: Die Begleitung meiner Mutter (ja, es kann ihr tatsächlich immer NOCH schlechter gehen…), der Druck mit dem neuen Heft, finanzielle Unsicherheiten, eine tiefe Einsamkeit, das ganze Paket.

Im Seminar sagte vorige Woche eine Teilnehmerin zur anderen: Gibt es da eine Bitte an uns? Ich war begeistert. Mir wurde gestern klar, dass ich auf ziemlich verschwiemelte Weise (kennt einer das Wort? ich liebe es!) versucht hatte, um Unterstützung zu bitten. Und als mein Wischiwaschi nicht verstanden wurde, ging ich in den Groll. Als ich meine Antwort an „Schlechtes Gewissen“ schrieb, war ich wieder mit der Lebensenergie verbunden. Und ich konnte mich outen mit meiner Angst und meiner Hilflosigkeit. Und ich konnte diese Strategie (ich Tarzan, du Jane und mir helfen…) loslassen. Gleichzeitig spürte ich wieder leises Vertrauen, dass schon irgendwo her die Hilfe kommen wird.
Tatsächlich erschien sie in Gestalt meines Hausmeisters, der im ganzen Leben noch kein GFK-Buch gelesen hat. Er saß mit mir beim Kaffee am Küchentisch, hörte mir einfach zu, machte ein paar wohlwollende Geräusche und schlug mir dann vor, er würde mich zu meiner Mutter fahren, damit ich im Auto ausruhen könne…
Ich habe dieses entzückende Angebot aus verschiedenen Gründen nicht angenommen, aber es hat mir noch einmal verdeutlicht, dass es eine Fülle von Strategien gibt, mit denen ich meine Probleme lösen kann. Und wenn ich für die Fülle offen bin, spülen die Lösungen von ganz allein an meine Küste. Oder mir fällt jemand ein, den ich anrufen könnte. Cool, oder? Jetzt braucht es nur noch die Zeit und die Energie, jemanden anzurufen. Na, heute Abend nicht mehr… Ist auch gar nicht mehr so schlimm!

So long!

Ysabelle

Angekommen in 2015

Hallo, Welt!
Euch allen ein frohes neues Jahr! Eben habe ich die Kontostände kontrolliert und mit mildem Schreck festgestellt, dass der Golfclub abgebucht hat. Klar, wenn man nicht kündigt, läuft die Mitgliedschaft weiter und die buchen ab… und kündigen wollte ich in meinem Herzen nicht. Trotzdem waren diese Minus 450 Euro Jahresbeitrag gerade ein kleiner Schock.
Überhaupt, das liebe Geld… Ein Anlass, immer wieder Ohnmacht zu spüren. Gestern habe ich mit einem Kollegen abgerechnet: Wir nehmen alle Ausgaben, die wir hatten, und addieren sie. Dann ziehen wir diese Summe von den Einnahmen ab und teilen den Rest. Oh – ich krieg noch 100 Euro von dir, wie schön! Dummerweise hatte ich dabei übersehen, dass der Kollege bis da hin ja seine Ausgaben aus eigener Tasche bestritten, und sie noch nicht aus dem Topf ersetzt bekommen hatte… Ich spürte die Einladung zur Selbstabwertung und habe sie dann doch dankend abgelehnt.
Gestern Abend hatte ich ein langes Telefongespräch mit einem alten Freund. Er berichtete von einem schmerzhaften Treffen mit seiner Ex-Freundin und ihren Bewertungen, die bei ihm die Gedanken auslösten, er sei nicht gut genug und habe sich in der Partnerschaft nicht genug angestrengt. Im Nachklang zum Workshop am Wochenende habe ich ganz deutlich spüren können, dass das Thema hier Anhaftung ist. Du sagst etwas und ich beziehe es auf mich. Ich kann dich gar nicht hören, weil ich es so sehr auf mich beziehe. Ich nehme deine Worte und richte sie als Messer gegen mein Herz…
Es kann schon sein, dass du die Worte sogar als Messer handhaben wolltest. Aber wenn es so war, dann hast du das getan, weil du ein dringendes unerfülltes Bedürfnis hast. Und ich lerne, das zu hören, ohne es auf mich zu beziehen…
Es gibt Situationen, in denen gelingt mir das gut. In anderen Situationen fällt es mir schwer. Silvester hatte ich eine Danke-Mail an eine Freundin geschickt. Gestern kam die Antwort. Sie schrieb über ihren Schmerz, dass wir so selten Verbindung haben, und ihre Not damit. Ich kann das lesen ohne es GEGEN mich zu richten. Aber ausgelöst werden Hilflosigkeit, Druck, ja sogar Verzweiflung. Ich gebe wirklich mein Bestes, ich bemühe mich so sehr, all die Sachen zu handhaben, die in meinem Leben aufpoppen, und trotzdem schaffe ich nicht alles, was in meinem Herzen schön wäre.

In einer Seminarpause habe ich wieder einmal fantasiert, was wäre, wenn ich mir wirklich die Auszeit nehme, die ich mir für Ende diesen Jahres vorgenommen habe. Dann schaue ich mich um und sehe die Papierberge auf meinem Schreibtisch. Ich sehe den vollen Korb mit den Glasflaschen, die zum Altglas-Container müssen. Ich sehe in meinem Posteingang 2653 Mails. Fast alle gelesen, aber nicht alle bearbeitet, beantwortet… Gestern erreichte mich eine Mail einer Teilnehmerin vom IIT im vergangenen Jahr. JETZT braucht sie eine Abrechnung… Dinge haben so einen Rattenschwanz!
Der Freund, mit dem ich gestern sprach, hat seinem Leben eine klare Struktur gegeben. Es gibt Zeiten, in denen er arbeitet und Zeiten, in denen er Ruhe findet. Stunden der Meditation und des Entspannens. Er genießt es, in der Natur zu sein oder ein Buch zu lesen. Und ich sitze vor einer Papierexplosion am Schreibtisch, die Seminarkisten sind noch nicht ausgepackt, Wäsche ist zu waschen, die Bilder für die nächste Ausgabe der Zeitung zu sortieren und zu benennen. Katzenklos sind dran, ich muss noch die Zählerstände für die Stadtwerke ablesen und nachher geht es zu meiner Mutter, dann ist dieser Tag als effektiver Arbeitstag auch schon wieder Geschichte. Meine Tage reichen nicht für das, was auf meinem Zettel steht, und ich kriege keine Ruhe da rein. Immer noch mal was obendrauf. Ich glaube, ich hätte gern eine Stunde am Tag, in der ich mich frei fühle nichts zu tun. Keine Ahnung, wie das gehen kann. Aber ich behalte es im Auge.
So long!
Ysabelle

Dankbarkeit: 28.12.2014

Hallo, Welt!
Allein die Ausrufung des Dankbarkeits-Monats führt dazu, dass Dankbarkeit mehr Platz in meinem Leben hat. Eine GFK-Gefährtin scheint – so habe ich es über Facebook erfahren – ein anderes Jahresprojekt zu haben, das mich schwer begeistert. Sie entmistet ihren Hausstand und schmeißt jeden Tag etwas weg. Ich bin drauf und dran, diese Idee zu adaptieren. Ich habe jetzt noch nicht bei ihr gespickt, wie sie das aufbereitet, aber für mich könnte ich mir vorstellen, mir einen Gedanken zu machen, warum ich etwas angeschafft habe oder wieso etwas zu mir gekommen ist, und warum ich mich jetzt davon verabschiede. Erfüllte und unerfüllte Bedürfnisse… Gleichzeitig denke ich, ich werde es nicht schaffen, das hier jeden Tag zu dokumentieren… Die letzten drei Tage bin ich nie vor eins ins Bett gekommen, weil so viel zu tun war…

Wofür bin ich in diesen Tagen dankbar?
Gestern bekam ich eine SMS, die mich gehörig aus der Spur gebracht hat. Anders als früher ist es mir gelungen, nicht spontan darauf zu antworten, sondern die Info erst mal sacken zu lassen und zu überlegen: Was möchte ICH eigentlich? Das ist ein Fortschritt.
Am ersten Feiertag hatte ich ein Gespräch mit einem A-Freund, das ich gegen Ende als unausgewogen einordnete. Sein Themenanteil war deutlich größer als meiner. In der Reflektion habe ich gemerkt, dass ich alle „Angebote“ zum Coaching aufgegriffen und ihm bei jeder Gelegenheit eine Deutung nach GFK-Art angeboten habe. Sein Feedback war, dass das für ihn sehr hilfreich und förderlich war. Ich war trotzdem unzufrieden. Wenn ich beim anderen bin, brauche ich mich ja nicht um mich zu kümmern, ein altes Thema von mir. Wir sind jetzt seit acht Jahren befreundet, kennen uns aus therapeutischer und GFK-Umgebung. Und so ist es mir gelungen, meine Unzufriedenheit auszudrücken und einen Vorschlag zu machen, wie ich mir künftig meine Beteiligung an solchen Gesprächen wünsche. Das konnten wir gemeinsam als Fortschritt feiern. Boah, wie schwer das ist! Und es geht nur, weil da inzwischen so viel Vertrauen gewachsen ist…
Eine alte Freundin hat mich gestern besucht und wir haben fast zwei Stunden gequatscht. Sie hatte Anfang Dezember ihren Besuch angekündigt und diese Mail war mir durch die Lappen gegangen. Mitte Dezember schrieb sie eine zweite Mail – ich wolle sie wohl nicht sehen. Das sei bedauerlich. Darauf habe ich sofort zurück geschrieben, das sei ein Irrtum, natürlich wolle ich sie sehen, doch diese Mail hat sie nicht mehr gelesen… Umso schöner, dass wir am ersten Feiertag das Missverständnis aufklären konnten und eine schöne Zeit miteinander hatten. Heute werden wir zusammen spazieren gehen und ich freu mich drauf! Hier ist es sonnig und winterlich kalt. Richtig verlockend für einen Spaziergang.
Gerade rief der Pflegedienst meiner Mutter an. Ich bin dankbar, dass es ihr den Umständen entsprechend gut geht und keine neuen Blutungen aufgetreten sind.
Ich bin dankbar, dass ich endlich das vollständige Interview mit Godfrey Spencer übersetzt und abgetippt habe. Der Mann bringt mich zum Lachen und ich höre ihm fasziniert zu. Sein Englisch ist leicht zu verstehen. Und trotzdem habe ich acht Stunden gebraucht, um 25 Minuten zu verschriften. Zehn-Sekunden-weise habe ich das abgetippt und zu meinem Bedauern werden jetzt einige lustige Episoden, die er beschrieben hat, nicht abgedruckt, es sei denn, ich mache ein Godfrey-Sonderheft…
Die letzten Tage hatten es wieder mal in sich. Ich möchte feiern, dass ich gut für mich gesorgt habe, richtig gekocht, Pausen eingelegt. Besonders kostbar ist mir aber das Erlebnis, nicht sofort auf einen Auslöser reagieren zu müssen, sondern mir Zeit zur Selbstverbindung zu geben. Diese Übung möchte ich im neuen Jahr intensiver praktizieren.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 23.12.2014

Hallo, Welt!
Viele Gründe gibt es heute, von ganzem Herzen dankbar zu sein. Am meisten danke ich mir selbst.
Heute Morgen bin ich in diesen Orkanböen zur Post getappt, um eine Empathische Zeit zu verschicken. Die Schlange zog sich durch den halben Laden. Nachdem vier oder fünf Leute bedient worden waren, kramte ich schon mal nach dem Umschlag um zu realisieren, ich habe ihn zu Hause liegen lassen.
Lachend bin ich aus der Post marschiert. In der Tür wunderte sich eine Frau, dass ich so fröhlich bin und erzählte dann, dass sie einmal ihr Portemonnaie zu Hause vergessen hatte. Und die Schlange an der Supermarkt-Kasse. Und es wäre so peinlich gewesen… und wie die Leute sie angeguckt hätten…
Da habe ich mich gleich umso mehr gefreut, dass ich diese Gedanken nicht mehr habe. Und wie die anderen Leute dann gucken, ist mir grad schnurz. Hurra.
Danach bin ich zum Einkaufen gezogen, meinen ollen Hackenporsche in meinem Windschatten. Als ich bei der Feuerwehr vorbeikam, entdeckte ich diverse Papiertonnen. Oh, oh…
Vergessen, die Tonne rauszufahren? Und die ist doch aber voll…Nur ein kurzes Aufwallen von „hast du nicht überprüft… und wieso hast du gestern nicht…“. Und dann konnte ich mich flugs damit verbinden, dass ich mein Bestes gebe! Jeden Tag, immerzu! Es ist zwar doof, auf einer vollen Papiertonne zu sitzen, aber sagt nichts über meine Qualitäten als Mensch, Mutter, Unternehmerin, Trainerin, Tochter und Hausfrau. Das einzige, was man daraus ablesen kann, ist das ich die Papiertonne nicht rausgestellt habe.
Das habe ich dann um 22.15 Uhr gemacht. Die Tonnen werden nämlich erst Morgen, am Heiligen Abend geleert. Wie gut, dass ich mich damit nicht fertig gemacht habe!
Obwohl ich offiziell frei habe, war ich heute zum Weihnachtsessen in „meiner“ Maßnahme. Es gab einen Salat als Vorspeise, Cordon Bleu als Hauptgang und ein sehr originelles und reichhaltiges *hicks* Dessert. Eine Woche hatte ich meine Jungs und Mädels jetzt nicht gesehen und ich war auf die stolz wie Bolle. Unglaublich, für mich hatten sie einen Salat ohne Zwiebeln und ohne Tomaten hingelegt! Wenn das nicht Liebe ist! Ich danke Euch allen!

Dankbar bin ich für die tolle Seminarbesprechung mit Michael heute. Ich genieße unsere Art zu diskutieren und mit Politurpaste über die Themen zu gehen. Wie viel Struktur brauchen wir und wie viel Raum für Lebendigkeit? Ach, das macht einfach Freude und ich bin dankbar, dass ich das erleben darf.

Nachdem ich zwei Tage eine Kuhglocken-Unterhaltung mit meiner Mutter hatte, habe ich heute ein Xylophon für sie gekauft, damit wir uns besser verständigen können als mit diesem lauten Gebimmel. Und was passiert? Heute Abend spricht sie mit mir! Ich fragte, wie dieses Wunder möglich sei, und sie sagte: „Ich stehe“. Ah! Dann geht es wohl besser mit der Luft!
Ich bin glücklich. Müde aber glücklich. Einmal gingen meine Gedanken heute Abend noch zu dem Mann, der so lange der Mann meines Herzens war. Er baut wohl gerade seinen Stand auf dem Weihnachtsmarkt ab, und dieser Gedanke daran schafft Nähe und Verbindung, aber auch Trauer und Wehmut. Und gleichzeitig bin ich dankbar für die Situation wie sie heute ist. Was nicht geht, geht nicht. Wenn du feststellst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab. Der amerikanische GFK-Trainer, Anwalt und Filmemacher Jeff Brown (dessen Groopie ich ja bin) formuliert das ultra-spirituell:

If one person doesn’t want the relationship, then it’s
simply not a fit. No sense trying to figure out why
we think they don’t want it. No sense blaming it on
their commitment issues. No sense waiting around
for them to realize they wanted it after all. Because it
doesn’t matter why they don’t want it. What matters
is that we want to be met heart-on by a fully engaged
partner. If they don’t want it, then we don’t want
it, because we don’t want to be with someone who
is not there for it fully. That’s the thing about love
relationship- it’s an agreement that has to be signed by
both souls. If one doesn’t sign, then nothing has been
lost. If it’s not a fit for them, it’s not a fit for us either.
On to the next adventure we go.. (~an excerpt from
‚Love it Forward‘)

und ein zweites Zitat: (mal sehen, ob ich das dritte auch noch finde…)

It’s often difficult to distinguish a soul-mate from a
wound-mate because powerful connections excavate
the unresolved emotional material that each of us
holds. The stronger the connection, the stronger the
light shining on those dark places. Some woundmates
truly do contain the seeds of our soulular
expansion. But not all wound-mates are soul-mates.
Sometimes they are toxic connections masquerading
as something more heightened. Sometimes they are
destructive battle-grounds with very little possibility
for expansion. Sometimes they are just trouble with a
capital T. It’s an important distinction. We want to go
where we grow. (~an excerpt from Love it Forward)

und hier das letzte für heute… es ist nicht ganz das Zitat, was ich abgespeichert hatte, aber es beinhaltet ein Bild, das ich so schön fand. Wenn alles glatt geht, werde ich kommendes Jahr im Oktober als Assistenztrainerin nach Rumänien gehen, wo Jeff ein IIT leiten wird. Zusammen mit Sylvia Haskvitz und Ian Peatey!

It doesn’t matter how much two people love one another if they are developmentally incompatible, or if there is not a shared willingness to become conscious. This is why they call it a relationship instead of a loveship. Love alone is not enough. If you want it to last, you have to relate to each other in ways that keep the ship afloat.

Ja, Liebe allein ist nicht genug. Wie gut, dass es so viel Liebe auf der Welt gibt!

Euch allen eine gesegnete Weihnacht voller Liebe, Verbindung und nährender Gemeinschaft!

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 22.12.2014

Hallo, Welt!
Heute in zwei Tagen bin ich hoffentlich schon wieder zu Hause. Heiligabend im Kreis meiner Ursprungsfamilie – das letzte Mal in dieser Besetzung – das ist schon hart. Und ich kann nicht mit meinem Sohn und seiner kleinen Familie feiern, weil ich mich anders entschieden habe. Das ist in Ordnung so, und trotzdem spüre ich auch Traurigkeit.
Heute Abend hatte in einen Austausch mit meiner Mutter, der schon denkwürdig ist. Ich erzähle etwas, versuche Fragen zu stellen, die sie mit ja oder nein beantworten kann. Und sie sitzt mit einer „Nimm-mich-aus-dem-Urlaub-mit-nach-Hause“-Kuhglocke am Telefon und klingelt einmal für Ja und zwei mal für nein.

Mal sehen, ob ich Morgen irgendwo ein Xylophon her bekomme, das fände ich angenehmer als dieses heftige Bimmeling von der Kuhglocke.
Und gleichzeitig bin ich dankbar, dass wir damit eine Art von Verständigung hinbekommen. Was für eine schreckliche Krankheit!
Mein Sohn hat sich zu Weihnachten eine Kaffeekanne gewünscht. Klick. Bestellt. Vor acht Tagen. Und noch nicht hier. Allmählich werde ich unruhig.
Ansonsten habe ich alle Geschenke im Sack, denke ich. Nicht dass es dieses Jahr so viele wären. Eben habe ich noch für meinen Londoner Freund Michael einen Satz Lebenskarten auf Englisch gekauft… Die kommen dann zwar etwas später an, aber grad mal egal. Er weiß, dass sie von Herzen kommen.
Wofür bin ich heute dankbar?
Dass ich die lange Schlange in der Post ertragen habe, ohne den Umstehenden schreiend meine Pakete um die Ohren zu hauen.
Ich bin mir dankbar, dass ich mir heute Mittag und heute Abend was zu Essen gemacht habe. Gekocht und Brote geschmiert. Und dass ich mir einen Mittagsschlaf genehmigt habe.
Ich bin dankbar für ein Gespräch mit einem früheren Kollegen aus meiner alten Firma. Er bereitet sich gerade auf Hartz IV vor, hat keinen neuen Job gefunden. ich habe ihn gebeten, mich bei der nächsten Ausgabe der Empathischen Zeit als Layouter zu unterstützen. Das war ein wirklich schönes Gespräch, für das ich dankbar bin.
Dankbar bin ich, dass ich meine Lernfelder erkennen darf. Andere Menschen sind nur der Auslöser für meinen Unmut. Die Ursache liegt in mir. Ich möchte jede Minute feiern, in der ich diesen Konflikt bei mir halten kann und nicht auf andere auskübeln. Ich erschaffe eine Welt mit Angriffs- oder Kritikgedanken. Und ich bin in der Lage, das zu verändern.
Gestern Abend habe ich eine Exkursion nach Hamburg unternommen. Im Völkerkundemuseum gab es zur Wintersonnenwende ein pralles Programm und Nayoma de Haen hatte mich dazu eingeladen. Sie hat abends um zehn einen Vortrag über die Raunächte gehalten und obwohl ich schon das Buch von ihr kannte, war ich sehr fasziniert von ihren Erzählungen. Auch dafür bin ich dankbar. Mal raus, mal auf andere Gedanken kommen…
Das Seminarhaus hat mir heute als Vorkasse die Rechnung für unser Seminar geschickt. „schluck*. Ich bin dankbar, dass ich sie auslegen kann. Und ich freue mich über meine Zuversicht, dass alle Teilnehmer unseres traumhaften Workshops zügig überweisen werden. Und ich bin dankbar für dieses Vertrauen in die Welt und ich meine Mitmenschen.
So long!
Ysabelle

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